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FORSCHUNG/1062: Schimmelpilze - Quelle chemischer Vielfalt (idw)


Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie -
Hans-Knöll-Institut (HKI) - 27.05.2016

Schimmelpilze - Quelle chemischer Vielfalt


Der Pilz Aspergillus fumigatus bildet eine Gruppe bislang unbekannter Naturstoffe, die in Anlehnung an pflanzliche Isochinolin-Alkaloide als Fumisoquine bezeichnet werden. Forscher aus Jena kamen den neuen Substanzen gemeinsam mit US-Kollegen auf die Spur, als sie das Genom des Pilzes näher unter die Lupe nahmen. Die Substanzfamilie der Isochinolin-Alkaloide enthält viele pharmakologisch aktive Moleküle. Die soeben in Nature Chemical Biology publizierte Arbeit zeigt, dass Pilze und Pflanzen unabhängig voneinander ähnliche Synthesewege für die komplexen Moleküle entwickelt haben. Das macht Pilze für die Suche nach neuen Arzneistoffen und deren biotechnologische Herstellung interessant.


Bild: © Dirk Hoffmeister / FSU

Der Schlafmohn Papaver somniferum bildet ebenso wie andere Mohn- und Berberitzengewächse eine Vielzahl von Isochinolin-Alkaloiden
Bild: © Dirk Hoffmeister / FSU


Bild: © Schmaler - Ripcke, Kloss, Yu / HKI

Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus bildet Fumisoquine auf einem ähnlichen Weg wie Pflanzen.
Bild: © Schmaler - Ripcke, Kloss, Yu / HKI

Eine große Zahl von Medikamenten, die wir heute nutzen, hat ihren Ursprung in der Natur. Meistens sind es Mikroorganismen oder Pflanzen, die uns Moleküle bereitstellen, die wir direkt oder in abgewandelter Form in Arzneistoffen wiederfinden und die auf diese Weise eine positive Wirkung für die menschliche Gesundheit entfalten. Entsprechend groß ist das Interesse, immer wieder neue Wirkstoffe in der Natur aufzuspüren und für die Behandlung von Krankheiten zu verwenden.

Eine bekannte Gruppe pflanzlicher Stoffwechselprodukte sind die Isochinolin-Alkaloide. Man kennt davon heute über 2500 verschiedene Vertreter, sie kommen vor allem im Mohn- und Berberitzengewächsen vor. Bekannte Beispiele sind das schmerzstillende Morphin oder auch Codein, das bei Reizhusten eingesetzt wird.

Gemeinsam mit amerikanischen Kollegen haben Teams um Dirk Hoffmeister und Axel Brakhage von der Friedrich-Schiller-Universität Jena nun herausgefunden, dass Pilze bestimmte Naturstoffe auf ganz ähnlichem Wege synthetisieren. Sie analysierten das Genom des verbreiteten Schimmelpilzes und entdeckten dabei eine kleine Gruppe von Genen, deren Funktion bislang unbekannt war. Ein Vergleich der Gensequenz mit bekannten Daten legte nahe, dass die betreffenden Gene für die Synthese von noch unbekannten Naturstoffen verantwortlich sein könnten.

Durch Genmanipulation, Charakterisierung der entstehenden Stoffwechselprodukte und radioaktive Markierungsexperimente gelang es schließlich, die Struktur der neuen Moleküle zu ermitteln und auch den Weg ihrer Biosynthese im Detail zu entschlüsseln. Die Forscher entdeckten dabei einen bei Pilzen bislang unbekannten Weg der Verknüpfung von Kohlenstoffatomen. Der gesamte Syntheseweg der Fumisoquine erscheint dabei als eine Kombination pflanzlicher Prinzipien der Biosynthese und solchen der sogenannten nichtribosomalen Peptidsynthese, die bei Pilzen weit verbreitet ist. Universitätsprofessor Axel Brakhage, gleichzeitig Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, erläutert: "Pilze und Pflanzen haben sich in der Evolution schon sehr früh voneinander getrennt. Der neu gefundene Syntheseweg für Fumisoquine zeigt, dass es für die Wirkstoffgruppe der Isochinolin-Alkaloide offenbar eine Parallelentwicklung bei beiden Organismengruppen gegeben hat. Dies eröffnet uns neue Wege, durch kombinatorische Biotechnologie die Wirkstoffsuche und -entwicklung voranzutreiben und so zu neuen, dringend benötigten Medikamenten zu gelangen."

Dirk Hoffmeister, Professor am Institut für Pharmazie der Friedrich Schiller-Universität freut sich: "Die jetzt veröffentlichte Studie ist ein schönes Beispiel für die enge Zusammenarbeit der Universität mit dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut - und unseren amerikanischen Partnern. Gute Forschung kennt eben keine Grenzen."

Die internationale Wissenschaftlervereinigung "Faculty of 1000" hat die Arbeit in ihre Hitliste für richtungsweisende Forschungsergebnisse aufgenommen.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (HKI), Dr. Michael Ramm, 27.05.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2016

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