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LUNGE/040: Auf die Größe kommt es an - Warum kleine Lungen öfter erkranken (idw)


Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 07.02.2017

Auf die Größe kommt es an - Warum kleine Lungen öfter erkranken


Seit mehr als zehn Jahren untersuchen Lungenforscher und Epidemiologen am Helmholtz Zentrum München im Rahmen von internationalen Konsortien die Frage, ob bestimmte Abschnitte im Erbgut mit Lungenfunktion und -erkrankungen zusammenhängen. Auch an einer jüngst in "Nature Genetics" veröffentlichten Studie waren sie wieder beteiligt und konnten zeigen, warum Menschen mit einer kleineren Lunge ein erhöhtes Risiko für Lungenerkrankungen besitzen. Zudem lässt sich anhand der Gene demnach das Risiko für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) vorhersagen.

Lungenerkrankungen sind nach wie vor eine große gesundheitliche Herausforderung für unsere Gesellschaft, und allein die COPD ist die dritthäufigste Todesursache weltweit. Um effiziente Therapien zu entwickeln, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die grundlegenden Mechanismen in der Lunge zu verstehen. Das Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt gerät dabei immer mehr in den Fokus.

Forscher des SpiroMeta Konsortiums haben über Jahre hinweg zahlreiche Bereiche im Erbgut ermittelt, die für die Funktion der Lunge eine Rolle spielen. Von Beginn an dabei ist auch die Gruppe um Prof. Dr. Holger Schulz, kommissarischer Direktor des Instituts für Epidemiologie I (EPI I) am Helmholtz Zentrum München. "Seit dem Beginn des Projekts im Jahr 2007 konnten wir das Wissen über lungenrelevante Gene entscheidend erweitern", so Schulz im Rückblick. "Nach wie vor interessiert uns vor allem der Zusammenhang bestimmter Gene mit der Lungenfunktion, da bekannt ist, dass lungengesunde Menschen mit einer kleineren Lunge ein erhöhtes Risiko für Lungenerkrankungen besitzen."

Weltgrößte Studie zur Genetik von Lungenerkrankungen

In der aktuellen Arbeit des Konsortiums, an der die Helmholtz-Wissenschaftler auch wieder beteiligt sind, ergaben sich genetische Hinweise, warum das so sein könnte. Dr. Christian Gieger, Leiter der Abteilung für Molekulare Epidemiologie (AME) am Helmholtz Zentrum München, erklärt dazu: "Wir konnten Genvarianten identifizieren, die mit einer geringeren Lungenfunktion assoziiert sind und deren Träger ein erhöhtes Risiko haben, an COPD zu erkranken. Diese neue und weltgrößte Studie zur Genetik von Lungenerkrankungen liefert also erste pathophysiologische Erklärungen für den Zusammenhang zwischen Lungenfunktion und bestimmten Genen." Zudem seien letztere auch Kandidaten für künftige Therapieansätze, dieser translationale Aspekt ist den Forschern besonders wichtig.

Dr. Stefan Karrasch, Wissenschaftler am EPI I und ebenfalls an der Arbeit beteiligt, beschreibt das methodische Vorgehen: "Zunächst untersuchte man Genomdaten von knapp 49.000 Probandinnen und Probanden mit sehr unterschiedlichen Lungenfunktionswerten. Die dabei gefundenen Genkandidaten wurden dann in einer zweiten Phase anhand von Daten weiterer gut 95.000 Probandinnen und Probanden überprüft."* Auf diese Weise erhöhten die Wissenschaftler die Zahl an Kandidatengenen von 54 auf nun 97. Künftig, so hoffen sie, könnte man an diesen Stellen versuchen in die Lungenbiologie einzugreifen, um Krankheiten zu bekämpfen. Für manche Bereiche seien bereits Wirkstoffe in der Entwicklung, so die Autoren der Arbeit, die unter Federführung der Universität Leicester entstand (hier geht es zur entsprechenden Mitteilung der englischen Kollegen:
http://www2.le.ac.uk/offices/press/press-releases/2017/february/world-lung-health-study-allows-scientists-to-predict-your-chance-of-developing-deadly-disease).

Zudem entwarfen die Wissenschaftler einen sogenannten Risikoscore**, um die Wahrscheinlichkeit von COPD vorherzusagen. Patienten mit den höchsten Werten hatten ein fast viermal so hohes Risiko, eine COPD zu entwickeln, als solche mit den niedrigsten Werten.


Weitere Informationen

* Die Daten stammten aus der sogenannten UK Biobank. Dieses groß angelegte Projekt sammelt Gesundheitsdaten von 500.000 freiwilligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vereinigten Königreich, um die Prävention, Diagnose und Behandlung zahlreicher Krankheiten zu verbessern. Darunter fallen beispielsweise auch Diabetes, Demenz, Krebs und andere Volkskrankheiten.
www.ukbiobank.ac.uk

** Unter einem Score versteht man in der Medizin einen Punktwert, der aus unterschiedlichen diagnostischen Parametern entsteht. Er dient dazu, die Schwere einer Erkrankung abzuschätzen.

• Hintergrund:
An der aktuellen Studie waren 107 Wissenschaftler aus 14 Ländern beteiligt, darunter die Institute für Epidemiologie, Genetische Epidemiologie, Molekulare Epidemiologie und Lungenbiologie/Comprehensive Pneumology Center des Helmholtz Zentrums München, Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL). Darüber hinaus sind an der aktuellen Studie von deutscher Seite die Ludwig-Maximilians-Universität München und die Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald beteiligt.

- Die Münchner Helmholtz-Forscher untersuchen unter anderem Daten der Augsburger KORA-Studie: Die Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA) untersucht seit 30 Jahren die Gesundheit tausender Bürger aus dem Raum Augsburg. Ziel ist es, die Auswirkungen von Umweltfaktoren, Verhalten und Genen zu verstehen. Kernthemen der KORA-Studien sind Fragen zu Entstehung und Verlauf von chronischen Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkt und Diabetes mellitus. Hierzu werden Risikofaktoren aus dem Bereich des Gesundheitsverhaltens (u.a. Rauchen, Ernährung, Bewegung), der Umweltfaktoren (u.a. Luftverschmutzung, Lärm) und der Genetik erforscht. Aus Sicht der Versorgungsforschung werden Fragen der Inanspruchnahme und Kosten der Gesundheitsversorgung untersucht.
www.helmholtz-muenchen.de/kora

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Original-Publikation:
Wain, L. et al. (2017): Genome-wide association analyses for lung function and chronic obstructive pulmonary disease identify new loci and potential druggable targets. Nature Genetics, DOI: doi:10.1038/ng.3787
http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.3787.html?WT.feed_name=subjects_genetics

- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de

- Das Institut für Epidemiologie I (EPI I) erforscht die Bedeutung von Umwelt- und Lebensstilfaktoren, genetischer Konstitution und Stoffwechsel bei Entstehung und Progression von Atemwegs-, Stoffwechsel- und allergischen Erkrankungen, sowie ausgewählten Krebserkrankungen. Dazu dienen Daten und biologische Proben aus den bevölkerungsbasierten Kohortenstudien GINI, LISA und MONICA/KORA. Das Institut ist federführend an Planung und Aufbau der Nationalen Kohorte beteiligt.
www.helmholtz-muenchen.de/epi1

- Die selbstständige Abteilung Molekulare Epidemiologie (AME) analysiert populationsbasierte Kohorten und Fallstudien für bestimmte Krankheiten mit Hilfe von Genomik, Epigenomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik und funktionellen Analysen. Ziel ist, die molekularen Mechanismen komplexer Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder Adipositas aufzuklären. Die Abteilung führt die Bioprobenbank der Epidemiologie und übernimmt die Probenverwaltung und -lagerung für nationale und internationale Projekte.
www.helmholtz-muenchen.de/ame

- Das Institut für Lungenbiologie (iLBD) gehört dem Comprehensive Pneumoloy Center (CPC) an, einem Zusammenschluss des Helmholtz Zentrums München mit dem Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und den Asklepios Fachkliniken München-Gauting. Ziel des CPC ist die Erforschung chronischer Lungenerkrankungen, um neue diagnostische und therapeutische Strategien zu entwickeln. Das iLBD führt mit der Untersuchung zellulärer, molekularer und immunologischer Mechanismen von Lungenerkrankungen den Schwerpunkt der experimentellen Pneumologie an. Das CPC ist ein Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL).
www.helmholtz-muenchen.de/ilbd

Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Holger Schulz
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Epidemiologie I
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: schulz@helmholtz-muenchen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/index.html
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 07.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2017

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