Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 08.09.2016
Diabetes: Risikofaktor Luftverschmutzung
Ist der eigene Wohnort durch Luftverschmutzung belastet, steigt auch das Risiko, eine Insulinresistenz als Vorstufe von Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Das berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München in der Fachzeitschrift "Diabetes" gemeinsam mit Kollegen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
"Ob und wann die Krankheit ausbricht, hängt nicht nur vom Lebenswandel oder den Genen ab, sondern kann auch Verkehrsabgase als Ursache haben", so Prof. Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie II am Helmholtz Zentrum München und Leiterin des Forschungsbereichs Epidemiologie des DZD.
Sie und ihre Kollegen haben in Kooperation mit dem Deutschen Diabetes-Zentrum, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und dem Deutschen Herzzentrum München für die aktuelle Studie die Daten von knapp 3.000 Teilnehmern der in Augsburg durchgeführten KORA-Studie ausgewertet. Alle Probanden wurden befragt und körperlich untersucht. Außerdem nahmen die Forscher jeweils eine Nüchtern-Blutprobe ab, in der sie sowohl verschiedene Marker für die Insulinresistenz und Entzündungen als auch weitere aus dem Fettgewebe stammende Botenstoffe bestimmten. Nicht-Diabetiker unterzogen sich zudem einem oralen Glukosetoleranztest zum Nachweis eines gestörten Glukosestoffwechsels.
Diese Daten glichen die Forschenden mit den Luftschadstoffkonzentrationen am Wohnort der Probanden ab, die sie mittels Vorhersagemodellen basierend auf wiederholten Messungen an 20 (Partikelmessungen) bzw. 40 (Stickoxidmessungen) Standorten in der Stadt und im ländlichen Raum geschätzt hatten.
"Dabei zeigte sich, dass Menschen, die bereits einen gestörten Glukosestoffwechsel aufweisen, so genannte Prädiabetiker, besonders anfällig für die Einflüsse der Luftverschmutzung sind", so die Erstautorin der Studie, Dr. Kathrin Wolf. "Die Marker in ihrem Blut waren in Assoziation mit den Schadstoffen in der Luft besonders signifikant verändert! Luftverschmutzung ist daher gerade für Menschen mit gestörtem Glukosestoffwechsel langfristig ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes."
Was die Autoren zudem beschäftigt, ist die Tatsache, dass die Luftschadstoffkonzentrationen zwar unterhalb der EU-Grenzwerte lagen, aber über den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeschlagenen Richtlinien. Hier fordern sie nun Konsequenzen aus der Politik: "Eine Senkung der Luftschadstoffgrenzen wäre der richtige Schritt", so die ebenfalls an der Studie beteiligte Dr. Alexandra Schneider. "Denn wir alle sind der Luftverschmutzung ausgesetzt. Eine individuelle Minderung durch Wegzug aus hoch belasteten Regionen ist selten eine Option." Zudem sei der Zusammenhang zwischen erhöhter Luftschadstoffbelastung und Erkrankungen der Atemwege sowie des Herzkreislaufsystems mittlerweile klar erwiesen.
Künftig wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch den Einfluss besonders kleiner Partikel untersuchen - den Ultrafeinstaub. "Auch in diesem Zusammenhang wird das Thema Diabetes unsere Forschung weiter prägen. Nur wenn wir die Risikofaktoren genau kennen, ist es möglich, der wachsenden Zahl betroffener Menschen mit Diabetes entgegen zu wirken", so Studienleiterin Peters mit Blick auf die Zukunft.
Weitere Informationen
• Hintergrund:
Eine frühere Studie des Helmholtz Zentrums München aus dem Jahr 2013
konnte belegen, dass Feinstaubbelastung das Risiko für Insulinresistenz im
Kindesalter erhöht. Im Rahmen eine Metanalyse aus dem Jahr 2015 kam die
selben Autoren zu dem Schluss, dass eine Langzeit-Exposition gegenüber
Luftschadstoffen und die Entwicklung von Typ-2-Diabetes mit einander
assoziiert sind.
• Original-Publikation:
Wolf, K. et al. (2016). Association between long-term exposure to air
pollution and biomarkers related to insulin resistance, subclinical
inflammation and adipokines. Diabetes, doi: 10.2337/db15-1567
http://diabetes.diabetesjournals.org/content/early/2016/08/16/db15-1567
- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Das Institut für Epidemiologie II (EPI II) erforscht die Zusammenhänge von
Umwelt, Lebensstil und Genetik bei der Entstehung von Diabetes,
Erkrankungen des Herzens und der Erhaltung der Gesundheit im Alter. Die
Forschung stützt sich auf die einzigartigen bevölkerungsbasierten
KORA-Ressourcen (Kohorte, Herzinfarktregister, Aerosol-Messstation).
Folgestudien innerhalb der Kohorte ermöglichen die Untersuchung von
Frühformen und Komplikationen ausgewählter chronischer Erkrankungen und
deren Verbreitung in der Bevölkerung.
www.helmholtz-muenchen.de/epi2
- Die Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA)
untersucht seit 30 Jahren die Gesundheit tausender Bürger aus dem Raum
Augsburg. Ziel ist es, die Auswirkungen von Umweltfaktoren, Verhalten und
Genen zu verstehen. Kernthemen der KORA-Studien sind Fragen zu Entstehung
und Verlauf von chronischen Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkt und
Diabetes mellitus. Hierzu werden Risikofaktoren aus dem Bereich des
Gesundheitsverhaltens (u.a. Rauchen, Ernährung, Bewegung), der
Umweltfaktoren (u.a. Luftverschmutzung, Lärm) und der Genetik erforscht.
Aus Sicht der Versorgungsforschung werden Fragen der Inanspruchnahme und
Kosten der Gesundheitsversorgung untersucht.
www.helmholtz-muenchen.de/kora
- Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. ist eines der sechs
Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem
Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt,
das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum
München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner
an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München
sowie weitere Projektpartner.
www.dzd-ev.de
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. Kathrin Wolf
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Epidemiologie II
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: kathrin.wolf@helmholtz-muenchen.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 08.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2016
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