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INFEKTION/1318: Bakterien treiben gefährliches Versteckspiel (idw)


Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - 25.08.2014

Bakterien treiben gefährliches Versteckspiel

Streptococcus pyogenes dringt in tiefe Zellschicht vor und entzieht sich so dem Immunsystem



Mandelentzündungen, Scharlach oder lebensbedrohliche Infektionen wie beispielsweise nekrotisierende Fasziitis - ein dramatisch verlaufendes Absterben von Haut und Gewebe - werden vom Bakterium Streptococcus pyogenes ausgelöst. Dieser Erreger kann bis in die Wandschicht von Blutgefäßen eindringen. Das zeigen Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig in einer im "Journal of Innate Immunity" veröffentlichten Studie.

Manche Menschen erkranken immer wieder und in kurzen Abständen an Streptokokken-Infektionen. Obwohl man diese mit Antibiotika behandelt und scheinbar erfolgreich bekämpft hat. Der Grund: Streptokokken nisten sich in menschlichen Zellen ein und entziehen sich solange dem Immunsystem, bis es seine Abwehr einstellt. "Bisher ist man davon ausgegangen, dass Streptokokken in Epithelzellen, also die äußere Zellschicht, eindringen und dort überleben", sagt Prof. Manfred Rohde, Leiter der Zentralen Einheit für Mikroskopie am HZI. "Wir konnten jetzt erstmals zeigen, dass sie auch in den Endothelzellen überlebensfähig sind".

Endothelzellen kleiden die Innenseite der Blutgefäße aus und bilden eine wichtige Barriere. "Sie verhindern, dass Pathogene von der Blutbahn ins Gewebe gelangen. Streptococcus pyogenes schafft es aber, genau das zu tun", sagt Anja Ochel, Erstautorin der Studie. Mit Hilfe seines wichtigsten Virulenzfaktors, des M-Proteins, gelangen die Bakterien in die Endothelzellen und verschmelzen dort mit den sogenannten Lysosomen. Diese speziellen Bereich der Zelle dienen der Entsorgung von fremdartigen und schädlichen Substanzen. Auch die Bakterien müssten hier eigentlich abgetötet werden, allerdings geschieht dies in diesem speziellen Fall nicht vollständig: Einige der Bakterien überleben. "Die Streptokokken finden sozusagen eine Nische, in der sie vor dem menschlichen Immunsystem geschützt sind", sagt Rohde. "Gefährlich ist das vor allem, weil viele Antibiotika, besonders Penicillin, sie dort nicht abtöten können."

"Bei der nekrotisierende Fasziitis beispielsweise könnten diese zuvor versteckten Streptokokken eine Rolle spielen", sagt Dr. Susanne Talay, Leiterin des Forschungsprojekts. Diese seltene Weichteilinfektion kann zu einem vollständigen Absterben der Haut, Unterhaut und des Bindegewebes führen und sogar tödlich enden. Versteckte Streptokokken könnten ein Grund für die extreme Reaktion des Körpers darstellen.

Wie genau sich die Fähigkeit der Erreger, in das Innerste der Zelle einzudringen, auf den Verlauf verschiedener Krankheiten auswirkt, gilt es noch zu erforschen. "Auf jeden Fall haben wir aber gezeigt, dass es sich bei Streptococcus pyogenes nicht wie lange Zeit gedacht um extrazelluläre Pathogene handelt", sagt Talay.


Originalpublikation
Ochel A., Rohde M., Chhatwal G.S.,Talay S.R., The M1 Protein of Streptococcus pyogenes Triggers an Innate Uptake Mechanism into Polarized Human Endothelial Cells, J Innate Immun 2014;6:585-596, DOI:10.1159/000358085


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/ansicht/article/complete/bakterien_treiben_gefaehrliches_versteckspiel/
Diese Pressemitteilung auf der Homepage des HZI

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image243279
Streptococcus pyogenes (rot) dringt in humane Endothelzellen (HUVEC) ein

Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern.
www.helmholtz-hzi.de


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution129

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Rebecca Winkels, 25.08.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2014