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ARTIKEL/436: Patentrechtsvorteile nutzen - UNCTAD drängt ärmste Länder zum Handeln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Mai 2011

Gesundheit: Patentrechtsvorteile nutzen - UNCTAD drängt ärmste Länder zum Handeln

Von Julio Godoy


Paris, 31. Mai (IPS) - Die Pharmaproduzenten in den Schwellenländern wenden sich zunehmend von den Entwicklungsländern ab, um ihre Produkte in den reichen Staaten abzusetzen. Der Trend wird sich negativ auf den Zugang armer Länder zu preiswerten Nachahmermedikamenten (Generika) auswirken. Angesichts dieser Gefahr legt die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) den ärmsten Staaten der Welt (LDCs) nahe, die Ausnahmeregelung zu nutzen, die ihnen das internationale Handelsystem mit Blick auf patentierte Medikamente einräumt, und selbst Generika zu produzieren.

In ihrem Bericht 'Investment in Pharmaceutical Production in the Least Developed Countries' drängt die UNCTAD die LDCs dazu, sich um eine Verlängerung der Ausnahmeregelung über das Jahr 2016 hinaus zu bemühen. LDCs sollten jetzt damit beginnen, eine Fortsetzung der Sonderbehandlung auszuhandeln, meint auch Michelle Childs von der Hilfsorganisation 'Ärzte ohne Grenzen'.

Der Gruppe der LDCs gehören derzeit 48 Länder an, deren Bruttonationaleinkommen pro Kopf und Jahr 905 US-Dollar nicht übersteigt. Auch fehlen ihnen wichtige Voraussetzungen, um sich wirtschaftlich zu entwickeln. Zudem schneiden sie, was die Indikatoren für menschliche Entwicklung wie Bildung, Gesundheit und Ernährung angeht, überdurchschnittlich schlecht ab.

Trotz der enormen Zunahme und Diversifizierung der weltweiten Medikamentenproduktion in den letzten 20 Jahren haben die meisten Menschen in den LDCs nach wie vor keinen Zugang zu wichtigen Medikamenten, wie der Hauptautor des Berichts, Kiyoshi Adachi, betont.


Dem Vorbild der Schwellenländer folgen

Schwellenländern wie Brasilien, Indien und China ist es in den letzten Jahren gelungen, sich zu boomenden Herstellern preiswerter Nachahmerpräparate zu entwickeln, von denen insbesondere die armen Staaten profitierten. Doch Adachi zufolge sind sie zunehmend daran interessiert, ihre Medikamente auf den lukrativeren Märkten des Nordens abzusetzen. Dadurch könnte es in den LDCs zu weiteren Medikamentenengpässen kommen.

Die Länder könnten einer solchen Entwicklung gegensteuern, indem sie sich mit Hilfe ausländischer Investoren selbst auf die Herstellung von Generika verlegten, empfiehlt der UNCTAD-Bericht. Zugute käme den ärmsten Ländern, dass sie - zumindest bis 2016 - nicht gezwungen wären, den vollen Produktpatentschutz für Medikamente zu gewährleisten. Alle anderen Staaten hingegen müssen seit 1. Januar 2005 das Abkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) einhalten.


Hindernisse

Allerdings fehlen den ärmsten Ländern, von denen die meisten in Subsahara-Afrka liegen, wesentliche Voraussetzungen, um ausländische Direktinvestitionen im Pharmabereich anzuziehen. Als Beispiel nennt UNCTAD den Mangel an menschlichen Ressourcen, an grundlegender Infrastruktur wie einer zuverlässigen Wasser- und Stromversorgung. Weitere Voraussetzungen seien eine gut funktionierende nationale Medikamentenkontrollstelle, der Zugang zu den chemischen Grundsubstanzen und Rechtstaatlichkeit.

Nach Ansicht der UNCTAD wird es aufgrund der erforderlichen Voraussetzungen nicht allen LDCs vergönnt sein, preiswerte Nachahmerpräparate zu produzieren. Eine Ansicht, die Childs von Ärzte ohne Grenzen teilt. Unter den ärmsten Ländern gebe es aber solche wie Uganda, die durchaus für ein solches Unterfangen in Frage kämen. Childs verweist auf ein Jointventure zwischen Uganda und Indien. Es habe einen bemerkenswerten Technologietransfer nach sich gezogen "und operiert durchaus erfolgreich". (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.unctad.org/en/docs/diaepcb2011d5_en.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55844

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2011

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