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DEMENZ/497: Recht - Kündigungsmöglichkeit von Zeitschriften-Abonnements durch "Haustürgeschäfte" (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 2/2022
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

RECHT
"Papa liest keine Frauenzeitschriften" - Wie werde ich die Abos wieder los?

von Bärbel Schönhof, Assessorin jur., Bochum


Sabine kommt täglich zu ihrem Vater, um nach dem Rechten zu sehen. Seit der Diagnose der Alzheimer-Krankheit achtet sie auch auf die Post des Vaters. Heute sieht sie eine Rechnung über verschiedene Zeitschriften-Abonnements, die sie stutzig macht. Es sind überwiegend Frauen-Zeitschriften, es war eine Quartalsabrechnung. Ihr Vater hat zeitlebens keinerlei Zeitschriften gelesen, sodass sie sich wundert, weshalb er diese abonniert haben soll. Auf ihre Frage, ob er die Abonnements abgeschlossen hat, antwortet ihr Vater: "Natürlich nicht, was soll ich mit dem Kram?" Sabine ruft den Verlag an und erhält noch am selben Tag per Mail die schriftliche Bestätigung über das Abonnement, das tatsächlich die Unterschrift ihres Vaters trägt. Offensichtlich hatte ihr Vater an der Haustür mehrere Abonnements unterschrieben, woran er sich aber nicht mehr erinnern konnte. Die Zeitschriften wurden auch tatsächlich geliefert und liegen ungelesen im Wohnzimmer auf dem Tisch. Sabine fragt sich nun: "Wie werden wir die Abos wieder los?"

Sabine hatte in der Vergangenheit schon darüber gelesen, dass es eine Widerrufsmöglichkeit geben kann, wenn solche Abonnements geschlossen werden. Hierbei handelt es sich um so genannte "Haustürgeschäfte", also Verträge, die nicht in den Räumen eines Unternehmers, sondern entweder auf der Straße oder in den Räumlichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher oder eben an der Haustür geschlossen werden. Bei dieser Art der Abonnements besteht die Möglichkeit, gem. §§ 312 b, g und 355 BGB den Vertragsschluss zu widerrufen. Dies muss innerhalb einer gewissen Frist geschehen, üblicherweise innerhalb von vierzehn Tagen nach Vertragsschluss. Sabine sah, dass der Vertrag offensichtlich schon vor zehn Monaten geschlossen wurde. Die Widerrufsfrist war also bereits abgelaufen.

In den Unterlagen fand Sabine die Information, dass die Abonnements für eine Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen wurden und bei nicht rechtzeitiger Kündigung sich automatisch um ein weiteres Jahr verlängern würden. Die Kündigungsfrist war mit drei Monaten zum Ablauf des Jahres angegeben. Auch diese Frist war nicht mehr einzuhalten. Doch Sabine erinnerte sich an ein neues Gesetz, dass diese Kündigungsfristen neu regelte. Das "Gesetz für faire Verbraucherverträge" ist in Teilen zum 1. Oktober 2021 und zum 1. März 2022 in Kraft getreten. Es wird in weiteren Teilen zum 1. Juli 2022 in Kraft treten. Danach dürfen Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie diese, die dem Vertrag über die Zeitschriften-Abonnements zugrunde liegen, nicht mehr stillschweigende Vertragsverlängerungen dieser Art enthalten. Erlaubt sind erstmalige Vertragslaufzeiten von bis zu zwei Jahren, ebenso stillschweigende Vertragsverlängerungen mit der Einschränkung, dass diese dann auf unbestimmte Zeit abgeschlossen sind und die Möglichkeit einer Kündigung innerhalb einer Frist von maximal einem Monat haben. Diese neue Regelung gilt jedoch nur für Verträge, die nach dem 1. März 2022 geschlossen wurden. Sabine sah, dass auch diese neue Regelung ihrem Vater noch nicht helfen konnte, um aus dieser Abo-Falle herauszukommen.

Musste ihr Vater also den Abonnement-Vertrag vollständig erfüllen und konnte er ihn erst zu einem späteren Zeitpunkt kündigen? Ihr Vater konnte sich nicht daran erinnern, einen solchen Vertrag unterschrieben zu haben. Allerdings war es zweifelsohne seine Unterschrift, die Sabine unter dem Vertrag sah. War die Demenz bei ihm schon so weit fortgeschritten, dass er derart wichtige Dinge nicht mehr beurteilen, geschweige denn erinnern konnte? Sabine sprach mit dem Hausarzt des Vaters. Dieser bestätigte ihre Vermutung. Er würde ihr ein Attest darüber ausstellen, dass ihr Vater aufgrund der Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage war, seinen Willen frei zu bestimmen und entsprechend danach zu handeln. Dies war bereits seit einem Jahr der Fall.

Damit war für Sabines Vater die Möglichkeit gegeben, sich auf seine Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB) zu berufen. Die Folge dieser Geschäftsunfähigkeit ist, dass Verträge nichtig sind (§ 105 BGB). Sabine schrieb den Verlag an, wies auf die Geschäftsunfähigkeit des Vaters hin und forderte die bereits gezahlten Gelder zurück.

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 2/2022, Seite 12
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 12. Juli 2022

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