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STELLUNGNAHME/008: Brennende Probleme - zu den aktuellen Entwicklungen im Maßregelvollzug (Soziale Psychiatrie)


Soziale Psychiatrie Nr. 144 - Heft 2, April 2014
Rundbrief der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

Brennende Probleme
Stellungnahme zu aktuellen Entwicklungen im Maßregelvollzug

Von Friedrich Walburg



Der DGSP-Fachausschuss Forensik hat eine Stellungnahme erarbeitet, die der Vorstand der DGSP den politisch und administrativ Verantwortlichen für den Maßregelvollzug in den Ländern zugestellt hat. Hintergrund ist die Entwicklung des Maßregelvollzugs in Nordrhein-Westfalen: Innerhalb der letzten drei Jahre wurden 600 neue Plätze in Neubauten eingerichtet, weitere 700 sind für die nächste Zeit geplant.


Seit einigen Jahren steigen die Zahlen der im Maßregelvollzug unterzubringenden Personen - mit gewissen regionalen Unterschieden - deutlich an. Das Strafrecht sieht für diese Menschen vor, sie in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt in Freiheitsentzug zu nehmen. Dafür wurden in letzter Zeit von den Ländern bereits zahlreiche Neubauten errichtet. Weitere befinden sich in der Planung. Allein in Nordrhein-Westfalen stehen aktuell fünf Neubauten zur Planung und strukturellen Entwicklung an.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Allgemeinpsychiatrie mit offenen und ambulanten Behandlungs- und Betreuungsformen für psychisch erkrankte Menschen während der vergangenen dreißig Jahre erscheint das Festhalten an so ausgeprägt stationären Versorgungskonzepten im Maßregelvollzug dringend überprüfungsbedürftig.

Die grundlegenden Fragen hierbei können nur durch eine Reform des Maßregelrechts gelöst werden, für das der Bund gesetzgeberisch zuständig ist. Dazu wird sich die DGSP zu gegebener Zeit mit umfassenden Vorschlägen äußern.

Gegenwärtig geht es der DGSP vor allem darum, die Länder, wenn sie denn schon weitere stationäre Versorgungsplätze für den Vollzug der Maßregeln schaffen müssen, auf ihre Möglichkeiten und ihre Verpflichtungen hinzuweisen, diese Planungen so zu gestalten, dass von Anfang an eine auf Rehabilitation ausgerichtete Unterbringung erfolgt, die unnötig langen und nicht erforderlich intensiven Freiheitsentzug vermeidet.

Dazu trägt nach Überzeugung der DGSP die Beachtung von fünf Punkten bei:

1. Die Planung und die Architektur von Neubauten für den Maßregelvollzug haben sich von Vorstellungen von Gemeinsamkeiten mit Gebäuden für den Strafvollzug zu lösen. Sie haben trotz aller notwendigen baulichen Sicherungen eine Gestalt zu finden, die in erster Linie auf die Gewährleistung von Behandlungsangeboten in sozio- und milieutherapeutischen Settings ausgerichtet ist.

2. Die Neubauten haben nicht nur geschlossene, sondern auch halb offene, offene und soziale Reha-Bereiche - auch außerhalb von Mauern und Stacheldraht - vorzusehen, sodass ein gleitender Übergang von der einen in die andere Sicherungsstufe, ohne hohe Hürden zu überwinden, möglich wird.

3. Die Wohnmöglichkeiten der unfreiwillig zum gemeinsamen Zusammenleben verpflichteten Personen sind so auszurichten, dass nur Wohngruppen von maximal acht Personen gebildet werden können. Größere Gruppen begegnen erheblichen Bedenken hinsichtlich therapeutischer Effektivität und von Sicherungserfordernissen.

4. Darüber hinaus sind bereits im Vollzug, soweit Landesrecht dies zulässt, in deutlich stärkerem Maße als bisher ambulante Versorgungsformen und -institutionen zu schaffen bzw. auszubauen, die sowohl Therapie- als auch Betreuungs- und Kontrollfunktionen erfüllen können.

5. Bei der Personalausstattung der Maßregelvollzugseinrichtungen ist die Einhaltung einer Fachkraftquote von 90 Prozent der Stellenpläne in den Bereichen von Pflege, Psychotherapie und (Fach-)Ärzten zu gewährleisten. Das Land hat die hierzu erforderlichen Finanzmittel planungssicher bereitzustellen.

Köln, im Februar 2014
Der Vorstand der DGSP e.V.
Friedrich Walburg
Vorstandssprecher

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Quelle:
Soziale Psychiatrie Nr. 144 - Heft 2, April 2014, Seite 43
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2014