Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) - Pressemitteilung vom 17. August 2023
Rheuma & Geschlecht: Diagnose bei Frauen später und Erkrankung häufiger als bei Männern
Leipzig - Frauen ernähren sich gesünder, gehen öfter zu Ärztin oder Arzt und nehmen häufiger Vorsorgeangebote in Anspruch als Männer. Dennoch erhalten Sie die Diagnose über eine rheumatische Erkrankung deutlich später: zum Beispiel bei der systemischen Sklerose erst ein Jahr nach den männlichen Patienten. Und dies, obwohl sie häufiger an Rheuma leiden und gegenüber männlichen Patienten eine erhöhte Krankheitslast angeben. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Überblicksstudie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Diagnostik und Therapie von Rheumaerkrankungen.
Bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen ist der Anteil an betroffenen Frauen größer als der der Männer. Dies betrifft vor allem Kollagenosen und die rheumatoide Arthritis. Bei den Spondylo-arthritiden ist die Geschlechterverteilung ausgewogen. Nur wenige entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie beispielsweise Morbus Behcet betreffen häufiger Männer. "Umso verwunderlicher erscheint es, dass Frauen im Durchschnitt deutlich später eine Diagnose erhalten", sagt Privatdozentin Dr. med. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet. Mögliche Ursache dafür könnte sein, dass der Krankheitsverlauf bei Männern in der Regel schwerer ist. Deshalb zeigen sich Schäden an Organen früher und geben eher Hinweise auf eine rheumatische Erkrankung. Auch bilden sich - so beim Beispiel der systemischen Sklerose - bei Männern bestimmte Marker und Antikörper im Blut früher. "Hinzu kommt, dass Frauen ein vielfältigeres Bild an Symptomen zeigen, was eine eindeutige Diagnose zusätzlich erschweren kann", erläutert Kiltz. Diese Unterschiede lassen sich unter anderem auf hormonelle, immunologische und (epi)genetische Unterschiede zurückführen. Eine kanadische Analyse offenbarte zudem, dass männliche Hausärzte unabhängig vom Geschlecht der Patient:innen später eine rheumatologische Überweisung veranlassten als ihre Kolleginnen. Folglich kann auch das Geschlecht der behandelnden Ärzt:innen zu Unterschieden in der Versorgung beitragen.
Ob sich die Wirksamkeit von Medikamenten zwischen den Geschlechtern unterscheidet, ist umstritten. Erwiesen ist, dass immunsuppressive Therapien bei Frauen weniger dauerhafte wirken und sie im Vergleich zu Männern deutlich seltener das Therapieziel einer niedrigen Krankheitsaktivität erreichen. Eine Ursache dafür könnte sein, dass Frauen in der Selbstauskunft die Krankheitsaktivität höher als Männer einschätzen. Zudem können rheumatische Erkrankungen soziale und psychologische Folgen haben, die sich bei Männern und Frauen unterschiedlich auswirken. Dies hängt auch mit Unterschieden in den gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern zusammen. "Hier stehen wir ganz am Anfang: Es besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, um die Kontextfaktoren so weit zu verstehen, dass eine personalisierte Medizin möglich ist", erklärt Kiltz.
"Die Ergebnisse zeigen, dass die Rheumatologie hier Nachholbedarf hat. Wir müssen die geschlechtsspezifischen Krankheitsausprägungen besser verstehen und diese Erkenntnisse in die Diagnostik und Therapie einfließen lassen", betont auch Professor Dr. med. Christoph Baerwald, Kongresspräsident der DGRh und emeritierter Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig. Bei der Vorabpressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongresses beleuchten die Expert:innen die vorhandenen Geschlechterunterschiede und diskutieren Ansatzpunkte für die weitere Forschung.
* Katinka Albrecht & Anja Strangfeld: Geschlechtsspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen
* Die Innere Medizin volume 64, pages744-751 (2023); Geschlechtsspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen | SpringerLink
Die DGRh ist mit mehr als 1600 Mitgliedern die größte medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft in Deutschland im Bereich der Rheumatologie. Sie repräsentiert hierzulande seit 90 Jahren die rheumatologische Wissenschaft und Forschung und deren Entwicklung. Als gemeinnütziger Verein arbeitet die DGRh unabhängig und ohne Verfolgung wirtschaftlicher Ziele zum Nutzen der Allgemeinheit.
Deutscher Rheumatologiekongress 2023 (30.08. bis 02.09.2023 in Leipzig):
• 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
• 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
• 33. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)
*
Quelle:
(DGRh) - Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
Pressemitteilung vom 17.08.2023
Geschäftsstelle: Wilhelmine-Gemberg-Weg 6, Aufgang C, 10179 Berlin
Telefon: 030 / 24 04 84 70, Fax: 030 / 24 04 84 79
E-Mail: info@dgrh.de
Internet: http://www.dgrh.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 22. August 2023
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang