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HERZ/944: Gendermedizin - Frauen überleben schwere Herzinfarkte seltener als Männer (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V. 19.04.2017

Gendermedizin: Frauen überleben schwere Herzinfarkte seltener als Männer


Die Sterblichkeit nach Herzinfarkten geht erfreulicherweise kontinuierlich zurück. Bei Frauen allerdings deutlich langsamer als bei Männern. Während Infarkte bei Männern zu 20 Prozent tödlich enden, trifft das bei Frauen in rund 28 Prozent der Fälle zu. Über die Gründe für diese Unterschiede konnte bislang nur spekuliert werden. Nun zeigt eine neue Studie: In der Primärversorgung schneiden Frauen gleich gut ab - danach erleiden sie aber öfter schwere und tödliche Komplikationen.

Mannheim/München, 19. April 2017 - Wer heute einen Herzinfarkt erleidet, hat deutlich größere Überlebenschancen als noch vor 25 Jahren: Wie der Deutsche Herzbericht 2016 aufzeigt, starben 1990 noch 107,4 Patienten pro 100.000 Einwohner nach einem akuten Myokardinfarkt, 2014 lag die Sterbeziffer bei nur noch 59,3 - das ist ein Rückgang von 44,8 Prozent.

Allerdings gilt das für Frauen nur eingeschränkt: Wie eine europaweite Analyse von Daten der WHO zeigt, ist die altersadjustierte Sterblichkeit nach einer Koronaren Herzerkrankung (KHK) in den letzten 25 Jahren bei Männern um durchschnittlich 49 Prozent, bei Frauen aber nur um 39 Prozent gesunken.

Die Gründe für diese Geschlechtsunterschiede konnten bislang nicht eindeutig geklärt werden. Während manche Experten meinen, Frauen würden bei invasiven Eingriffen mehr Komplikationen erleiden, gehen andere davon aus, dass weibliche Infarkt-Patienten aufgrund unspezifischerer Symptome weniger oft mit dem gesamten Arsenal der kardiologischen Möglichkeiten behandelt werden. Demnach würden Frauen weniger oft einen Herzkatheter, eine Ballondilatation, eine Bypass-Operation oder eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie bekommen.

Eine mögliche Erklärung zeigt nun eine Münchner Studie auf, die auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim präsentiert wurde. Die Datenauswertung verglich den primären Behandlungserfolg, den weiteren Verlauf sowie die Sterberate im Krankenhaus bei männlichen und weiblichen Herzinfarkt-Patienten. Kurz zusammengefasst: "Wir haben gezeigt, dass es bei Männern und Frauen bei gleicher Behandlung keine Unterschiede in der primären Erfolgsrate gibt, Frauen im weiteren Verlauf aber dennoch eine schlechtere Prognose haben", so Dr. Tobias Heer von der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin am Klinikum München Schwabing.

Für die Untersuchung wurden insgesamt 32.986 Datensätze von Patienten aus dem Koronarangiographie- und PCI-Registers der DKG gefiltert. Ausgewählt wurden Patienten, bei denen die Gefäße nach einem schweren Herzinfarkt (ST-Hebungsinfarkt, STEMI) in einer perkutanen koronaren Interventionen (PCI) mit einem Ballon aufgedehnt wurden. Die ausgewerteten Datensätze stammten zu 27,8 Prozent von Frauen, die im Durchschnitt sieben Jahre älter waren als die männlichen Patienten, dafür aber seltener bereits eine PCI oder Bypass-Operation hinter sich hatten.

Im Behandlungsverlauf fanden die Wissenschaftler keine signifikanten Unterschiede: Bei Frauen wie Männern musste etwa gleich oft ein kompletter Gefäßverschluss, eine Verengungen des linken Hauptstamms oder gleich mehrere Gefäße aufgedehnt werden. Ebenso erhielten beide Geschlechter etwa gleich oft einen Stent zur Stützung der Blutgefäße eingesetzt. Frauen mussten häufiger als Männer im Herzkatheterlabor reanimiert werden. Bei Männern dagegen wurden die Stents öfter in bereits bestehende Bypässe implantiert.

Technisch gesehen war der Eingriff bei beiden Geschlechtern gleich oft erfolgreich: Bei 93,5 Prozent der Frauen und 94,7 Prozent der Männer wurde der Gefäßverschluss im vorgesehenen Ausmaß verkleinert und die Durchblutung der Herzkranzgefäße ausreichend wiederhergestellt. Dennoch zeigen sich im weiteren Verlauf gravierende Unterschiede: Bei Frauen traten mehr als doppelt so oft Komplikationen am Gefäßzugang auf. Schlimmer noch: Während nur 3,9 Prozent der Männer im weiteren Verlauf einen - nicht tödlichen - Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine dem Schlaganfall ähnliche transitorische ischämische Attacke erlitten, waren 6,8 Prozent der weiblichen Patienten von solch schwerwiegenden Komplikationen betroffen. Ähnlich hoch waren die Unterschiede in den noch tragischeren Fällen: 6,3 Prozent der weiblichen Patienten verstarben noch während des Krankenhausaufenthaltes, bei den Männern waren es dagegen nur 3,6 Prozent.

Mit dem höheren Durchschnittsalter der Frauen konnten diese Unterschiede nicht erklärt werden: Auch altersbereinigt liegt die Sterblichkeit wie auch die Rate an schweren Komplikationen bei Frauen jeweils 20 Prozent über jenen der Männer. Warum das so ist, konnte auch die vorliegende Untersuchung nicht klären: "Wir konnten in der Analyse der Subgruppen keine Erklärung für diesen Unterschied finden", fasst Dr. Heer zusammen. "Die Gründe für diese Geschlechtsunterschiede müssen weiter untersucht werden".


Quelle:
DGK Abstract Heer et al, Erhöhte intra-hospitale Mortalität bei Frauen mit STEMI im Vergleich zu Männern trotz des gleichen technischen Erfolges bei der PCI - Ergebnisse des Koronarangiographie- und PCI-Registers der DGK. Clin Res Cardiol 106, Suppl. 1, April 2017

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgk.org/presse
http://www.kardiologie.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.,
Prof. Dr. Eckart Fleck, 19.04.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2017

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