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GENETIK/102: Essenzieller Tremor - Das Zittern liegt in den Genen (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2016

TREMOR
Das Zittern liegt in den Genen



Drei Gene sind nach neuen Erkenntnissen Kieler Forscher ursächlich für den Essenziellen Tremor. Internationale Zusammenarbeit der Kieler Neurologen. Weitere unabhängige Studien notwendig.


Zu viel Kaffee oder eine aufregende Situation können auch bei gesunden Menschen zu einem fühlbaren und sichtbaren Tremor der Hände führen. Ungefähr jeder hundertste Mensch leidet aber an einem andauerndem und deutlich stärker ausgeprägtem Zittern, was das Krankheitsbild des Essenziellen Tremors (ET) bestimmt.

Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) haben in Kooperation mit internationalen Arbeitsgruppen in einer groß angelegten Studie nach möglichen Ursachen des ET gesucht und konnten schließlich drei Gene identifizieren, die mit dem Zittern in Verbindung stehen. Die Ergebnisse der Studie sind vergangenen Monat in der renommierten Fachzeitschrift "Brain" erschienen, wie die Kieler Universität im Oktober mitteilte.

Ein ET kann nach Angaben der Kieler Hochschule in jedem Alter beginnen und nicht nur die Hände, sondern auch andere Körperteile wie den Kopf, die Beine und sogar die Stimme erfassen. Mit zunehmendem Alter nimmt dabei fast immer die Intensität des Zitterns zu und beeinträchtigt die betroffenen Patienten bei alltäglichen Tätigkeiten wie Trinken, Schreiben und anderen feinmotorischen Handlungen. Über die genauen Ursachen und den Entstehungsprozess des ET ist bisher kaum etwas bekannt.

Wissenschaftler der Klinik für Neurologie von der Medizinischen Fakultät der CAU und vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, konnten in Zwillingsstudien bereits zeigen, dass der Essenzielle Tremor eine hohe Erblichkeit aufweist, allerdings bei den meisten Betroffenen genetisch komplex ist.

"Als genetisch komplex bezeichnen wir eine Krankheitsentstehung, wenn genetische Risikofaktoren mit zusätzlichen Umweltfaktoren zusammenwirken", erklärte Prof. Gregor Kuhlenbäumer, Studienleiter an der Klinik für Neurologie. "In solchen Fällen finden wir oft keine direkte Vererbung der Erkrankung von Eltern auf ihre Kinder."

Das Zittern schränkt Patienten mit Essenziellem Tremor bei alltäglichen Handlungen wie Trinken stark ein.

In der nun veröffentlichten groß angelegten Studie unter Leitung der Klinik für Neurologie und des Montreal Neurological Institute wurde der ET erstmals umfassend molekulargenetisch an fast 3.000 Patienten sowie an 7.000 Kontrollfällen aus zahlreichen europäischen, kanadischen und amerikanischen Studienzentren untersucht. "Wir konnten tatsächlich drei Gene identifizieren, von denen wir glauben, dass sie ursächlich für die Erkrankung sind", sagt Kuhlenbäumer zu den Resultaten der Forschung. "Um als gesichert zu gelten, müssen diese Ergebnisse nun allerdings in weiterführenden unabhängigen Untersuchungen noch bestätigt werden."

Die drei identifizierten Gene (STK32B, PPARGC1A und CTNNA3) könnten nach Ansicht der Kieler Forscher eine große Bedeutung für die Tremorforschung haben. "Wenn sich die Befunde bestätigen, haben wir erstmals einen Anhaltspunkt, an dem wir mit biochemischen und experimentellen Methoden anknüpfen können, um mehr über die Entstehung des Zitterns zu erfahren", sagte Kuhlenbäumer nach der Veröffentlichung. Denn allein in Deutschland leiden etwa eine Million Menschen an ET. Die medikamentöse Therapie der Erkrankung ist allerdings nur bei ungefähr der Hälfte aller Patienten erfolgreich und kann bei ihnen das Zittern auch nicht heilen, sondern nur lindern. Weltweit ist die Kieler Klinik für Neurologie in der Erforschung, Diagnostik und Therapie von Tremorkrankheiten nach eigenen Angaben "führendes Zentrum".

(PM/RED)


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201611/h16114a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, November 2016, Seite 27
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2016

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