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INFEKTION/1898: Beginn der Stechmücken-Saison - Reisende können helfen, die Ausbreitung tropischer Infektionen zu verhindern (KIT 2023)


KIT 2023 - 16. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin - Pressemitteilung vom 7. Juni 2023

Beginn der Stechmücken-Saison:
Reisende können helfen, die Ausbreitung tropischer Infektionen zu verhindern

Welche von Stechmücken übertragenen Viren gibt es bei uns, welche kommen, und wie können Reisende helfen, ihre Ausbreitung zu verhindern?


Leipzig/München, Juni 2023 - Dengue-, West-Nil-, oder Chikungunya-Viren - diese Infektionserreger werden durch Stechmücken übertragen. Sie zählen damit zu den sogenannten Arboviren. Und die breiten sich weltweit rasant aus. Die nächste Pandemie werde höchstwahrscheinlich durch ein neuartiges Arbovirus ausgelöst, lautet daher die Einschätzung von WHO-Experten. Aktuell sind Arbovirosen global für etwa 700.000 Todesfälle jährlich verantwortlich.
Welche Infektionen in Deutschland und Europa zu erwarten sind, und welche Neuerungen es bei der Stechmückenbekämpfung und den Arbovirus-Impfstoffen gibt, diskutieren Infektiologinnen und Tropenmediziner im Rahmen des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin KIT. Der KIT ist der gemeinsame Kongress der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG).


Erderwärmung und der zunehmende Reise- und Warenverkehr: Asiatische Tigermücken und Gelbfiebermücken, die Überträger von Dengue-, Chikungunya- und Zika-Viren, sind wahre Profiteure der Globalisierung und des Klimawandels. Hinzu kommt ihre hervorragende Anpassungsfähigkeit an urbane Ballungsräume.

"Das hat dazu geführt, dass sich diese beiden Mückenarten in den letzten Jahren über den ganzen Globus ausgebreitet haben. In Europa, auch in Deutschland, breitet sich vor allem die Asiatische Tigermücke, aus",

sagt Professor Dr. med. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Abteilung Arbovirologie und Entomologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg. Aber: Durch sie übertragene Viren wurden hierzulande bisher nicht nachgewiesen. Um Arboviren zu verbreiten, müssten die Stechmücken sie zuvor von einer infizierten Person aufgenommen haben. "Mit dem Fortschreiten des Klimawandels und immer mehr Reisenden, die die Viren mitbringen, wird das auch in Deutschland immer wahrscheinlicher - das Risiko für Ausbrüche ist umso größer, je länger die sommerliche Warmwetterphasen anhalten", so Schmidt-Chanasit.

Nach Rückkehr aus Endemiegebiet: Stechmückenschutz fortsetzen

2019, vor der Corona-bedingten Einschränkung des Reiseverkehrs, hat eine Rekordzahl von fast 1200 Reisenden beispielsweise das Dengue-Virus nach Deutschland eingetragen. Gleichzeitig kann jeder einzelne beitragen, die Verbreitung hierzulande möglichst zu verhindern: Wer im Sommer aus einem Endemie-Gebiet zurückkehrt, und in einem Bundesland lebt, in dem Tigermücken verbreitet sind, sollte im Sommer auch nach der Rückkehr noch für mindestens zwei Wochen konsequenten Mückenschutz betreiben.

Verbreitung in Deutschland und Europa

Aktuell ist das einzige hierzulande durch Stechmücken übertragene humanpathogene Arbovirus das West-Nil-Virus. Es wurde im Sommer 2018 erstmals in Deutschland nachgewiesen. Überträger ist die heimische Hausmücke. "West-Nil-Fieber wird sich hier weiter ausbreiten und in den Spätsommern für Infektionen sorgen - jedoch verlaufen diese fast immer sehr mild, oft sogar unbemerkt", sagt Schmidt-Chanasit. Noch nicht in Deutschland angekommen, aber weltweit stark auf dem Vormarsch, ist Dengue-Fieber. In den letzten 50 Jahren haben sich die Inzidenzen verdreißigfacht. Laut WHO gibt es aktuell rund 100 bis 400 Millionen Infektionen pro Jahr, vorwiegend in Südostasien. "Vorhersagen, die Klima-, Bevölkerungs- und sozioökonomische Daten nutzen, zeigen, dass der Südosten der USA bis 2050 stark von Dengue betroffen sein wird. Auch China und Japan dürften bis 2050 viel stärker betroffen sein als aktuell", so Schmidt-Chanasit. Seit 2010 kommt es auch in Südeuropa zu autochthonen Übertragungen in den Sommermonaten. Der Verlauf ist bei einer ersten Dengue-Infektion meist unkompliziert - mit allgemeinen Grippesymptomen sowie Knochen- und Gelenkschmerzen- und heilt folgenlos aus. Eine zweite Infektion hingegen verläuft oft schwer. "Ein schwerwiegendes Public Health-Problem stellt zudem Chikungunya-Fieber dar", so der Virologe. Denn bei etwa 30 bis 40 Prozent der Infizierten folgt auf die akute fieberhafte Infektion eine chronische Arthritis, die über Monate anhalten kann. Aktuell ist das Virus in Asien und Südamerika stark verbreitet, seit 2007 gibt es auch in südeuropäischen Ländern, vor allem in Italien, immer wieder Ausbrüche.

Impfstoffe in der Pipeline

Seit 2018 gibt es einen in der EU zugelassenen Impfstoff gegen Dengue-Fieber: Dengvaxia. Die EU-Zulassung ist aufgrund möglicher Komplikationen jedoch auf Personen im Alter von 9 bis 45 Jahren, die in einem Endemie-Gebiet leben und zuvor bereits eine laborbestätigte Dengue-Virus-Infektion durchgemacht haben, beschränkt. Ein weiterer Impfstoff, Qdenga, ist in der EU seit 2022 für Personen ab vier Jahren zugelassen. Derzeit prüfen STIKO und DTG die Wirksamkeit und Sicherheit dieses Impfstoffs und eine mögliche Impfempfehlung für Reisende, das Ergebnis wird im Herbst erwartet. Ein Impfstoff gegen Chikungunya-Viren wird derzeit in klinischen Studien der Phase III analysiert und steht kurz vor der Zulassung. Gegen West-Nil- und Zika-Viren existieren aktuell keine zugelassenen Impfstoffe für Menschen, und sind in den nächsten Jahren auch nicht zu erwarten.

"Daher bleibt Stechmückenschutz wichtig, gerade bei Reisen in Regionen, in denen die Erkrankungen stark verbreitet sind - im Sinne der eigenen Gesundheit, aber auch, um die Viren nicht immer weiter zu verbreiten",

rät Schmidt-Chanasit. Als Schutz gegen die tagaktiven Aedes-Stechmücken ist das Tragen langer heller Kleidung, und das Auftragen von Repellentien auf die Haut (z. B. mit den Inhaltsstoffen Diethyltoluamid oder Icaridin) wirksam.


Interessenskonflikte:

Der Inhalt der Pressemitteilung ist Ergebnis des Bemühens um größtmögliche Objektivität und Unabhängigkeit. Als Mitverfasser der PM versichert Jonas Schmidt-Chanasit, dass in Bezug auf den Inhalt der PM die folgenden Interessenskonflikte bestehen könnten, die sich aus einem Beschäftigungsverhältnis, einer Teilhabe, einer Beratertätigkeit oder Zuwendungen für Forschungsvorhaben, Vorträge oder andere Tätigkeiten ergeben oder ergeben haben: GSK, Diasorin, Sanofi, Roche, Takeda, BASF, Euroimmun - Perkin Elmer, Sonic Healthcare, Hermes Arzneimittel und Johnson&Johnson.


Literatur:

- Statement Prof. Schmidt-Chanasit

- Vijay Shankar Balakrishnan. WHO launches global initiative for arboviral diseases. THE LANCET Microbe. Newsdesk, Volume 3, Issue 6, June 2022. WHO launches global initiative for arboviral diseases - The Lancet Microbe

- Robert Koch-Institut, Epidemiologische Bulletin, 22/2023, 1. Juni 2023. Epidemiologisches Bulletin 22/2023 (rki.de)

- Niederfahrenhorst A et al. Wichtige Arbovirosen bei Reiserückkehrern. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 755-766, 2022. Thieme.

- Messina JP et al. The current and future global distribution and population at risk of dengue. Nat Microbiol. 2019 Sep;4(9):1508-1515. doi: 10.1038/s41564-019-0476-8. Epub 2019 Jun 10. PMID: 31182801; PMCID: PMC6784886.

- European Center for Disease Prevention and Control ECDC, Factsheet virus disease. Chikungunya virus disease (europa.eu). Abgerufen 5.6. 2023

- Robert Koch-Institut. Stellungnahme der STIKO zum neu-zugelassenen Lebendimpfstoff gegen Dengue (Qdenga). Februar 2023. RKI - Reiseimpfungen - Stellungnahme der STIKO zum neu-zugelassenen Lebendimpfstoff gegen Dengue (Qdenga). Abgerufen 5.6.2023

- European Medicines Agency. Dengvaxia. Januar 2022. Dengvaxia | European Medicines Agency (europa.eu). abgerufen am 5.6.2023

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Quelle:
KIT - 16. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (14.-17.06.2023)
Pressemitteilung vom 7. Juni 2023
Veranstalter
Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI), Berlin
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. (DGPI), Berlin
Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG), Hamburg
Internet: https://kit-kongresse.de/

veröffentlicht in der Online-Ausgbe des Schattenblick am 9. Juni 2023

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