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DEMENZ/513: Certification-D - Zertifizierung demenzgerechter Produkte (DAlzG)


Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Alzheimer Info Nr. 3/2023

Certification-D
Zertifizierung demenzgerechter Produkte

Susanna Saxl-Reisen, DAlzG, sprach mit Katrin Krah, Mitarbeiterin im Demenz-Forschungszentrum der Alexianer Krefeld GmbH


So lange wie möglich und so selbstständig wie möglich zu Hause zu leben ist der Wunsch der meisten Menschen, auch mit einer Demenzdiagnose. Es gibt mittlerweile viele unterschiedliche technische Unterstützungsmöglichkeiten, die dabei helfen können, gerade auch zu Beginn einer Demenzerkrankung. Doch das Wissen über solche Möglichkeiten fehlt meistens und es gibt auch große Unsicherheiten bei der Auswahl passender Produkte. Hier war der Ansatzpunkt für das grenzübergreifende Projekt "Certification-D". Wir haben mit Katrin Krah, Mitarbeiterin im Demenz-Forschungszentrum der Alexianer Krefeld GmbH und Hauptansprechpartnerin für Certification-D in Deutschland, über Ziele, Erkenntnisse und weitere Aussichten für das Projekt gesprochen.


Frau Krah, in dem Projekt Certification-D sollte eine Zertifizierung demenzgerechter Produkte vorgenommen werden. Heißt das, Sie haben so eine Art TÜV-Siegel entwickelt?

Krah: Tatsächlich war unsere Idee, dass wir am Ende des Projekts eine Auswahl guter Produkte mit einem Prüfsiegel versehen können. Mit einer Zertifizierung ist aber ein viel umfangreicherer Prozess gemeint. Dieser Prozess hat sich im Laufe des Projekts immer weiter entwickelt, sodass wir nun - das ursprüngliche Projekt war im März 2023 beendet - einen Standard haben, mit dem wir weiterarbeiten können. Im Rahmen des Projektes haben wir uns mit Produkten aus verschiedenen Bereichen beschäftigt. In Deutschland lag der Schwerpunkt bei Personenortungsgeräten, an anderen Projektstandorten ging es um die Unterstützung der Kommunikation, um Sicherheit oder Aktivierung und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz. Alle Geräte, die wir untersucht haben, wurden in sogenannten Living Labs, also unter realen Bedingungen für jeweils sechs Wochen von Menschen mit Demenz und/oder ihren Angehörigen getestet. Die Rückmeldungen aus dieser Testung wurden gesammelt, ausgewertet und verwendet, um Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.


Es ging also nicht nur darum, ein Produkt anzuschauen und dann zu sagen, ob es ein Siegel verdient oder nicht?

Krah: Nein, ganz und gar nicht. Unser Ziel war, dass innovative und vertrauenswürdige Produkte für Menschen mit Demenz entwickelt werden und auf den Markt kommen. Den produzierenden und vermarktenden (kleinen und mittleren) Unternehmen wollten wir Mindeststandards und ein Verfahren anbieten, mit dem sie zukünftig passgenaue Produkte für verschiedene Demenzlebenslagen bereitstellen können. Wir haben festgestellt, dass die Firmen, die wir angesprochen haben, sehr offen für ein solches Angebot waren. In den meisten Fällen erhalten die Hersteller nämlich kaum Rückmeldungen aus der Praxis und sind froh, wenn sie Anregungen für Weiterentwicklungsmöglichkeiten bekommen. Allerdings haben wir auch die Erfahrung machen müssen, dass viele Produkte sehr wenig ausgereift waren. Die Internetseiten zu den Produkten lesen sich meist ganz wunderbar, aber wir machten wirklich überraschend oft die Erfahrung, dass es an Kleinigkeiten hapert, wie fehlenden oder defekten Ladekabeln und Ähnlichem. Auch der Preis liefert keinen Anhaltspunkt dazu, ob ein Produkt gut ist oder nicht.


Sie haben also verschiedene Hersteller direkt angesprochen und zu einer Zertifizierung ihrer Produkte eingeladen?

Krah: Ja, jeder Projektpartner hat das in seinem Land und zu seinem Schwerpunkt getan. Dabei haben wir eine ganze Reihe Produkte gefunden und im Zertifizierungsprozess weiterentwickeln können, die eine echte Bereicherung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen darstellen. Zum Beispiel ist die Vereinsamung und Isolation oft ein großes Problem, wenn Menschen mit Demenz alleine leben und nicht mehr selbstständig telefonieren können. Hier gibt es Lösungen, um einen schnellen Kontakt über ein Tablet herzustellen, mit dem Freunde und Angehörige anrufen können, ohne dass der Angerufene einen Telefonhörer abnehmen muss. Leider sind noch nicht alle Produkte, die wir zertifiziert haben, auf Deutsch bzw. in allen Sprachen verfügbar. Ich hoffe aber, dass dies noch kommt.


Wie erfährt man denn jetzt, welche Produkte Sie zertifiziert haben? Und wie geht es nach dem Projektende weiter?

Krah: Aktuell sind wir dabei, eine mehrsprachige Internetseite aufzubauen, auf der die zertifizierten Produkte zu finden sein werden. Momentan stehen diese Informationen nur auf Englisch zur Verfügung (siehe Kasten).

Einige Projektpartner werden weiter dabei sein, die Alexianer Krefeld, die ursprünglich der führende Projektpartner waren, leider nicht. Aber die Zertifizierungen sollen jetzt, nachdem es ein ausgearbeitetes Verfahren gibt, auch in Zukunft durchgeführt werden. Das übernimmt ab sofort der Landesverband Gerontopsychiatrie und -psychotherapie Nordrhein-Westfalen e.V. Dass diese Aufgabe dort gelandet ist, hat wohl hauptsächlich mit dem Engagement von Professor Ralf Ihl zu tun. Er hat bis zu seinem Ruhestand das Demenz-Forschungszentrum der Alexianer mit großem Engagement geleitet und trägt das Thema nun weiter zum Landesverband, bei dem er den Vorstand innehat. Der Vorteil für die Hersteller der Produkte liegt auf der Hand: höhere Verkaufszahlen und Einnahmen sowie ein größerer Bekanntheitsgrad. Die Kosten für das aufwendige Zertifizierungsverfahren werden da zur Nebensache.


Ich bedanke mich herzlich für die aufschlussreichen Einblicke in das Projekt und bin gespannt, wo uns zukünftig das Certification-Siegel begegnen wird!

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Weitere Informationen in englischer Sprache
Certification-D - Informationen über die Produkte sowie über das Zertifizierungsverfahren für Nutzer und Hersteller:
https://certification-d.newel.net/
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Quelle:
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Alzheimer Info Nr. 3/2023, Seite 7-8
Keithstraße 41, 10787 Berlin
Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
Alzheimer-Telefon: 030/259 37 95 14
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 19. September 2023

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