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FORSCHUNG/116: Der Ton macht die Musik - wie sich die Sprachmelodie im Gehirn zeigt (idw)


Universitätsklinikum Tübingen - 14.05.2009

Der Ton macht die Musik

Wie sich die Sprachmelodie im Gehirn zeigt


Dr. Thomas Ethofer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen konnte mittels Analysen von Hirnaktivierungsmustern zeigen, dass es möglich ist zu bestimmen, ob eine Person gerade Worte gehört hat, die in fröhlicher, ärgerlicher, erleichterter oder trauriger Sprachmelodie gesprochen wurden. Über diese, in Kooperation mit der Universität Genf entstandene Entdeckung wird am 14. Mai in der Zeitschrift Current Biology berichtet. Es ist die erste Forschungsarbeit, die zeigen konnte, dass emotionale Information durch spezifische räumliche Aktivierungsmuster im Gehirn repräsentiert sind.

Im täglichen Miteinander, wie z. B. am Telefon, spielt die korrekte Interpretation der Sprachmelodie eine zentrale Rolle, vor allem wenn keine visuelle Information zur Verfügung steht. Frühere Bildgebungsstudien konnten belegen, dass stimmsensitive Areale der Hörrinde stärker auf emotionale als auf neutrale Reize ansprechen. Jedoch ist dieser Zuwachs für alle Emotionen nahezu gleich, so dass es unmöglich ist anhand dieses Aktivitätsanstiegs mit konventionellen Analysen eine spezifische Emotion zu identifizieren.

In der aktuell publizierten Studie wurden den Probanden während der funktionellen Kernspinuntersuchung Pseudoworte ("Ne kalibam sut molem") vorgespielt, die entweder in fröhlichen, ärgerlichen, neutralen, erleichterten oder traurigen Tonfall gesprochen wurden. Danach wurde die gemessene Aktivierung der Hörrinde mittels Mustererkennungsanalysen ausgewertet.

"Während konventionelle Methoden jeden Punkt im Gehirn isoliert betrachten, verfolgten wir einen Ansatz, der das gesamte Aktivierungsmuster mit einbezieht. Man kann sich das in etwa so vorstellen: Sitzt man vor einem Puzzle aus schwarzen und weissen Teilen kann man kaum entscheiden, ob sie zu einem Zebra oder einem Schachbrett gehören. Setzt man die Teile jedoch korrekt zusammen, ist dies relativ einfach möglich" erklärt Dr. Ethofer. Tatsächlich konnte in der Studie gezeigt werden, dass jede Emotion gegen alle anderen Alternativen erfolgreich abgegrenzt werden kann.

Das erfolgreiche Erkennen von Emotionen in der Stimme ist für ein gesundes Sozialleben immens wichtig und bei einer Reihe von psychiatrischen Erkrankungen beeinträchtigt. So gibt es spezifische Defizite beim Erkennen von Ärger und Traurigkeit bei Schizophrenie, Furcht und Überraschung bei Patienten mit bipolarer Störung und Überraschung bei Depression. Künftige Studien könnten ähnliche Ansätze wie in der aktuellen Studie verfolgen, um zu untersuchen, ob diese Defizite auf beeinträchtigte Aktivitätsmuster der Hörrinde zurückzuführen sind, oder ob sie auf einer Störung von frontalen Hirnarealen beruhen, die dann zu einer fehlgeleiteten Beurteilung führen.


Titel der Originalpublikation
Decoding of Emotional Information in Voice-Sensitive cortices
Current Biology 19, 1-6
Thomas Ethofer, Dimitri Van De Ville, Klaus Scherer, Patrik Vuilleumier

Ansprechpartner für nähere Informationen:
Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. Thomas Ethofer, Assistenzarzt
Osianderstrasse 24, 72076 Tübingen
Thomas.Ethofer@med.uni-tuebingen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 14.05.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2009