Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → PSYCHIATRIE

FORSCHUNG/159: Kontrolle der Angst entschlüsselt (HZM)


Helmholtz Zentrum München - 02.09.2011
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

Kontrolle der Angst entschlüsselt


Neuherberg, 02.09.2011. Corticotropin-releasing Hormon (CRH)* kann Angst nicht nur verstärken, sondern auch verringern - das ist das überraschende Ergebnis der Klinischen Kooperationsgruppe Molekulare Neurogenetik des Helmholtz Zentrum München und des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Je nachdem in welchem Bereich des Gehirns das Hormon ausgeschüttet wird, wird einer dieser zwei gegenläufigen neuronalen Regelkreise aktiviert. Mit denen in Science Express veröffentlichten Erkenntnissen hoffen die Forscher bisherige Therapien von Angststörungen und Depressionen, die oft nicht effektiv sind, neu bewerten und verbessern zu können.

Angst ist eine überlebenswichtige Reaktion aller Menschen, die durch hormonelle Regelkreise gesteuert wird. Eine zentrale Rolle übernehmen dabei das Stresshormon CRH und sein Rezeptor CRHR1. Erstmalig hat die Klinische Kooperationsgruppe Molekulare Neurogenetik unter der Leitung von Dr. Jan Deussing (Max-Planck-Institut für Psychiatrie) und Prof. Dr. Wolfgang Wurst (Helmholtz Zentrum München) mit ihren Kollegen des MPI die gegensätzlichen Wirkungen von Angst erzeugenden und Angst lösenden Effekt durch das CRH/CRHR1 System gezeigt. In Regionen des Mittelhirns aktiviert, löst der Regelkreis eine Ausschüttung von Dopamin im Vorderhirn aus - das hat einen angstmindernden Effekt. Bisher war man lediglich von einem angstverstärkenden Effekt bei CRH ausgegangen.

Durch eine Überaktivität des Systems kann es zu einer Unausgeglichenheit des Emotionsverhaltens kommen, deswegen findet man bei vielen Patienten mit Angststörungen oder einer Depression erhöhte Mengen an CRH im Gehirn. "Das Ergebnis der Wissenschaftler macht es möglich, den Einsatz etwa von CRH-Rezeptor-Antagonisten** als angstlösendes oder antidepressives Medikament neu zu bewerten", sagt Dr. Jan Deussing vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie. Damit hoffen die Wissenschaftler zur Verbesserung von Therapien für Patienten mit Angststörungen oder Depression beizutragen.



Hintergrund

* Corticotropin-releasing Hormone (CRH): ist ein zentraler molekularer Faktor der Stressreaktion, welches im Gehirn ausgeschüttet wird und den Organismus in Alarmbereitschaft versetzt. Neben seiner Wirkung als hormoneller Botenstoff, steuert es im Gehirn durch Bindung an seine Rezeptoren auch die neuronale Aktivität von Nervenzellen. Bei Patienten mit Angststörung oder einer Depression ist der Gehalt an CRH im Gehirn oft erhöht.

** Rezeptor-Antagonisten: blockieren Andockstellen auf Rezeptoren. Als Medikament eingesetzt können Sie helfen von Botenstoffen (z.B. Hormone) ausgelöste Wirkungen aufzuheben.


Original-Publikation:
Refojo, D. et al. (2011).
Glutamatergic and Dopaminergic Neurons Mediate Anxiogenic and Anxiolytic Effects of CRHR1R,
Science Express
Link zur Fachpublikation:
http://www.sciencemag.org/content/early/2011/08/31/science.1202107

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 17 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 31.000 Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de


*


Quelle:
Helmholtz Zentrum München - 02.09.2011
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Redaktion: Heinz-Jörg Haury
Abteilung Kommunikation
Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
Tel.: 089/31 87-24 60
Email: presse@helmholtz-muenchen.de
Internet: www.helmholtz-muenchen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2011