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KREBS/870: Chemotherapie - Wenn die Übelkeit nicht aufhört (idw)


Deutsche Krebshilfe e. V. - Bonn, 04. Januar 2011

Chemotherapie - Wenn die Übelkeit nicht aufhört

Genetische Unterschiede beeinflussen die Wirkung von Anti-Brechmitteln


Heidelberg (gb) - Häufige Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind Übelkeit und Erbrechen. Gegen diese Beschwerden gibt es medikamentöse Behandlungsverfahren. Doch bei rund einem Drittel aller Krebs-Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, sind diese Medikamente nicht ausreichend wirksam. Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg sind den Ursachen dafür auf der Spur: Bestimmte Bindungsstellen im Gehirn sind bei den betroffenen Patienten anders aufgebaut. Dadurch können die Arzneimittel nicht an ihrem Zielort im Gehirn andocken. Die Forscher arbeiten zurzeit daran, künftig eine auf jeden Patienten persönlich angepasste Arzneimitteltherapie gegen die Übelkeit zu entwickeln. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit insgesamt 115.000 Euro.

Übelkeit und Erbrechen belasten Krebs-Patienten während einer Chemotherapie oftmals mehr als der Tumor selbst. Auslöser für die Beschwerden ist der körpereigene Botenstoff Serotonin, der während der Krebs-Therapie vermehrt gebildet wird. Serotonin bindet an bestimmte Rezeptoren, die wie eine Antenne aus den Gehirnzellen hervor stehen. Medikamente gegen die Übelkeit (Anti-Emetika) können diese Rezeptoren blockieren, so dass das Serotonin nicht mehr andocken kann. Dadurch wird der Brechreiz unterdrückt.

Bei zwei Drittel aller Krebs-Patienten wirken die Serotonin-Rezeptorenblocker gut, etwa einem Drittel der Krebs-Patienten helfen diese Medikamente jedoch nicht. Zudem treten bei den Betroffenen häufig zusätzliche Beschwerden auf, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Verstopfung, in schweren Fällen sogar Darmverschluss.

Aus welchem Grund die Medikamente gegen Übelkeit bei manchen Patienten nicht ansprechen, erforschen die Molekularbiologen um Dr. Beate Niesler vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Heidelberg. Die Wissenschaftler analysierten hierfür momentan die genaue molekulare Struktur der Serotonin-Rezeptoren. Der Grund für die unterschiedliche Wirksamkeit ist der bei jedem Patienten einzigartige genetische Bauplan für den Rezeptor: "Der Serotonin-Rezeptor besteht aus verschiedenen Teilen", erklärt Niesler. "Jeder Patient hat in seinen Erbanlagen ein eigenes Muster für den genauen Bauplan." Diese Unterschiede können dazu führen, dass der Wirkstoff nicht die entsprechende Rezeptor-Bindungsstelle erkennt und somit unwirksam ist. Die Heidelberger Wissenschaftler wollen die Grundlage dafür schaffen, in Zukunft maßgeschneiderte Medikamente zu entwickeln, welche die unterschiedlichen Rezeptor-Typen erfolgreich blockieren können. Dadurch wollen sie die Lebensqualität und damit die Akzeptanz der Behandlung bei den Betroffenen deutlich verbessern.

"Ziel des aktuellen Forschungsprojektes ist es, in Zukunft wirksame Medikamente gegen Übelkeit für jeden Krebs-Patienten bereitstellen zu können. Die Deutsche Krebshilfe setzt sich dafür ein, dass die Krebs-Therapie fortlaufend verbessert und individuell angepasst wird", betont Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe e.V. in Bonn. "So können die Heilungsraten gesteigert und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden." Die gemeinnützige Organisation unterstützt das Forschungsvorhaben mit insgesamt 115.000 Euro.


Hintergrund-Info: Chemotherapie

Eine Chemotherapie ist eine medikamentöse Behandlung, die das Wachstum von Tumorzellen im Körper hemmt. Es gibt heute eine große Anzahl verschiedener Chemotherapie-Kombinationen, die in ihrer Wirkung und auch in ihrer Verträglichkeit bezogen auf die verschiedenen Tumorentitäten sehr unterschiedlich sind. Die Substanzen werden in die Blutgefäße verabreicht und über den Blutstrom in alle Bereiche des Körpers transportiert. Da die Medikamente auf diese Weise überall hingelangen und somit das gesamte "System Mensch" behandelt wird, spricht man auch von "systemischer Therapie" - sie wirkt im gesamten Organismus.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Krebshilfe e. V., Dr. med. Eva M. Kalbheim, 04.01.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2011