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BUCH/233: Daniel Rosenblatt - Gestalttherapie für Einsteiger (2) (Gestaltkritik)


Gestaltkritik - Die Zeitschrift für Gestalttherapie Nr. 1/2010 - Dezember 2009

Leseprobe:
Gestalttherapie für Einsteiger

Von Daniel Rosenblatt


In seinen nun folgenden Praxisberichten erzählt Daniel Rosenblatt lebendig von seinen Erfahrungen aus mehr als 40 Jahren gestalttherapeutischer Arbeit mit schwulen Männern - in der Einzeltherapie und in der Gruppentherapie. Liebe heterosexuelle Leserinnen und Leser, bitte zögern Sie nicht weiter zu lesen. Seine Praxisberichte sind ein wahrer Schatz der Gestalttherapie. In ihnen öffnet Daniel Rosenblatt uns großzügig auch die Tür zu seinen eigenen inneren Prozessen, während er arbeitet. Er berichtet von seinen eigenen Wahrnehmungen, von seiner Gegenübertragung, von seinen Werten, seinen Ängsten und seinen eigenen Bedürfnissen - und auch von seinen Fehlern. Auf diese Weise wird deutlich, was es heißt, dass der Gestalttherapeut "sein eigenes wichtigstes Instrument" ist.

Die Herausgeber


Ein sonniges Gemüt

Man kann auf viele Weisen schwul leben. Die Laienpsychologie stellt sich dafür ziemlich klassische Rollen vor: den femininen Mann, die Tunte, der sexuell die passive Rolle einnimmt, und im Gegensatz dazu den machohaften Marlboro-Mann, den hypermännlichen Kämpfer, der Frauen heruntermacht und sexuell die aktive Rolle spielt. Natürlich ist das wirkliche Leben komplizierter. Ein femininer Mann bleibt Mann, und bloß weil er als Sexualpartner andere Männer wählt, verliert sich nicht sein angelerntes männliches Verhalten. Und der hypermaskuline Kerl ist genau so wie sein femininer Freund dem Phalluskult ergeben. Im sexuellen Erleben schwingt stets der Wunsch mit, wie schon Freud beschrieb, passiv dasselbe zu genießen, was man aktiv tut, und umgekehrt genauso. Das macht auch verständlich, warum Frauen manchmal gerne obenauf sind und Matrosen sich gern auf den Bauch legen und von hinten nehmen lassen.

An dieser Stelle möchte ich aber nicht ausführlicher über Sexualverhalten reden, sondern auf zwei Arten schwul zu leben eingehen. Einen entscheidenden Unterschied macht es, ob jemand versteckt lebt oder offen. Wer sein Schwulsein versteckt, lebt ängstlich, misstrauisch, auf der Hut und auf dem Sprung, gegenüber Freunden, Eltern, ggf. auch Frau und Kindern getarnt und für Erpressungen ein leichtes Opfer. Ich kann mitfühlen, dass jemand aus einem Übermaß an Scham, Schuld und Angst seine Gefühle einkapselt und sein Leben als Schrankschwester(1) hinter verschlossenen Türen führt. Dennoch ist mein Wunsch, dass Schwule aufstehen und sich das Recht nehmen, sie selber zu sein, stolz auf ihre einmalige Individualität, unabhängig von den Erwartungen der Gesellschaft drumherum. In der anthropologischen Forschung zeigten Clyde und Florence Kluckhohn,(2) dass eine Gesellschaft gerade durch die alternativen Lebensweisen neben dem Normalverhalten bereichert wird. Ich möchte Klienten zu der Stärke und dem Mut verhelfen, genau so stolz wie die Drag Queen(3) im Film La Cage aux Folles(4) zu sagen: "Ich bin, wer ich bin."

Das Gegenteil der Schrankschwester ist die aufgedrehte, überschwengliche, schrille Tucke, auf die die Bezeichnung gay (lustig) ursprünglich gemünzt war und die die Ironie des Lebens, dass soziale und sexuelle Rollen verkehrt sind, zum Dauerspaß des Herumtuckens(5) hochstilisiert. "Aber meine Teuerste" ist zum Beispiel eine klassische Formulierung, wenn eine Schwester mit ihren Freundinnen am Tucken ist. In unserer heutigen emanzipierten Zeit ist es politisch inkorrekt, sich auf diese Art weiblich anzureden. Aber in einer früheren dunklen Epoche, in der man sich unter Schwulen genau wie unter Schwarzen und Juden das Leben mit Humor erträglicher und leichter machte und einfach gern lachte, war "Tucke" ein Kompliment. Der Dreh am Tucken ist einfach, über die Absurdität des Lebens lachen zu können, ob schwul oder hetero, angesichts von Tragödien Leichtigkeit zu bewahren und trotz Unterdrückung Würde und Stil zu kultivieren. Ich gebe freimütig zu, dass ich Tucken den Vorzug vor Schrankschwestern gebe. Ich mag, wie sie mit Kunst und Witz die Umstände eines offen schwulen Lebens aufs Korn nehmen und, statt Katastrophenschwestern zu spielen, daraus Spaß und Unterhaltung gewinnen.

Ron war aus dem Versteck herausgekommen und leuchtete auf. Er lebte das schwule Leben in vollen Zügen. Er liebte schnellen und leichten Sex. Er ging in die Bars und Saunen, cruiste(6) auf der Christopher Street(7) und liebte besonders die trucks.(8) Ihn machte es ganz besonders an, wie in dem weiten dunklem Raum nur nackte und halbnackte Leiber nach einander tasteten, sich gegenseitig packten und mit hemmungsloser sexueller Erregung in einen Rausch der Lust abhoben. Einmal wurde ihm dort die Brieftasche gestohlen, aber er wurde darüber nicht böse oder vorwurfsvoll. Beim nächsten Mal nahm er einfach nur Kleingeld mit und ließ den Personalausweis zu Hause. So oft es ging, fuhr Ron im Sommer nach The Pines auf Fire Island. Er mochte die salzige Luft, die geheimnisvollen Nebel und das klare Sonnenlicht, das knorzige Kieferngebüsch und den langen breiten Strand aus hellem Sand. Am meisten aber liebte er den endlosen Strom perfekt gebräunter, perfekt gestylter schöner Körper mit winziger Badehose oder, noch gewagter, ganz ohne. Wie viele seiner Freunde, nahm Ron zur Steigerung seiner sexuellen Erlebnisse auf dem Fleischmarkt(9) Drogen ein. Sex bei Vollmond unter Bäumen mit einer der neuesten Designerdrogen, das war für Ron das Höchste im Leben.

Warum kam Ron überhaupt in Psychotherapie? Er hatte dafür mehrere Gründe. Ron merkte, dass er bei seinem energiegeladenen Treiben auf der Suche nach Gelegenheitssex sich ständig getrieben fühlte und sehr viel Zeit aufwandte. Seine katholische Erziehung sagte, dass er ein Sünder und daher schuldig sei, und obwohl er nicht daran glauben wollte, empfand er doch ziemlich viel Angst und Depression. Außerdem wollte Ron einen richtigen Partner finden. Er wollte sein Leben mit jemandem teilen, mehr Ruhe und mehr Stabilität gewinnen. Wie er und sein Partner das dornige Problem mit Drogen und Treue lösen würden, wusste er nicht, aber bei einer guten Beziehung wollte er sich dem stellen. Des weiteren wollte sich Ron beruflich verbessern. Gegenwärtig war er beim sozialen Dienst der Stadt New York als Einzelfallhelfer beschäftigt. Er arbeitete mit einer Gruppe schwarzer Mädchen im Teenageralter, die schwanger geworden waren oder ebenfalls Drogen konsumierten. Es waren harte, verwahrloste Mädchen, die an Erziehung kein Interesse hatten und Autoritäten zurückwiesen. Sie hatten Erfahrungen auf der Straße, viele auch mit Prostitution, manche hatten schon ein oder zwei Kinder von verschiedenen Vätern. Ron konnte sich mit ihnen identifizieren. Sie hatten viele Sexualpartner, er genau so. Sie standen auf Drogen, er genau so. Sie wollten keine Arbeit mit ewigem Aufstieg, er genau so wenig. Ron konnte sich in ihre Lage so gut einfühlen wie in seine eigene. Er behandelte sie wie schwule "Schwestern", tuckte mit ihnen herum und gab sich alle Mühe, sie zur Kooperation mit der Wohlfahrt zu bewegen, war dabei aber nicht moralisierend, sondern hatte Witz und Stil. Die Mädchen reagierten auf seine leichte Art positiv. Sie hatten für diesen seltsamen schönen weißen Mann, der so gut mit ihrer Situation und ihren Bedürfnissen umgehen konnte, Bewunderung übrig. Trotz alledem wollte Ron seinen Lebensunterhalt lieber auf eine andere Art verdienen, bei der er seine Kreativität besser entfalten könnte und leichter Zugang bekäme zum Glanz und Luxus des New Yorker Highlifes.

Im sozialen Dienst verdiente Ron wenig. Da er sich Einzeltherapie damit nicht leisten konnte, ging er in die Therapiegruppe für schwule Männer. Rasch fand er dort einen eigenen Platz. Er war groß, schlank, schön und gewandt. Sein Umgangston war leicht und erfrischend, aber wenn wichtige Themen bearbeitet wurden, konnte er auch nüchtern und ernsthaft sein. Obwohl er sich gerne auf Parties bewegte und sich eine schöne Zeit machte, kam er nicht zum Vergnügen in die Therapiegruppe. Er wollte Wege finden, um sein Leben zu verbessern, und Therapie schien ihm dafür die besten Möglichkeiten zu bieten.

Ich schätzte Ron in der Gruppe sehr. Auch wenn seine Lebensweise außerhalb der Gruppe als oberflächlich erschien, war er doch ein sehr konstruktives Gruppenmitglied. Er war klug und offen, nachdenklich und einsichtig. Aus seiner Arbeit mit den Mädchen brachte er viel Verständnis dafür mit, wie schwierig und vielschichtig es sein kann, Menschen zu einer Lebensänderung zu ihrem eigenen Besten zu bewegen. Auf die Bedürfnisse der anderen Gruppenmitglieder ging er ernsthaft und besonnen ein. Unter seiner spielerischen, spaßigen Fassade hatte Ron etwas von einem Chorknaben bewahrt, und ich fand dies neben seiner jungenhaften, frischen Art sehr ansprechend. Ron war achtundzwanzig Jahre alt, hatte aber nichts von seinem jungenhaften Schwung verloren. Er hatte viel Erfahrung, war aber über nichts verbittert oder verdrossen. Er genoss sein Leben sehr und strebte nach noch mehr Freude und Erfüllung.

Die Therapie gab Ron Gelegenheit, sich die Bedingungen seines Lebens genauer anzusehen. Wie er das Leben der anderen Gruppenmitglieder klar und ernsthaft betrachten konnte, so auch sein eigenes. In den zwei Stunden einer Gruppensitzung konnte er die Rolle eines verwirrten und chaotischen Billie Burke oder Zazu Pitts(10) ablegen und sich auf seine tieferen Gefühle konzentrieren. Er begann, zum Thema Autorität zu arbeiten. Zum Beispiel sprach er über seine Erinnerung an die Nonnen in der Pfarrschule und wie er ihnen für die gelegentlichen Zurechtweisungen mit Linealschlägen grollte. Und er kam auf seine desinteressierten Vorgesetzten beim sozialen Dienst, die sich um organisatorische und bürokratische Fragen kümmerten statt um eine bessere Betreuung der schwangeren Teenager.

Über die Arbeit an den strafenden Nonnen und den vernachlässigenden Vorgesetzten kam Ron auf seinen Vater und seine Mutter. Ron war in Fall River in Massachussetts auf die Welt gekommen und aufgewachsen. Seine Eltern waren gläubige Katholiken. Trotz seines wilden Lebens in New York hatte er ihnen nie von seiner Homosexualität erzählt, denn er war sicher, dass sie ihn mit ihrer strengen und kleinstädtisch engen Weitsicht ablehnen würden. In der Gruppe spielte er in einem Rollenspiel, wie er ihnen sagte, schwul zu sein. Dabei konnte er sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie diese Mitteilung hinnehmen und irgendwie richtig einordnen könnten. Aber mitten im Spiel fiel ihm ein, dass ein Bruder seiner Mutter mit seinem "Freund" zusammenlebte und dennoch akzeptiert wurde. Und ihm fiel ein Cousin väterlicherseits ein, der Florist war und mit einem Frisör zusammenlebte, ohne dass je ein Wort darüber verloren wurde. Unter diesen Umständen könnte er vielleicht doch zu seinen Eltern ehrlich sein.

Bei der nächsten Sitzung berichtete Ron stolz, er hätte gleich einen Tag später seine Mutter angerufen und ihr gesagt, dass er schwul ist. Sie hätte geweint, aber beteuert, dass sie ihn weiterlieben werde, was auch immer er sei, und auch wenn sie nicht gerade beglückt sei, würde sie ihm sehr wünschen, dass er damit glücklich werde. Ron war erstaunt und erleichtert und nahm sich vor, in zwei Wochen beim nächsten Besuch anlässlich des Erntedanktags mit seinem Vater zu reden.

Als Ron aus Fall River zurückkam, strahlte er. Er meinte, seine Mutter müsse seinen Vater schon heimlich darauf vorbereitet haben. Jedenfalls hatte sein Vater die Neuigkeit mit Fassung aufgenommen. Er hatte nicht geweint, sondern ihm Glück gewünscht und versichert, dass er ihn weiter als seinen Sohn betrachte und liebe. Er sei auch nicht wegen Einzelheiten aus seinem schwulen Leben in New York bedrängt worden. Ron zweifelte noch, ob nun, da er alles offen gemacht hatte, das Thema für immer vom Tisch sei so wie bei seinem Onkel und seinem Cousin. Aber er war stolz, dass er nun nie wieder Fragen nach Freundinnen, Verabredungen und Heiratsmöglichkeiten zu ertragen habe. Er fand es viel entspannter, nun nicht mehr lügen zu müssen. Er fühlte sich jetzt kräftiger und wirkte trotz seiner Schlankheit auch kräftiger, weniger jungenhaft und erwachsener geworden.

Rons Arbeit in der Gruppe und ihre Wirkung bei den Eltern ermutigte zwei andere Gruppenmitglieder, dasselbe mit ihren Eltern zu unternehmen. Als Weihnachten nahte, freute sich die ganze Gruppe, dass schon drei von ihnen, mit Ron an der Spitze, ihre Eltern in ihre Homosexualität eingeweiht hatten. Sonst ist Weihnachten oft eine sehr bedrückende Zeit für Klienten. Sie fahren zu ihrer Familie heim und spielen all die schmerzvollen Muster, die nie aufgelöst werden konnten, abermals mit. Für schwule Klienten kann es besonders schwierig sein, wenn sie an solchen Festtagen ihren gegenwärtigen Freund nicht in den Familienkreis mitbringen können. Dieses Mal lag aber auf Weihnachten kein solcher Schatten, sondern die Gruppe brach, dank Rons Initiative, guter Dinge auf. Ich dachte daran, wie schwer es einst mir selbst gefallen war, auf meine verwitwete Mutter zuzugehen, und war über die Entwicklung in der Gruppe ganz beglückt.

Ron hatte also geschafft, was für viele homosexuelle Männer und Frauen überaus ängstigend und schmerzvoll sein kann: er hatte seinen Eltern, seinen Erzeugern, gestanden, dass er sie nicht zu Großeltern machen würde, dass er zu einer verhassten Minderheit gehöre, und dass er vorhabe, sein Leben in einer verachteten Subkultur mit Würde und Stolz zu leben. Die Möglichkeit, seinen Eltern einen Freund vorzustellen, hatte er noch nicht angesprochen. So weit war er für sich selbst noch nicht, und die weiteren Konsequenzen aus seinem Schwulsein wollte er seinen Eltern später noch beibringen, irgendwann einmal.

Jetzt wollte Ron sich erst einmal selber beibringen, wie er einen festen Partner fände. Er brachte in der Gruppe seine Abenteuer mit Verabredungen ein. Obwohl er weiterhin einen großen Teil seiner Zeit in den trucks und Saunen zubrachte, achtete er jetzt genauer auf das, was geschah, wenn auf ihn Männer mit ernsthaften Absichten zukamen. Ron war schlank und hübsch und mit seinem jungenhaften Lachen und seiner fröhlichen Art sehr begehrt. Liebhaber zu finden fiel ihm nicht schwer. Jede Woche konnte er vom neuesten Stand seiner Romanzen erzählen, aber länger als eine oder zwei Wochen dauerte ohnehin keine. Erst erzählte er immer, wie fantastisch dieser neue Mann sei, wie attraktiv, welchen tollen Körper er habe und wie unglaublich der Sex mit ihm sei. Aber schon beim nächsten Gruppentreffen hatte er das Interesse an ihm verloren. Milton war zu geizig und zu ordentlich. Paul war zu verschwenderisch und nahm zu viel Drogen. Harold wollte nur der Dominante sein und sich von Ron nicht bumsen lassen.

Allmählich wurde Ron klar, dass Milton, Paul, Harold und all die andern zwar ihre Fehler hatten, aber dass da noch etwas anderes in ihm ablief, weswegen er sie leichterhand fallen ließ. Er entdeckte, dass er bei jeder Affäre spätestens nach drei Wochen Angst bekam. Er hatte zwar geglaubt, er wäre über das Schuldgefühl wegen seines Schwulseins und eines Freundes hinaus, aber offenbar gelang es ihm nicht, über längere Zeit einem Mann wirklich nahe zu sein.

Als ich mit meiner psychotherapeutischen Praxis begann, war ich von schwulen Klienten wie Ron, die viele sexuelle Abenteuer mit verschiedenen Männern anscheinend genossen, ganz beeindruckt. Ich nahm an, dass bei ihnen im Unterschied zu mir keine Erbschaft von Scham und Schuld auf dem Sexualverhalten lag. Ich beneidete sie darum, ohne jüdische Mittelschichtsozialisation ihre homosexuellen Gefühle viel freier ausdrucken zu können. Mit der Zeit bemerkte ich, dass ich mich täuschte. Meine Scham- und Schuldgefühle waren mir unmittelbar an der Oberfläche gegenwärtig. Bei Ron und anderen waren die Gefühle von Demütigung, Abscheu, Scham, Angst und Schuld jedoch nur tiefer verborgen. Ron und die andern hatten für negative Einstellungen zum Schwulsein keine Sprache, sondern konnten sie nur durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen.

Ron hatte nicht einen unstillbaren Hunger nach immer neuen sexuellen Erfahrungen, sondern er konnte es bloß nicht aushalten, sich öffentlich in einer Paarbeziehung sehen zu lassen. Bei seinen anonymen Abenteuern wusste niemand, was vor sich ging, wen er geangelt hatte und was sie miteinander trieben; jenseits des Betts blieb er mit seinen Partnern ohne jede soziale Verbindung. Mit seinen Freunden konnte er durchaus offen schwul auftreten, aber das war etwas anderes, als wenn er als Teil einer etablierten Zweiheit sichtbar würde. Nun, nachdem er das Coming-out bei seinen Eltern geschafft hatte, machte ihm der Gedanke an einen sichtbaren festen Partner nichts mehr aus. Er fühlte sich frei, es mit einem Partner für länger als drei Wochen auszuprobieren.

Allmählich dauerten Rons Beziehungen länger. Die mit Les hielt sechs Wochen, ein Rekord. Les war zwölf Jahre älter als Ron, arbeitete in der Werbebranche und hatte eine eigene Hütte am Strand von Cherry Grove auf Fire Island. Anfangs genoss Ron Les' Stellung als erfolgreicher Geschäftsmann, sein Strandhaus und seine Einladungen in teure Restaurants. Jedoch Les war immer noch sehr mit seinem bisherigen Partner verbunden, sprach täglich mit ihm und hatte auch weiterhin Sex mit ihm. Ron entdeckte, dass er eifersüchtig wurde und es nicht aushielt, dass Les über seine fortgesetzten Kontakte zu seinem Ex-Freund log.

Dann begann Ron eine Beziehung mit Jules, einem hübschen 23-jährigen Jungen. Sie gingen zusammen in Studio 54, Limelight und Anvil(11) und tanzten auf den verschiedensten Drogen die Nächte durch. Jules besaß ein Tambourin und schlug es einmal mit der flachen Hand so heftig, dass sie am nächsten Tag blau und schwarz anlief. Zwei Monate lang zogen Ron und Jules durch die Discos, tanzten bis zum Umfallen und schliefen dann, einer im Arm des andern, ihren schweren Rausch wieder aus. Ihr Sexualleben war eher mäßig; ihre Energien gingen vor allen in Drogen und Tanz. Eines Morgens schließlich wachte Ron auf und stellte nüchtern fest: "Ich bin es müde. Es macht mir keinen Spaß mehr. Ich will damit aufhören." Jules konnte Ron überhaupt nicht verstehen, packte sein Tambourin ein und ging.

Kurz danach begegnete Ron einem 35 Jahre alten Rechtsanwalt, Mel, der mit einem anderen Rechtsanwalt aus Rons Therapiegruppe befreundet war. Ihre Beziehung dauerte sechs Monate. Ron überlegte, "mit Mel und seinem dicken jüdischen Schwanz zusammenzuziehen". Zum ersten Mal im Leben war Ron verliebt, dachte ans Treusein. Das war schwer für ihn, denn er hatte an anonymen Abenteuern immer noch Spaß. Deswegen sagte er sich anfangs auch, er könne ja beides haben, sowohl Mel als auch die Darkroom-Abenteuer nebenher. Aber als ihm Mel andeutete, dass auch er nebenbei kleine Abenteuer hatte, fand Ron dies schlimm. Er begriff, dass er eifersüchtiger war, als er eigentlich wahrhaben wollte, und dass er daraus sogar die Konsequenz ziehen könnte, seine sexuellen Gelüste einzuschränken. Bevor sieh Ron jedoch zum Treusein entschließen konnte, teilte ihm Mel mit, dass er bei einem seiner Erlebnisse einen Sänger getroffen und sich in ihn verliebt hätte, und dass er sich nun von Ron trennen wollte. Ron war nicht am Boden zerstört, sondern sogar ein bisschen erleichtert, denn dass er so eifersüchtig werden und ihm ein Mann wie Mel so wichtig werden konnte, hatte ihn doch ziemlich beunruhigt. Aber wie dem auch sei, Ron hatte bei dieser Affäre mit Mel eine Schwelle überschritten: Er hatte sich verliebt, und er war mehr als sechs Monate in einer Beziehung geblieben.

Ich freute mich sehr über Rons therapeutische Erfolge. Er hatte seine Eltern über sein Schwulsein aufgeklärt und sich daran gemacht, seinen Beziehungen mit Männern Tiefe zu geben. Er nahm zwar noch Drogen und hatte auch weiterhin Abenteuer, aber er hatte Eifersucht kennengelernt und einen Geschmack davon bekommen, was es heißen kann, sich auf einen einzigen Mann einzulassen.

Nun wandte sich Ron seinem Berufsleben zu. Dabei stand für ihn, auch wenn er gerne gut lebte, der Geldverdienst nicht im Mittelpunkt. Er war sich einfach nicht im Klaren, was er genau wollte. Klar war nur, dass er an seiner Arbeit Freude haben wollte. In einer Sitzung meinte er, am meisten Vergnügen hätte er vielleicht als Handtuch-Boy in einer schwulen Sauna. Alle lachten und fragten, ob ihm denn noch irgendwelche anderen Arbeiten Spaß machten. Das wusste er nicht so recht. In der Woche darauf sprach er verschiedene Möglichkeiten durch. Es sollte etwas mit Kunst zu tun haben, allerdings fand er sein Talent für einen Künstler nicht genug, und auf eine Schule wollte er auch nicht noch einmal gehen. In der Werbung war ihm der Leistungsdruck zu groß; bei Les hatte er ja erlebt, dass er oft noch spätabends und am Wochenende zu tun hatte. Also wollte er nicht Direktor einer Werbeagentur werden. Dann fiel ihm ein, dass er einmal einem befreundeten Grafiker ausgeholfen habe, als dessen Assistent krank war. Nun ließ er sich von ihm die grundlegenden Techniken zeigen, die es in jener Zeit vor dem Computer gab, arbeitete mehrere Abende für ihn, lernte viel über Grafikdesign und fasste zuletzt den Beschluss, Grafikdesigner werden zu wollen.

Ron war überrascht, wie erwachsen er dabei vorging. Von seinen Einkünften beim sozialen Dienst konnte er, wenn auch mit Mühe, ein wenig zur Seite legen. Außerdem sparte er Ausgaben ein, indem er zeitweilig keine Drogen mehr kaufte und überdies zu seiner Überraschung feststellte, dass sie ihm gar nicht fehlten. Mit diesen Rücklagen traute er sich, seine Stelle zu kündigen. Seine Dienststelle bedauerte sehr, ihn zu verlieren, und die Mädchen gaben ihm eine wilde Abschiedsparty. Dort erfuhr er übrigens, dass einige Mädchen schon vermutet hatten, dass er schwul war, und dass sie ihn als einen, der keine Frauen missbraucht, um so mehr mochten. Mit seinem gesparten Geld nahm er eine unterbezahlte Stelle an, bei der er das Nötige lernen konnte, und war vier Monate später zum nächsten Schritt bereit. Jetzt war er in der Lage, sich sein Leben als Grafikdesigner selbst zu verdienen. Mit Hilfe der Leute, für die er zuletzt gearbeitet hatte und die ihn und seine Arbeit sehr schätzten, machte er sich selbständig.

Dies war im Herbst 1981, einem bitteren Moment für schwule Männer. Es war der Beginn der Aidsepidemie, auch wenn das damals noch keiner von uns wusste. Ein Mitglied aus Rons Gruppe war im Sommer bereits an Lungenentzündung gestorben. Wir hatten nicht gewusst, wie wir zu dieser Krankheit stehen sollten, die von der Presse zunächst GRID, Abwehrschwäche bei Schwulen,(12) genannt wurde. Die meisten von uns hatten kaum eine Vorstellung von unserem Immunsystem und brachten es mit der Abwehr von Erkältungen in Verbindung. Wir lernten dazu.

Als die Erkrankung auch bei Drogenabhängigen, Blutern und Haitianern auftauchte, ließ man das Attribut "bei Schwulen" weg. Warum gerade diese vier Gruppen betroffen waren, wusste niemand. Als neuen Namen für die Krankheit führte man AIDS(13) ein, also erworbene Immunschwäche, und ARC(14) als die Vorstufe dazu. Zu ARC gehörten Nachtschweiß, Mandelschwellungen, Lymphknotenentzündungen, Gewichtsverlust, Mundschleimhautentzündungen, andere opportunistische Infektionen(15) wie Toxoplasmose, außerdem eine Verringerung der T-Zellen.(16) Wir wurden alle zu "Studenten" der Medizin, als wir die entsetzlichen Geschichten von Freunden und Bekannten hörten, die plötzlich erkrankten.

Einer von ihnen war Ron. Er hatte von einem schwulen Arzt für Geschlechtskrankheiten erfahren, dass seine Lymphknoten geschwollen waren und dass die T-Zell-Werte eine Schwächung seines Immunsystems anzeigten.

In diesem Augenblick entschloss sich Ron auch zu Einzeltherapie. Er konnte sich das volle Stundenhonorar nicht leisten, aber ich war mit einem reduzierten Satz einverstanden. Als später die Erkrankung fortschritt und er nicht mehr voll arbeiten konnte, sah ich ihn weiter ganz ohne Bezahlung. So groß wie nun das Thema geworden war, mit dem sich Ron auseinandersetzen musste, nämlich nicht weniger als Leben und Tod, wollte ich ohne Rücksicht auf seine Zahlungsfähigkeit weiter für ihn da sein.

In den Einzelsitzungen bewahrte Ron seine Lebenskunst. Ich war tief gerührt, wie gut er auch noch mit so angeschlagener Gesundheit sein Leben hinbekam. Nie klagte er. Nie griff er jemanden an, ausgenommen die amerikanische Regierung, weil sie der Epidemie nicht genug Beachtung schenkte. Und damit hatte er natürlich recht, denn Präsident Reagan hatte Aids niemals öffentlich erwähnt und gab auch nur zögernd Gelder für Forschung und Information.

Rons Gesundheitszustand war anfangs noch ziemlich gut, aber wir wussten beide, dass es keine Heilung gab. Zwar hofften wir, dass er vielleicht noch rechtzeitig in den Genuss neu gefundener Medikamente kommen könnte. Aber wir wussten nicht genau, ob wir damit vielleicht nur den Ernst der Lage leugneten.

Ich fand unsere Sitzungen sehr schmerzhaft. Nie zuvor hatte ich mit einem sterbenden Klienten gearbeitet. Gewiss lag Ron zu dieser Zeit noch nicht im Sterben, aber über unseren Sitzungen hing doch schon sein Tod wie ein Damoklesschwert. Ich war auch wegen seines jungen Alters fassungslos. Als Mann mit dreißig Jahren hätte Ron noch vierzig Jahre länger zu leben gehabt, und seine Arbeit in der Therapie gab allen Anlass zu der Erwartung, dass sein weiteres Leben finanziell und emotional sehr erfüllend werden könnte. Den Termin mit Ron hatte ich glücklicherweise vor einen chronisch zu spät kommenden Klienten gelegt. Jener verspätete sich aus allen nur erdenklichen Gründen; gewöhnlich versäumte er mindestens die erste Viertelstunde seiner Sitzung. Ich hätte meinen Stundenplan, wäre es Absicht gewesen, gar nicht besser einrichten können. Jede Sitzung mit Ron erschütterte mich zutiefst. Ich hatte die fünfzehn Minuten dringend nötig, um wieder einigermaßen zu mir zu kommen und meine Arbeit fortführen zu können. Diese Zeit ließ mir mein verspäteter Klient, und wenn er eintraf, war ich so weit, dass ich mit ihm arbeiten konnte.

Ron war der erste Aidspatient, mit dem ich arbeitete. Erst im Laufe der Jahre gewann ich mehr Stärke zur Arbeit mit sterbenden Männern hinzu. Zwar war ich auch dann noch sehr betroffen, aber durch die vielen Todesfälle unter Freunden und früheren Partnern befiel uns alle allmählich eine gewisse Apathie. Im Laufe der Zeit wurde die Liste gestorbener Klienten immer länger.

Ron tat alles nur mögliche für seine Gesundheit. Er gab Drogen gänzlich auf. Er schluckte Vitamine, konsultierte chinesische Kräuterspezialisten und japanische Ernährungsexperten, beschaffte sich Medikamente aus Mexiko und besuchte Gruppenveranstaltungen mit Louise Hay.(17) Er fuhr auch fort mit der Suche nach dem Mann, mit dem er sein Leben teilen könnte. Aber auch wenn er seine Beziehungen nicht mehr selber auf zwei oder drei Wochen beschränkte, waren die Chancen zu einer erfolgreichen Beziehung für ihn als HIV-positiven Mann doch begrenzt. Trotzdem, er bemühte sich weiter. Er hatte Beziehungen, die reich und lohnend und letztlich erfolgreich waren. Zwei Partner aus dieser Zeit kümmerten sich um ihn treu bis zum Ende.

Zwei Jahre nach der Diagnose bekam Ron zwei kleine rote Flecken, Zeichen des Kaposisarkoms.(18) Nun war er zum Patienten mit Aids im Vollbild avanciert. Sein allgemeiner Gesundheitszustand war immer noch gut, seine Konstitution war stark, und er achtete gut auf sich. Er ging weiter seiner Arbeit nach, und wenn er Erholungspausen brauchte, hatten seine Kunden viel Verständnis für ihn.

Leider wurde kein Heilmittel gefunden. Rons Gesundheit verschlechterte sich schließlich doch. Seine T-Zellen wurden immer weniger, die Kaposiflecken wurden immer mehr, er verlor an Gewicht. Als er mit Zytomegalie(19) ins Bellevue-Hospital musste, beschlossen wir in der Gruppe, die Sitzungen zu ihm ins Krankenzimmer zu verlegen. Viermal trafen wir uns bei ihm, und er war uns für unsere Treue sehr dankbar. Als er wieder genügend bei Kräften war, kam er wieder zu den Sitzungen zu mir in die Praxis. Dann musste er zum zweiten Mal ins Krankenhaus, und wir machten zwei weitere Gruppensitzungen bei ihm im Krankenzimmer. Danach ging er aus der Gruppe, blieb aber mein Einzelklient. Viele Mitglieder aus der Gruppe riefen ihn dann noch an oder besuchten ihn.

Ron verbrachte immer mehr Zeit im Krankenhaus. Ich rief ihn an und besuchte ihn mehrmals. Ich erfuhr, dass er jedesmal für einen Besuch von mir Kräfte sammelte, um mir ein etwas kräftigeres Bild von sich zeigen zu können. Ich war erneut tief bewegt, wie sehr er für mich seine gesunden Seiten betonte.

Zu dieser Zeit organisierte ich mit Freunden eine Benefizveranstaltung zugunsten des schwulen Gesundheitsdienstes GMHC(20) in meiner Wohnung. Essen und Service wurden gespendet, und wir konnten an diesem Abend zehntausend Dollar einnehmen. Weil Rons Eltern bei ihm gerade zu Besuch waren, nahm er sie zum Benefiz zu mir mit und machte sie stolz mit mir bekannt. Sie waren nette Leute und wussten nur nicht so recht, was sie mit Ron und dem Benefiz anfangen sollten. Ich sagte ihnen, wie große Stücke ich auf Ron hielt, und sie sagten mir, wie sehr er die Therapie schätze.

Nicht lange danach starb Ron. Ich hatte ihn am Tag zuvor noch einmal im Krankenhaus besucht. Ich war zusammen mit einem anderen Mitglied aus der Therapiegruppe bei ihm. Ron war sehr mager. Er war an intravenöse Schläuche angeschlossen und lag unter einem Sauerstoffzelt. Er war nicht bei Bewusstsein. Einen Moment jedoch öffnete er die Augen, rollte sie wild und schloss sie dann wieder. Wir warteten noch zwanzig oder dreißig Minuten, grüßten seine Eltern in der Halle und gingen dann. Draußen schossen uns die Tränen in die Augen und wir fielen uns in die Arme. Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf, dass er im Schlaf gestorben sei.

Noch heute, sechs Jahre später, bin ich beim Niederschreiben traurig, und mir kommen die Tränen. Ich denke gern an seine Fröhlichkeit und seine jungenhafte Begeisterung zurück. Ich vermisse ihn.


ANMERKUNGEN

1) "Schrankschwester" heißt ein Mann mit unterdrückten oder versteckten "homophilen Neigungen", aus denen sich nach dem Coming-out oft eine florierende homosexuelle Lebensweise entwickelt. Literarisches Beispiel: Gustav Aschenbach im "Der Tod in Venedig".

2) Das Ehepaar Clyde und Florence Kluckhohn lehrte Sozialanthropologie an der Harvard Universität.

3) Drag Queen: Schwule, die sich bei passender Gelegenheit mit alles überbietenden, weiblichen Verkleidungen hervortun. Frauenkleidung an Männern nennt man auch Fummel.

4) Deutscher Titel: Ein Käfig voller Narren. Frankreich 1978, Regie: Edouard Molinaro.

5) "tucken" oder "herumtucken" nennt man den beliebten verbalen Mannschaftssport von schwulen Mäd... Verzeihung, Männern, die sich in pausenloser geistreicher Ironie überbieten und das vermeintliche Zerrbild vom Schwulen in selbstironischer Übersteigerung uraufführen. Im harmlosesten Falle albern, bei geübten Ätztucken aber auch zu gediegenem Sarkasmus kultiviert. "Tucke" heißen alle Schwulen, die gut herumtucken können, aber da dies, außer bei Schrankschwestern, letztlich nur eine Frage der Gelegenheit ist, nennen manche Schwule alle Schwulen "Tucke".

6) "cruisen": alleine durch einschlägige Straßen flanieren, Grünanlagen oder Rastplätze spazieren, schwule Saunen oder Kneipen ziehen, etc., um einen Traumprinzen anzumachen und für die Nacht abzuschleppen.

7) Stonewall: Name einer von Schwulen und besonders Transvestiten besuchten Bar in der Christopher Street im Greenwich Village in New York. 1969 bei einer der wiederholten schikanösen Polizeikontrollen platzte den Besuchern der Kragen, sie gingen hinaus auf die Straße und sperrten die Polizeibesatzung ins Haus. In den Tagen danach kam es zu weiteren spontanen Demonstrationen von Schwulen in den Straßen von New York und anderen Städten. Die Parole hieß "Out of the closets!", also "Heraus aus dem Versteck im Schrank!" Die Gay Liberation kam in Gang und setzte sich wenig später auch in Deutschland in der Schwulenemanzipation fort. Heutzutage findet in Erinnerung an diese Ereignisse in allen großen europäischen Städten Ende Juni der CSD oder Christopher Street Day, eine Art schwuler Sommerkarneval mit hunderttausenden von Teilnehmern, statt.

8) Trucks sind die großen Lastzüge für Ferntransporte. In den Trucks, die am Hafengelände parkten, cruisten junge Männer und machten an Ort und Stelle anonymen Sex.

9) Fleischmarkt: Hier speziell das allsommerliche 24-Stunden-Cruising auf der Strandpromenade und im Buschgelände mit verzweigten Trampelpfaden auf Fire Island.

10) Billie Burke, Frau von Florenz Ziegfeld, ging nach seinem Tode wieder ans Theater und zum Film und spielte immer die Rolle einer älteren, kopflosen, verrückten, albernen, lustigen Dame. Zazu Pitts spielte die gleichen Rollen wie Billie Burke. In jüngeren Jahren hatte sie bei Stummfilmen auch in ernsthaften Rollen mitgewirkt.

11) Studio 54, Anvil: legendäre New Yorker Orte zum Tanzen, Cruisen und (in der Zeit vor Aids) Sex auf der Stelle.

12) GRID: gay related immune deficiency. Vorläufige, von Medizinern deskriptiv gemeinte Bezeichnung in der Anfangszeit der ersten Aidsfälle, solange diese nur unter Schwulen auftraten und keiner bekannten Krankheit zugeordnet werden konnten. Von der Presse rasch mit abwertendem Beiklang gebraucht.

13) AIDS: acquired immune deficiency syndrome. Spätere, patienten-neutrale Bezeichnung für dieselben Krankheitserscheinungen. Dieser Begriff wird zugleich eingeschränkt auf die letzte Phase einer HIV-Infektion, das manifeste Vollbild mit schweren Krankheitserscheinungen. Dagegen ist die erste Phase einer Infektion mit dem HIV (= human immunodeficiency virus) frei von Symptomen und kann bis zu zehn Jahren währen. Die zweite Phase des Übergangs zum Vollbild AIDS wird manchmal ARG (aids related complex) genannt; sie ist durch vielfältige, schwere, aber kurierbare Erkrankungen gekennzeichnet. Weitere Informationen bieten z. B. die Broschüren der Deutschen Aidshilfe (Berlin).

14) vgl. Anm. 13.

15) Opportunistische Infektionen sind typische Zweiterkrankungen, die sich auf der Grundlage einer aidsbedingten Abwehrschwäche einstellen können, z. B. eine Pilzerkrankung der Lunge (Pneumocystis carinii), eine Gehirnentzündung (Zytomegalie) oder auch eine Tuberkulose.

16) T-Zellen bzw. T-Helferzellen: spezieller Bestandteil des menschlichen Abwehrsystem. Ihr HIV-bedingtes Abnehmen kann als Gradmesser für die Krankheitsentwicklung und -prognose benutzt werden.

17) Louise Hay: Charismatische "Heilerin" bzw. "Ermutigerin", die vor allem in Kalifornien mit Massenveranstaltungen unter Aidskranken berühmt wurde. Zahlreiche Bücher und Kassetten, auch in deutscher Sprache.

18) Kaposisarkom: spezieller Hautkrebs als eine der indirekten Folgen von HIV. Heutzutage durch neuentwickelte Medikamente wieder seltener.

19) Zytomegalie: Gehirnentzündung. Spezielle Komplikation bei HIV-Infektion. Gefürchtet, da oft mit dem Verlust der Persönlichkeit verbunden.

20) GMHC: Gay Men's Health Crisis, ursprünglich nur in New York. Älteste und erfahrenste schwule Organisation zur gesundheitlichen Vor- und Nachsorge mit festangestellten Mitarbeitern und hunderten unbezahlter Freiwilliger.


Daniel Rosenblatt
Gestalttherapie für Einsteiger
Eine Anleitung zur Selbstentdeckung

Herausgegeben und mit Beiträgen von Anke und Erhard Doubrawa
Gemeinsam veröffentlicht von Peter Hammer Verlag und Gestalt-Institut Köln
Aus dem Amerikanischen von Marein von der Osten-Sacken

250 Seiten, 14,90 Euro
Bestellanschrift: Gestalt-Institut Köln GIK, Rurstr. 9, 50937 Köln,
Fax. 0221-447652, eMail: gik-gestalttherapie@gmx.de
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INHALT

Anke und Erhard Doubrawa: Zum Geleit
Erhard Doubrawa: Brief an Dan

Gestalttherapie für Einsteiger:
Eine Anleitung zur Selbstentdeckung

Zur deutschen Ausgabe 1995 • Einleitung • Hier und Jetzt • Wie alles zusammenpasst • Lernen, ich selbst zu sein
• nicht, wie ich sein sollte • Was ich über mich lernen kann, wenn ich mich ärgere und andere beschuldige
• Wie ich vermeiden kann, mich gegen mich und meinen Körper zu wenden • Und jetzt? • Noch einmal

Erzählte Gestalttherapie: Praxisberichte

Erzählte Geschichte der Gestalttherapie:
Daniel Rosenblatt im Gespräch mit Anna und Milan Sreckovic

- Daniel Rosenblatt 1925-2009
- Erhard Doubrawa: Gestalttherapie
- Einen Gestalttherapeuten finden
- Quellenangaben
- Literaturempfehlungen
- Anmerkungen


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Quelle:
Gestaltkritik - Zeitschrift für Gestalttherapie Nr. 1/2010
Dezember 2009, 19. Jahrgang, Seite 7 - 13
Redaktionsanschrift: Gestalt-Institut Köln
Rurstraße 9, Eingang Heimbacher Straße (Nähe Uniklinik), 50937 Köln
Telefon: 0221 - 41 61 63, Fax: 0221 - 44 76 52
E-Mail: gik-gestalttherapie@gmx.de
Internet: www.gestalt.de

Gestaltkritik erscheint halbjährlich.
Das Einzelheft kostet 4,80 Euro. Die Lieferung ist versandkostenfrei.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2010