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PARKINSON/101: Es gibt noch keine Stammzellen-Therapie gegen die Parkinson-Erkrankung (idw)


Deutsche Gesellschaft für Neurologie - 08.04.2013

Mit körpereigenen Knochenmarkszellen gegen Parkinson: teure Behandlung - keine Wirkung



Entgegen der Marketingbotschaften von internationalen Privatkliniken gibt es noch keine Stammzellen-Therapie gegen die Parkinson-Erkrankung - darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April hin. Patienten zahlten in den vergangenen Jahren in privaten Kliniken auch in Deutschland zwischen 6000 und 30.000 Euro für eine Behandlung mit ihren eigenen Knochenmarkszellen. Eine Nachuntersuchung dieser Patienten hat allerdings vor kurzem gezeigt, dass den Erkrankten mit dieser in Deutschland inzwischen verbotenen Prozedur nicht geholfen werden konnte.

Weder verbesserte sich der klinische Gesamteindruck, noch wurden die parkinsonspezifischen Krankheitszeichen gelindert, berichteten die Professoren Alexander Storch, Universitätsklinikum Dresden, und Kollegen in der Zeitschrift Movement Disorders. "Wir empfehlen dringend, von derartigen Eingriffen Abstand zu nehmen, solange es keine überzeugenden Daten aus präklinischen und klinischen Studien gibt", warnen die Autoren in ihrem wissenschaftlichen Artikel. "Leider besteht Anlass zur Befürchtung, dass mit dem Leid der Patienten in anderen Ländern weiter ein Geschäft gemacht wird - und dass auch deutsche Patienten dafür ins Ausland reisen", ergänzt Mitautor Professor Wolfgang H. Oertel, zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Direktor des Neurologischen Universitätsklinikums in Marburg.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Parkinson Gesellschaft (DPG) hatten in der Vergangenheit wiederholt vor teuren, nutzlosen und risikoreichen Behandlungen mit Stammzellen gewarnt, die ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage erfolgen. Um diese Kritik zu konkretisieren, wurden 17 Patienten mit Morbus Parkinson oder einer Multisystematrophie ermittelt, die sich der Behandlung unterzogen hatten und die mit einer Nachuntersuchung einverstanden waren. Sie waren entweder am mittlerweile durch öffentlichen und behördlichen Druck geschlossenen XCell-Center in Düsseldorf oder in Hospitälern der Stamina Foundation Onlus in San Marino oder Triest behandelt worden. Die zwischen 41 und 77 Jahre alten Patienten hatten durchschnittlich fast 11.000 Euro bezahlt für einen Eingriff, bei dem weiße Blutzellen aus dem Knochenmark entnommen und in die das Gehirn umfließende Flüssigkeit oder in die Blutbahn gespritzt wurden.

"In unserer Nachuntersuchung konnten wir keinen klinischen Nutzen dieser Eingriffe für die Patienten finden", stellt Professor Storch nun klar. Die Nachuntersuchungen, die zwischen einem und 15 Monaten nach den Eingriffen stattfanden, ergaben einen unveränderten klinischen Gesamteindruck. Die Patienten benötigten nicht weniger Medikamente als zuvor. Bei der Schwere der Parkinsonsymptome zeigte sich laut Mess-Skalen von Hoehn & Yahr und UPDRS (Unified Parkinson Disease Rating Scale) sogar eine leichte Verschlechterung.

Erst forschen, dann behandeln

"Für dieses Ergebnis gibt es viele mögliche Gründe", so Storch. "Die fehlende klinische Wirksamkeit der autologen Knochenmarkszellen bei den von uns untersuchten Patienten könnte sowohl an der zu kleinen Zahl transplantierter Zellen liegen als auch daran, dass diese Zellen ungeeignet sind, um den Defekt zu lindern." Zwei der weltweit führenden Stammzellforscher, C. Warren Olanow (Mount Sinai School of Medicine, New York) und Ole Isacson (Harvard Medical School, Boston) äußerten ihre Verwunderung über die Zustände in Deutschland, wo bis Anfang des Jahres noch Stammzellbehandlungen gegen Parkinson angeboten wurden: "Es gibt keinen Hinweis, dass die Prozedur von einer Ethik-Kommission genehmigt wurde oder von einer Behörde des Bundes. Es gibt keine Hinweise, dass die beteiligten Ärzte wissenschaftliche Erfahrung auf diesem Gebiet hatten oder irgendwelche präklinischen Studien zur Vorbereitung durchgeführt haben."

Alleine am XCell-Center in Düsseldorf waren nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2007 etwa 3500 Patienten gegen verschiedene Krankheiten mit ihren eigenen Knochenmarkszellen behandelt worden, darunter sehr wahrscheinlich auch wesentlich mehr Parkinson-Patienten als die 17 Betroffenen in der Nachuntersuchung. Die DGN und die DPG hatten bereits im Juni 2009 vor den Behandlungsmethoden des XCelle-Centers gewarnt - fast zwei Jahre bevor die Kölner Bezirksregierung der Firma per Untersagungsverfügung die Geschäftsgrundlage entzog. In der Zwischenzeit war ein eineinhalbjähriger, schwer behinderter Junge nach einer Injektion der Zellen direkt ins Gehirn gestorben. Anfang des Jahres musste eine weitere Klinik in Bonn ihre Tätigkeit auf diesem Gebiet einstellen. Damit scheinen zumindest hierzulande derlei Aktivitäten unterbunden. Wer im Internet sucht, findet Kontaktbüros im schweizerischen Zug und Telefonnummern in Fernost, in den USA - und auch in Deutschland. "Für uns ist die Sache damit keineswegs erledigt", stellt Professor Oertel klar. "Zusammen mit unseren ausländischen Kollegen werden wir darauf hinwirken, international verbindliche Standards einzuführen."


Quellen

Storch A et al.
Intrathecal Application of Autologous Bone Marrow Cell Preparations in Parkinsonian Syndromes.
Mov Disord. 2012 Oct; 27(12):1552-5.

Olanow CW, Isacson O.
Stem cells for Parkinson's disease: advancing science but protecting patients.
Mov Disord. 2012 Oct; 27(12):1475-7.


Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. med. Alexander Storch
Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Neurologie
Klinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
E-Mail: Alexander.Storch@neuro.med.tu-dresden.de

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Quelle:
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Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Frank A. Miltner, 08.04.2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013