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DEMENZ/390: Forschung - Mit Nanotechnologie gegen das Vergessen (idw)


Max-Planck-Institut für Polymerforschung - 10.10.2018

Mit Nanotechnologie gegen das Vergessen


Etwa 29 Millionen Menschen sind weltweit von der Krankheit "Alzheimer" betroffen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) arbeiten nun gemeinsam mit Forscherteams aus Italien, Großbritannien, Belgien und den USA an einem Behandlungsansatz. Ziel ist zum einen die Entwicklung eines Verständnisses der im Gehirn ablaufenden Prozesse, die zu der Krankheit führen; zum anderen einer Methode für den gezielten Medikamententransport.

Im menschlichen Gehirn sorgen Nervenzellen - sogenannte Neuronen - für die Weiterleitung von elektrischen Signalen. Sie bilden damit das funktionelle Bauelement, welches für Empfindungen, Reize und Erinnerungen verantwortlich ist. Bei Vorliegen einer Demenzerkrankung kommt es zur Ablagerung von Proteinen außerhalb der Neuronen, welche dann zum Absterben der neuronalen Zellen führt. Wie das Absterben der Neuronen verhindert werden kann, ist heute immer noch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. In einem unlängst gestarteten länderübergreifenden Forschungsprojekt im Rahmen des gemeinsamen EU-Programms zur neurodegenerativen Krankheitsforschung (JPND), welches in Deutschland durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, versuchen Forscher dieser Frage nun näher zu kommen.

Während Projektpartner in Italien, Großbritannien, Belgien und den USA daran arbeiten, die genauen Prozesse im Gehirn zu untersuchen und zu verstehen, werden am MPI-P erste Versuche zum Medikamententransport unternommen. Hierbei stellt die Überwindung einer körpereigenen Barriere - der sogenannten Blut-Hirn-Schranke - die Hauptherausforderung dar. Im Gehirn einzusetzende Medikamente müssen diese Schranke zunächst passieren können, um dann zielgerichtet zu wirken.

Hierfür arbeiten die Mainzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Nanokapseln, die es schaffen sollen, die Barriere zu überwinden. Besonders wichtig sind hierbei zwei Faktoren: Zum einen muss für eine lange Zirkulationszeit der Nanokapseln im Blut gesorgt werden, um so die Interaktionswahrscheinlichkeit mit den Zielzellen in den betroffenen Hirnarealen zu erhöhen. Hierfür ist es wichtig, die Nanokapseln so zu designen, dass sie nur wenig von Niere oder Leber aufgefangen und ausgeschieden werden. Zum anderen müssen spezielle "Adress-Etiketten" - bestehend aus Proteinen - auf der Kapseloberfläche angebracht werden, um so, ähnlich wie ein Schlüssel mit einem Schloss, von den Zielzellen erkannt und aufgenommen zu werden. "Noch füllen wir unsere nanometergroßen Kapseln mit Farbstoff", so Dr. Svenja Morsbach, Gruppenleiterin in der Abteilung von Prof. Katharina Landfester am MPI-P. "Wenn der Transport durch die Blut-Hirn-Schranke mit den Nanoträgern klappt, hoffen wir, den Farbstoff einfach gegen ein passendes Medikament austauschen zu können". Die am Projekt beteiligten Partner in Italien, Großbritannien, Belgien und den USA untersuchen parallel zur Entwicklung des Transportsystems in Mainz die genauen, im Hirn ablaufenden Prozesse. Hier sind sogenannte "Exosomen" und "neurotrophische Faktoren" vom Hauptinteresse. Exosomen sind kleine "Miniaturzellen", die von realen Zellen zur Kommunikation untereinander freigesetzt werden können. Diese sind nur etwa 100 Nanometer - also 100 Milliardstel Meter groß. Gleichzeitig bezeichnen "neurotrophische Faktoren" biochemische Botenstoffe, die für ein Wachstum und Überleben von Nervenzellen verantwortlich sind. Die Wechselwirkung von Exosomen und neuronenfördernden Faktoren wird von den Forschern als Hauptangelpunkt für das Verständnis von Demenzerkrankungen gesehen.

Das Projekt ist auf drei Jahre ausgelegt und wird mit über einer Million Euro gefördert, wovon ein Anteil von mehr als 400.000 Euro auf das Teilprojekt der Mainzer Wissenschaftler entfällt. Die Forscherinnen und Forscher hoffen, am Ende mit einem Verständnis für die Erkrankung selbst sowie mit der Entwicklung eines funktionierenden Transportsystems einen wichtigen Schritt in Richtung der Behandlung von Demenzerkrankungen zu gehen.

Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Das Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) zählt zu den international führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Polymerforschung. Durch die Fokussierung auf weiche Materie und makromolekulare Materialien ist das MPI-P mit seiner Forschungsausrichtung weltweit einzigartig. Seine Aufgabe ist es, neue Polymere herzustellen und zu charakterisieren. Zum Aufgabengebiet gehört auch die Untersuchung ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften. Das MPI-P wurde 1984 gegründet. Es beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem In- und Ausland, von denen die große Mehrzahl mit Forschungsaufgaben befasst ist.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.mpip-mainz.mpg.de
Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution350

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Polymerforschung - 10.10.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2018

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