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BUCH/231: Daniel Rosenblatt - Gestalttherapie für Einsteiger (Gestaltkritik)


Gestaltkritik - Die Zeitschrift für Gestalttherapie Nr. 2 - 2009

Gestalttherapie für Einsteiger
Eine Anleitung zur Selbstentdeckung

Von Daniel Rosenblatt


Dieses Buch ist ein Vorgeschmack, ein Appetithappen von dem, was Gestalttherapie leisten kann: Alles das, was geschieht, wird immer neu für jeden Einzelnen erfunden. "Hier aber, zumal ich dich nicht kenne, erfinde ich, was zwischen dir und mir geschehen könnte, damit du eine Ahnung davon bekommst, wie das Denken und wie die Techniken funktionieren, die womöglich benutzt werden, damit du wachsen, in Berührung mit deinen Gefühlen kommen und versteckte Seiten deiner selbst erforschen kannst, um du selbst zu werden".

Der Klassiker der Gestalttherapie in einer erweiterten Neuauflage: Mit zwei weiteren Texten von Daniel Rosenblatt und einem Interview mit dem Autor.

"Es ist genau das Buch, das ich mir immer gewünscht habe, wenn Menschen mich fragen, was das denn eigentlich ist: Gestalt-Therapie. Eigentlich - ihrem innersten Wesen nach - ist sie nicht Wissen, sondern Erfahrung. Und wie anders kann man Gestalt dann vermitteln als erfahrungsbezogen! Diesen Einstieg gibst Du in Deinem Buch 'Gestalttherapie für Einsteiger' - in weiser und erfahrener Abschätzung der Schritte, die ein Mensch allein gehen kann, um herauszufinden, ob dieser Weg zu ihm passen könnte." (Erhard Doubrawa)


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Lieber Dan,

Dich zu kennen, verdanke ich meinem Lehrer und Mentor, Milan Sreckovic, der mich zum Weiterlernen zu seinen eigenen Lehrern und Freunden schickte. Inzwischen bin ich selbst Lehrer geworden und schicke meine Schüler zu Dir in die Lehre.

Was fand ich bei Dir? - Liebevolle Achtung und leidenschaftliche Beharrlichkeit: Du konntest stundenlang mit einem in unserer Lerngruppe arbeiten, ohne hartnäckig zu werden. Ohne beweisen oder gewinnen zu müssen. Deine Bereitschaft, Menschen in ihren Selbsterforschungsprozessen zu begleiten, hat jenen langen Atem, jene Zugewandtheit und Achtsamkeit, die die Seele braucht, um lernen zu können.

Zugleich ist Deine Gestalt-Arbeit auf eine sehr wirksame Weise einfach. So ursprünglich, so pur wie Dich sah ich nur einen weiteren Menschen arbeiten: Lore Perls, Deine Lehrerin, deren engster Vertrauter Du später warst.

Immer wieder zeigtest Du Deinen Schülerinnen und Schülern, dass es bei der Arbeit nicht um den Therapeuten geht, sondern um den Klienten und seine Selbsterforschung, der wir nur Türen öffnen können, wie der deutsche Titel Deines Buches (Köln, EHP 1986) ausdrückt.

Den ersten Schritt in die therapeutische Beziehung machen immer die Klienten. Und ihr Recht ist es auch zu bestimmen, was sie preisgeben, ansehen, womit sie experimentieren, welche Räume ihres Selbst und ihrer Welt sie (neu) erforschen oder (wieder) erobern wollen.

Bereitwillig öffnest Du uns Lernenden auch Türen zu Deinen inneren Prozessen, während Du arbeitest. Zeigst uns, was es heißt, dass der Gestalt-Therapeut sein eigenes Instrument ist. Und Du machst uns Mut, unseren eigenen, inneren Prozessen zu vertrauen.

Ist bereits Türen öffnen ein großes Geschenk und eine lebendige Mitteilung für alle Suchenden und Lernenden, so darf ein anderer Aspekt Deiner Arbeit nicht unerwähnt bleiben: Du arbeitest auch mit Menschen, für die sich die Türen zum Leben langsam und unwiderruflich schließen. Du begleitest AIDS-Patienten und stellst die Fragen nach dem Tod, nach dem Sinn, der bleibt, und nach dem Sinn therapeutischer Arbeit angesichts des Sterbens genauso beharrlich und kontaktvoll wie die nach Wachstum und Lebendigkeit. Dies gibt Deiner Arbeit eine selten anzutreffende Radikalität und Tiefe. (Psychotherapie im AIDS-Zeitalter. Ein Vortrag; http://www.gestalt.de/aids.html)

Heute, hier und jetzt, kann ich nun voll Freude und Stolz Dein zweites, von Marein von der Osten-Sacken einfühlsam ins Deutsche übersetzte, Buch vorstellen: Gestalttherapie für Einsteiger - solch ein Buch gab es bei uns bisher noch nicht. Es ist nicht nur eine Einführung, sondern viel mehr: eine Einladung zur Gestalttherapie.

Es macht die Leserinnen und Leser nicht nur mit Gestalt-Arbeit vertraut, sondern vielmehr - ganz gestaltisch auch mit sich selbst.

Es ist genau das Buch, das ich mir immer gewünscht habe, wenn Menschen mich fragen, was das denn eigentlich ist: Gestalt-Therapie.

Eigentlich - ihrem innersten Wesen nach - ist sie nicht Wissen, sondern Erfahrung. Und wie anders kann man Gestalt dann vermitteln als erfahrungsbezogen! Diesen Einstieg gibst Du in Deinem neuen Buch - in weiser und erfahrener Abschätzung der Schritte, die ein Mensch allein gehen kann, um herauszufinden, ob dieser Weg zu ihm passen könnte.

Wie Du Deinen Leserinnen und Lesern bereits die Tür zum inneren Erleben des Therapeuten geöffnet hast, so zeigst Du hier Wege zum inneren Erleben des Klienten selbst.

Letztlich sucht jede Reise, die wir machen, das Land der Seele. - So wünsche ich Deinen Leserinnen und Lesern, Deinem Buch und Dir selbst, lieber Dan: Guten Weg und gute Reise! Möge Dein Buch vielen ein guter Weggefährte sein!

Herzlich, Dein Erhard
Köln, im August 1995


Vorwort zur ersten Auflage von Daniel Rosenblatts Buch "Gestalttherapie für Einsteiger. Eine Anleitung zur Selbstentdeckung"


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Zur deutschen Ausgabe von "Gestalttherapie für Einsteiger" von Daniel Rosenblatt

Diese "Fibel der Gestalttherapie" habe ich bereits 1975 geschrieben. Der eigentliche Urtext der Gestalttherapie "Gestalt Therapy: Excitement and Growth in the Human Personality" [dt.: "Gestalttherapie Grundlagen" und "Gestalttherapie Praxis", dtv] war bereits fünfundzwanzig Jahre alt. Während dieser Zeitspanne hatten sich viele Gestalt-Trainees mit der schwierigen Sprache jenes Gemeinschaftswerkes von Perls, Hefferline und Goodman (PHG) abgemüht. Man verbreitete die Ansicht, der Text sei absichtlich so unklar abgefasst, damit die Leser ihn nicht einfach introjizieren könnten.

Logischerweise müsste demnach jeder Leser die schwierige Sprache des Textes bedenken und durchkauen, könnte ihn also nicht unkritisch und unverdaut hinunterschlucken. Meiner Meinung nach ist aber gerade das Befürchtete geschehen. In ihren angestrengten Versuchen, diese Sprache zu verstehen, scheiterten die Trainees und machten dann vorzugsweise nur das nach, was sie begreifen konnten. Im Endergebnis unterblieb eine kritische Überprüfung der Grundlagen der Gestalttherapie weitgehend, und die grundlegenden Annahmen von PHG überdauern unangefochten.

Wenn aber eine Theorie oder eine Lehre zu wachsen beginnt, dann entwickeln sich auch eine Menge Sprösslinge und Verzweigungen, andernfalls vertrocknet sie, eingekapselt in ihren ursprünglichen Formulierungen. Dies ist tatsächlich etwa ein Problem der Freudschen psychoanalytischen Bewegung oder der Jungschen analytischen Psychologie. Ich hoffe, dass die Gestalttherapie nicht in ein ähnliches Stocken gerät.

Aus diesem Grunde schrieb ich die "Gestalttherapie für Einsteiger" als eine Möglichkeit, das zugänglich zu machen, was ich in dem wortreichen Text von PHG für weise und nährend halte. Zwar benutze ich nicht die Wörter Introjektion, Projektion und Retroflexion, aber die Kapitel drei, vier und fünf widmen sich der Erforschung dieser Mechanismen, die Kontakt behindern und verzerren können.

Heute [1995], zwanzig Jahre nach der Erstausgabe dieses Buches, ist es in englischer Sprache wieder aufgelegt worden und wird in Deutschland publiziert. Während dieser Zeitspanne sind viele Therapeuten von ihren Klienten und Schülern um Kopien dieses Buches gebeten worden, und ich freue mich, dass es nun wieder zur Verfügung steht. Ich habe es noch einmal sorgfältig gelesen und beschlossen, es so zu lassen, wie es ursprünglich geschrieben wurde. Ich betrachte es nach wie vor als eine Einführung in die Gestalttherapie, als eine Einladung, mit dem Forschen zu beginnen. - Vielleicht bin ich ja nicht ganz unvoreingenommen, aber mir kommt das Buch so frisch und lebendig vor wie zu der Zeit, als ich es schrieb. Es macht mir Freude und ich hoffe, es wird einer weiteren Generation von Leserinnen und Lesern ebenso Freude bereiten.

Daniel Rosenblatt
New York, im Mai 1995


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EINLEITUNG

Dies Buch ist als Vorgeschmack gedacht, als Appetithappen, als ein Scheibchen von dem, was Gestalttherapie wirklich ist.

In einer echten Sitzung mit einem Gestalttherapeuten wird alles, was geschieht, ganz allein nur für dich zubereitet.

Hier aber - zumal ich dich nicht kenne - erfinde ich, was zwischen dir und mir geschehen könnte, damit du eine Ahnung davon bekommst, wie das Denken und wie die Techniken funktionieren, die benutzt werden, damit du wachsen, in Berührung mit deinen Gefühlen kommen und versteckte Seiten deiner selbst erforschen kannst, um ganz du selbst zu werden.

Hier sind verschiedene Arten, wie ein Gestalttherapeut auftritt. Er wird womöglich

aktiv sein,
reden,
Experimente vorschlagen,
erläutern, was gerade jetzt in der Sitzung geschieht,
interpretieren,
dir seine eigenen Gefühle ausdrücken,
eine Partnerarbeit aus der Therapie machen,
dich auffordern, Risiken einzugehen,
besonders interessiert am Wie, nicht am Warum sein,
mehr von deiner Gegenwart als von deiner Vergangenheit wissen wollen,
aufmerksam sein, was du mit deinem Körper machst:
• Wie atmest du?
• Wo fühlst du Spannungen?
• Wie gehst du?
• Wie hältst du dich?
deine Aufmerksamkeit fort von deinen Worten und hin zu deinem Körper leiten; fragen womöglich Sachen wie:
• Wie fühlt sich dein Mund jetzt an?
• Kannst du deine Stirn spüren?
• Und wenn dein Fuß reden könnte?
• Was würde er jetzt wohl sagen?
• Kannst du mir erzählen, wie du gerade atmest?
dich bitten, Verantwortung für das zu übernehmen, was mit dir geschieht:
• Was ist gut daran, krank zu sein?
• Was ist gut an deinem Ärger über deinen Vater?
• Was ist gut daran, gefeuert zu werden?
• Was ist gut daran, wenn du verschläfst?

Ein Gestalttherapeut wird womöglich

dich bitten, in Betracht zu ziehen, dass du sehr häufig die Dinge selbst auslöst, die dir zu widerfahren scheinen, auch wenn du im Augenblick nicht dessen gewahr bist, wie du das tust,
sogar dann, wenn du nicht dessen gewahr bist, was diese Dinge überhaupt mit dir zu tun haben, zumal es so aussehen mag, als ob du gar nichts davon hast, krank, ärgerlich, zu spät aufgestanden oder ähnliches zu sein.

Untersuchst du jenes "nichts" näher, so wirst du vielleicht entdecken, dass eine Menge Interessantes in dem verborgen liegt, was so negativ scheint.

Ein Gestalttherapeut wird womöglich

- anders mit Träumen umgehen.

Vielleicht ist er mehr an dem interessiert, was zwischen dir und ihm passiert, als an deinem Traum. Vielleicht vermutet er, dass du deinen Traum träumtest, um ihn oder dich in die Irre zu führen. Vielleicht bittet er dich, jedes Element deines Traumes zu werden.

(Ich träumte, dass ich in einem riesigen Ozeandampfer verloren war, und große Wellen schwappten in das Schiff.)

Vielleicht bittet er dich, ein großer Ozeandampfer zu werden und ihn sprechen zu lassen. Vielleicht fordert er dich auf, große Wellen zu werden, die das Schiff überrollen, und sie reden zu lassen. Vielleicht regt er an, dass du einen Dialog zwischen dem Schiff und den Wellen erfindest. Vielleicht lässt er dich die Bedeutung deines Traumes entdecken und bietet nicht seine eigene Deutung an.

Nun, falls dieser Vorgeschmack von Gestalttherapie dir gefällt, dann möchtest du vielleicht weitermachen.

Ein Weg ist, das Buch Gestalttherapie zu lesen, das Fritz Perls, Paul Goodman und Ralph Hefferline 1951 geschrieben haben. Der andere Weg ist, einen guten Gestalttherapeuten zu finden und weitere Möglichkeiten zu erforschen, wie du dich entfalten kannst.

Du entscheidest selbst - und für dich selbst. Schließlich ist es auch bereits ein wesentlicher Bestandteil der Gestalttherapie, daran zu glauben, dass du selbst letztlich weißt, was das Beste für dich ist. Als Gestalttherapeut will ich dich in die Lage versetzen, dies Wissen wirklich zu erlangen und für dich zu nutzen.

Hier sind zwei Vorschläge (du kannst sie außer Acht lassen), die dies Buch betreffen.

Dieses Buch ist absichtlich dünn und kurz. Das liegt daran, dass du aufgefordert bist, die Experimente selbst auszuführen. Wenn du das Buch beiseite legst und die Experimente machst, dann wird sehr viel mehr geschehen, als hier buchstäblich steht.
Finde deinen eigenen Weg, wie dies Buch dir nützen kann. Du brauchst nicht jedes Experiment der Reihe nach durchzuführen, du brauchst das Buch nicht in einem durchzulesen, du musst auch nicht jedes Experiment gut finden.

Wenn einige Experimente zu schwierig sind, überspringe sie und komm zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zurück.


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HIER UND JETZT

Was fühlst du jetzt gerade eben?

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Was denkst du gerade j-e-t-z-t?

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Was tust du eben j-e-t-z-t?

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Was geschieht genau jetzt, hier in dieser Situation, zwischen uns beiden?

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Versuche es mit einem Experiment. Du legst dieses Buch aus der Hand. Du richtest sodann deine Aufmerksamkeit auf das, was mit dir geschieht. Tu es jetzt!

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Und, was ist geschehen?
Hier sind eine ganze Menge Möglichkeiten:

Nichts ist passiert. Ich habe mich nur dumm gefühlt!
Ich fand, dies ist ein blödes Buch und eine alberne Anweisung.
Ich dachte daran, dass ich gerne ins Kino wollte.
Ich hatte eine Phantasie, in der ich einen wundervollen Menschen traf.
Ich bemerkte eine Fliege, die auf der Wand herumkrabbelte.
Ich fühlte mich innerlich ganz merkwürdig.
Ich bekam Kopfschmerzen.
Ich fing an, darüber nachzudenken, was gestern bei der Arbeit passiert ist.
Ich begann über all die Dinge nachzudenken, die ich heute tun musste.

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Und jetzt probierst du noch etwas aus. Etwas sehr Schwieriges.

Du versuchst das zu akzeptieren - was immer es gewesen ist, das bei dir passiert ist -, du lässt es einfach nur dasein.
Du versuchst also, nicht zu kritisieren, schlecht zu machen oder dich schuldig zu fühlen für das, was bei dir passiert ist. Du lässt das, was geschah, einfach das sein, was geschah - was immer es war.
Du versuchst, nicht zu bewerten, was auch immer das war, was dir geschah.
• Du siehst zu, ob du es unterlassen kannst, einen Standpunkt dazu einzunehmen.
• Du siehst zu, ob du das Geschehene anschauen kannst, ohne dabei zu entscheiden: Ist das gut oder schlecht?
Du versuchst zu sagen: "Das war interessant", auch wenn du es so nicht empfindest oder glaubst.

Kannst du dir vorstellen, dass du dich selbst streng verurteilen (tadeln, kritisieren) könntest?

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Oder dass du dieses Buch in derselben schroffen Weise verurteilen (tadeln, kritisieren) könntest?

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Oder andere in ebenso harter Weise verurteilen könntest?

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Beeinträchtigt deine Kritik deine Beziehung zu dir selbst und zu anderen? Oder deine Arbeit?

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Lass uns einen Augenblick mit deiner Kritik experimentieren. Leg sie einfach beiseite.

Ich erlaube dir jetzt, weder dich noch mich zu kritisieren.
Kannst du diese Erlaubnis akzeptieren?
Wie lange kannst du so durchhalten, ehe du wieder zu kritisieren beginnst?

Meinst du, du musst kritisieren?

Viele Leute glauben das. Daraus wird oft ein Lebensstil.

Für jetzt reicht es aus, wenn du weißt, dass deine Kritik womöglich dein Gewahrsein von dem beeinträchtigt, was dir sonst so geschieht.

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Jetzt versuche wieder herauszufinden, was es ist, dessen du jetzt gerade gewahr bist; was du gerade jetzt

- fühlst?
- denkst?
- tust?

Arbeite eine kleine Weile lang daran.

- Konzentriere dich.
- Schenke dir selbst Aufmerksamkeit.
- Sei all dessen gewahr, was geschieht - was immer es ist.

Was passierte in dieser Zeit?

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Es ist gleichgültig, was geschehen ist. Wesentlich ist nur, dass überhaupt irgendetwas (was auch immer) war. Kannst du das wertschätzen - was immer da geschah?

Wie schnell ignorieren wir das, was passiert! Wie wir es übersehen, vergessen, trivialisieren, kritisieren!

Und doch ist es alles, dessen wir wahrhaftig gewiss sein können, dies eben gerade jetzt.

Was vorübergegangen, Vergangenheit ist, hat sich bereits verwandelt, ist vielleicht schon vergessen, sicher aber durch die Erinnerung verändert. Und was kommen wird, die Zukunft, ist ungewiss, unwirklich, eine bloße Möglichkeit.

Und trotzdem wird dies eben gerade jetzt so oft vergeudet.

Ist es nicht interessant, dass mir, sowie ich Gelegenheit habe, auf das zu achten, was jetzt gerade passiert, nichts mehr einfällt? Ich bin leer; ich finde dann, dass rein gar nichts geschieht.

Ich möchte mehr über diese Leer-Seite von mir wissen; ich will mehr darüber wissen, wie ich nichts geschehen lasse.

Jetzt beginne ich, etwas über mich selbst herauszufinden: Ich blende mein Jetzt aus.

Und ich beginne gerade, eine Situation zu entwickeln, in der ich mehr darüber lernen kann.

Anders gesagt, obwohl es nur im Kleinen geschieht, habe ich doch begonnen, mich selbst kennen zu lernen, und habe eine Möglichkeit zu wachsen eröffnet.

Du hast soeben einen Meinen Vorgeschmack von dem bekommen, was geschehen kann.

Aber denk bitte nicht, dieser Geschmack wäre das ganze Menü.

Auf den folgenden Seiten werde ich dich einladen, andere Aspekte deines Selbst, deines Lebens zu probieren. Aber denk bitte daran, dass dies alles nur ein Häppchen, eine erste Berührung, eben ein Anfang ist.

Wenn dein Appetit angeregt wird, wenn du Hunger auf mehr hast, dann solltest du einen qualifizierten Gestalttherapeuten suchen, um mit ihm weiterzuarbeiten.

Allein durch die Experimente und Vorschläge in diesem Buch weiterzuwachsen und dich fortzuentwickeln, hieße, das, was für dich geschehen kann, ganz entschieden zu begrenzen.


Daniel Rosenblatt
Gestalttherapie für Einsteiger
Eine Anleitung zur Selbstentdeckung

Herausgegeben und mit Beiträgen von Anke und Erhard Doubrawa
Gemeinsam veröffentlicht von Peter Hammer Verlag und Gestalt-Institut Köln
Aus dem Amerikanischen von Marein von der Osten-Sacken

ca. 192 Seiten 14,90 Euro
Das Buch erscheint nach den Sommerferien.
Lieferung dann versandkostenfrei auf Rechnung.


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Quelle:
Gestaltkritik - Zeitschrift für Gestalttherapie Nr. 2/2009
Juni 2008, 18. Jahrgang, Seite 5 - 10
Redaktionsanschrift:
Gestalt-Institut Köln / GIK Bildungswerkstatt Köln
Rurstraße 9, Eingang Heimbacher Straße (Nähe Uniklinik), 50937 Köln
Telefon: 0221 - 41 61 63, Fax: 0221 - 44 76 52
E-Mail: gik-gestalttherapie@gmx.de
Internet: www.gestalt.de

Gestaltkritik erscheint halbjährlich (Mai und November).
Das Einzelheft kostet 3,80 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2009