Stiftung Kindergesundheit - 16.08.2023
Scharlach wieder auf dem Vormarsch
Die Stiftung Kindergesundheit berichtet über die Zunahme von Streptokokken-Erkrankungen, ihre Folgen und über die richtige Behandlung
Noch vor 150 Jahren starben jedes Jahr Tausende von Kindern an der ansteckenden Kinderkrankheit Scharlach. Heute lässt sie sich mit Antibiotika so gut behandeln, dass praktisch kein Kind mehr an dieser Krankheit sterben muss. In den letzten Jahrzehnten entwickelte sich die von Streptokokken-Bakterien ausgelöste Infektion mehr und mehr zu einer "seltenen Erkrankung". Doch nun scheint die Situation erneut umzuschlagen, berichtet die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme: Kinderärzt*innen und Apotheker*innen beobachten eine deutliche Zunahme von Streptokokken-Erkrankungen unter ihren Patientinnen und Kunden. Das besondere Problem dabei: Viele Antibiotika und Fiebersäfte für Kinder, die zur Behandlung dieser Krankheiten benötigt werden, sind zurzeit nur eingeschränkt oder überhaupt nicht erhältlich!
Die Sternstunde der Wissenschaft ereignete sich vor 95 Jahren: Der damals 47 Jahre alte schottische Mikrobiologe Alexander Fleming (1881 - 1955) stieß auf das "Heilmittel des Jahrhunderts", auf das Antibiotikum Penicillin. Eines Tages im September 1928 - das genaue Datum ist nicht mehr bekannt - erkennt Flemming die Bakterien abtötende Wirkung der Nährlösung, in der er den Schimmelpilz Penicillium gezüchtet hatte. Er kann jedoch die antibakterielle Substanz nicht isolieren und verfolgt seine Entdeckung nicht weiter. Erst um 1940 erkennen der australische Pathologe Howard W. Florey und der Berliner Biochemiker Ernst Boris Chain die Bedeutung der Entdeckung, und nennen das Produkt ihrer Schimmelpilzkultur "Penicillin". 1945 bekommen die drei Forscher den Nobelpreis für Physiologie und Medizin "für die Entdeckung des Penicillins und seiner Heilwirkung bei verschiedenen Infektionskrankheiten".
Penicillin gilt nach wie vor als das wichtigste Medikament zur Bekämpfung von Streptokokken, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Diese Bakterien, von denen mittlerweile 120 verschiedene Arten bekannt sind, werden in Gruppen unterteilt, die zu unterschiedlichen Infektionen führen. Zu den drei häufigsten krankheitsauslösenden Streptokokkenarten zählen die Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae), die Gruppe A-Streptokokken (Streptococcus pyogenes) und die Gruppe B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae). Das Bakterium Streptococcus pyogenes wird meistens durch direkten Kontakt von Speichel oder Nasensekret übertragen und soll weltweit jährlich rund 700 Millionen Infektionen verursachen.
Die kettenförmig angeordneten Streptokokken der Gruppe A besiedeln häufig die Schleimhäute auch gesunder Menschen im Nasen-Rachen-Raum, ohne dass die Träger selbst erkranken. Sie sind jedoch häufige Erreger einer Streptokokken-Angina, also einer fiebrigen Hals-Rachenmandel-Entzündung (Fachbezeichnung: Tonsillopharyngitis). Sie können aber auch andere schwere Infektionen verursachen, zum Beispiel Mittelohrentzündungen (Otitis media), Lungenentzündungen (Pneumonie), Hirnhautentzündungen (Meningitis) und andere Krankheiten, von denen besonders Säuglinge, Kleinkinder sowie ältere und abwehrgeschwächte Personen betroffen sind.
Wie das Robert Koch-Institut Berlin in seinem Epidemiologischen Bulletin (8/2023) berichtet, gab es im 4. Quartal 2022 einen fur die Jahreszeit ungewohnlich fruhen und starken Anstieg von schweren Infektionen durch Gruppe-A-Streptokokken. Am stärksten betroffen war die Gruppe über 65-jähriger Menschen. Ein Ende des Anstiegs ist jedoch noch nicht abzusehen: Zurzeit erkranken vor allem Kinder unter 15 Jahren und Menschen zwischen 25 und 44 Jahren an Scharlach und an von A-Streptokokken ausgelösten Infektionen.
Diese Krankheiten waren bisher nicht meldepflichtig. Angesichts der beunruhigenden Lage haben jedoch die kinderärztlichen Fachgesellschaften unter Federfuhrung der Deutschen Gesellschaft fur Padiatrische Infektiologie (DGPI) kurzfristig ein Meldesystem fur Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen und weitere komplizierte (Atemwegs-)Infektionen bei stationar behandelten Kindern eingerichtet.
Der Scharlach ist eine Sonderform der Streptokokken-A-Infektion, der durch spezielle Streptokokken-Typen hervorgerufen wird. Sie sind in der Lage, ein besonderes Scharlachgift zu produzieren, das den typischen Scharlachausschlag auslost. Im Grunde ist Scharlach also eine Streptokokken-Angina mit Ausschlag.
Zwei bis sieben Tage nach der Ansteckung steigt plötzlich die Temperatur stark an. Das Kind klagt über Schüttelfrost, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. Oft muss es auch erbrechen.
Ein bis zwei Tage später beginnt dann der typische Ausschlag in den Achselhöhlen und an der Innenseite der Oberschenkel und breitet sich dann auf den ganzen Körper aus.
Der Scharlachausschlag besteht aus winzigen, hochstens stecknadelkopfgroßen, dicht beieinander liegenden Flecken. Wenn man mit der Handflache uber die Haut streicht, fuhlt sie sich an wie Sandpapier oder eine leichte Gansehaut. Die Erhebungen des Ausschlags sind zunachst zartrosa, spater flammend rot (eben scharlachrot). Die Gesichtshaut dagegen ist glatt, aber intensiv gerotet. Die Mund- und Kinnpartie bleibt jedoch blass und wie ein Milchbart von der Rotung ausgespart.
Der Rachen des Kindes ist düster rot. Auf der Zunge entsteht zunächst ein weißgelber Belag, der nach ein bis zwei Tagen abgestoßen wird. Danach ist die Oberfläche der Zunge auffallend gerötet und sieht wie eine Erdbeere oder Himbeere aus. Fast immer sind auch die Lymphknoten am Kieferwinkel, oft auch am Hals geschwollen. Nach einigen Tagen beginnt sich die Haut insbesondere an den Handinnenflächen und an den Fußsohlen zu schuppen. An den Händen und Füßen lassen sich oft ganze Fetzen abziehen, während sich am Bauch feine Schuppen ablösen. Dieses Abschuppen dauert drei, manchmal auch mehrere Wochen.
Weil die Krankheit häufig leicht verlauft, ist der Ausschlag am Korper oft nur blass rosa und tritt lediglich wenige Stunden lang auf. Es gibt auch Falle, die vollig ohne Ausschlag verlaufen. Das Kind hat nur Schluckbeschwerden, Heiserkeit und Husten. Erst nach einigen Tagen zeigt das Abschuppen seiner Haut, dass es Scharlach durchgemacht hat.
Bekommt ein Kind hohes Fieber und zeigt Scharlachsymptome, sollten die Eltern auf jeden Fall mit einem Kinder- und Jugendarzt Kontakt aufnehmen, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Diagnostiziert der Arzt Scharlach, wird er dem Kind in aller Regel Penicillin verordnen. Sollte dieses Antibiotikum nicht anschlagen oder nicht gut vertragen werden, kann auf ein anderes Antibiotikum, z. B. auf orale Cephalosporine ausgewichen werden. Die antibiotische Behandlung dauert in der Regel etwa sieben bis zehn Tage.
"Von großter Wichtigkeit ist die unbedingte Einnahme des vom Arzt verordneten Antibiotikums, so lange, wie es vom Arzt vorgeschrieben ist", betont Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck. "Mit Hilfe der Penicillin-Behandlung geht es dem Kind zwar schon nach 24 bis spatestens 48 Stunden wieder gut. Das Verschwinden der Beschwerden bedeutet aber nicht, dass damit auch die Bakterien beseitigt sind! Die Behandlungsdauer von meist zehn Tagen ist notwendig, um alle Bakterien abzutoten. Bleiben Reste im Organismus, konnte die Krankheit wieder aufflackern. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich die Erreger an das Antibiotikum gewohnen, also eine Resistenz entwickeln".
Solange das Fieber hoch ist, braucht das Kind reichlich Wasser, Obstsäfte oder Tee mit Milch zum Trinken. Gegen die Halsschmerzen helfen Gurgeln (mit Salbei-, Eibischtee oder desinfizierenden Lösungen) und warme Halswickel. Kühle Getränke oder Eis lindern ebenso. Da einem erkrankten Kind das Schlucken schwerfällt, sollten Eltern ihm weiche oder flüssige Nahrung wie Suppen anbieten.
Mögliche Komplikationen sind Entzundungen des Mittelohres, der Nebenhohlen und der Lunge. Eher seltene, aber gefurchtete Spatfolgen sind das akute rheumatische Fieber mit Entzundungen der großen Gelenke wie den Kniegelenken, des Herzmuskels, des Herzbeutels oder der Herzklappen sowie Entzundungen der Nieren. In solchen Fällen können bleibende Schaden entstehen. Komplikationen werden haufiger beobachtet, wenn der Scharlach nicht mit Antibiotika behandelt wurde oder die Antibiotika-Therapie vorzeitig abgebrochen wird.
Hat ein Kind die Erkrankung uberstanden, ist es in Zukunft vor dem jeweiligen Giftstoff des Erregers geschutzt. Da die Bakterien aber unterschiedliche Giftstoffe bilden, ist es leider moglich, mehrfach an Scharlach zu erkranken, betont die Stiftung Kindergesundheit.
Kinder oder Jugendliche, die an Scharlach erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf Scharlach besteht, durfen Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Kindergarten vorubergehend nicht besuchen. Die Eltern mussen die Einrichtung uber die Erkrankung ihres Kindes informieren. Scharlachkranke Kinder ohne Penicillinbehandlung gelten drei Wochen lang als "infektios".
Auch erkrankte Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten, wie z. B. Lehrkrafte oder Erzieherinnen und Erzieher, durfen dort, solange sie ansteckend sind, keine Tatigkeit ausuben, bei denen sie Kontakt zu den Kindern haben.
Wann die Tatigkeit wieder aufgenommen bzw. die Gemeinschaftseinrichtung wieder besucht werden kann, entscheidet die behandelnde Kinderärztin oder der behandelnde Kinderarzt oder das zustandige Gesundheitsamt. Nach einer Antibiotika-Gabe ist das in der Regel am zweiten Tag moglich, ansonsten nach Abklingen der Beschwerden. Ein schriftliches arztliches Attest ist nicht erforderlich.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
https://idw-online.de/de/institution1021
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Stiftung Kindergesundheit, 16.08.2023
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 25. August 2023
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