Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → REPORT


BERICHT/024: E-CARDstopp - Alternativen human und wirtschaftlich ... (SB)


Ein geschütztes Vertrauensverhältnis ist mit dem e-Card-Projekt unvereinbar

Vortrag von Dr. med. Silke Lüder "Elektronische Gesundheit per Gesetz"

Treffen der Aktion "Stoppt die e-Card!" am 10. April 2015 in Hamburg


S. Lüder in Großaufnahme - Foto: © 2015 by Schattenblick

Silke Lüder
Foto: © 2015 by Schattenblick

Der "gläserne Mensch" steht bekanntlich metaphorisch für das hochsensible Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Informationen sind weder wertneutral oder interessenungebunden, ihre Zug um Zug mit dem Anwachsen informationstechnologischer Optionen qualifizierte Vernutzung nimmt im Instrumentarium politischer Herrschaftsmittel einen unverzichtbaren Platz ein. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde von einer kritischen Öffentlichkeit das systematische Erfassen, Sammeln, Abgleichen und Rastern einer möglichst umfangreichen Datenmenge als inakzeptables Mittel einer auf die Durchsetzung von Arbeitsdiktat und Konsumzwang wie auch von Verhaltens- und Gedankenkontrolle abzielenden staatlichen Überwachung abgelehnt und bekämpft.

Aus dem gläsernen Menschen wurde, als der Informationskrieg auch das Gesundheitssystem erfaßte, in Worten und Schriften der Kritiker der gläserne Patient. In den 1980er Jahren, als vermeintlich anonymisierte Volkszählungen bundesweite Initiativen und Kampagnen hervorriefen, hätte sich kaum jemand vorstellen können, wie problemlos es in einer gar nicht so fernen Zukunft von vielleicht 20, 30 Jahren möglich sein würde, ein bundesweites Informationsprojekt wie die elektronische Gesundheitskarte gesetzlich zu beschließen. Ein IT-Projekt, bei dem persönliche Daten inklusive sämtlicher Informationen über Erkrankungen und Behandlungen in eine bundesweite Telematik-Infrastruktur eingespeist werden, wäre als völlig unvereinbar mit den Grundwerten einer Gesellschaft, die höchste demokratische Qualitäten für sich in Anspruch nimmt, bewertet worden.

Daß die Umsetzung des e-Card-Projekts inklusive der Telematik-Infrastruktur im gesamten Gesundheitswesen inzwischen der ursprünglichen Planung weit hinterherhinkt, kann keineswegs zur - und sei es vorübergehenden - Beruhigung seiner Kritiker beitragen, besteht doch nicht der geringste Anlaß für die Annahme, daß die dominierenden gesellschaftlichen Interessengruppen, die dahinterstehend zu vermuten sind, auch nur um ein Jota von ihren Absichten abrücken würden. Auch die Bundesregierung scheint angesichts praktisch-technischer Umsetzungsschwierigkeiten, fundierter verfassungsrechtlicher Bedenken und fragwürdiger Kosten-Nutzen-Kalkulationen nur Antworten wie "weiter so" und "jetzt erst recht" zu kennen.

Im Januar wurde, von der breiten Öffentlichkeit bislang so gut wie unbeachtet, der Referentenentwurf für ein e-Health-Gesetz vorgestellt. Damit sollen nach Ansicht der Aktion Stoppt die e-Card [1] Voraussetzungen geschaffen werden, um Patienten und Ärzte, die sich dem medizinischen staatlichen Überwachungssystem auch zehn Jahre nach seiner geplanten Einführung nicht anschließen wollen, zur Mitarbeit bzw. Beteiligung zu zwingen. Es versteht sich von selbst, daß die Kritikerinnen und Kritiker, die dem e-Card-Projekt von der Stunde Null an durch Aufklärung, Agitation und Protest den Boden der gesellschaftlichen Akzeptanz zu entziehen suchen, sich auch damit auseinandergesetzt haben, und so war das geplante Gesetz ein zentrales Thema auf dem Aktionstreffen "Stoppt die e-Card!" am 10. April in Hamburg im Hotel Barceló.

Dr. med. Silke Lüder, Fachärztin für Allgemeinmedizin in Hamburg und Mitorganisatorin des Aktionsbündnisses (www.stoppt-die-e-card.de), erinnerte zum Einstieg in ihren Vortrag "Elektronische Gesundheit per Gesetz" daran, daß bei der e-Card, dem weltweit größten IT-Projekt aller Zeiten, ursprünglich sogar geplant war, die Gesundheitsdaten mit dem elektronischen Personalausweis und der Jobcard auf eine einzige Karte zu konzentrieren. Seit der Einführung dieses Projekts hätten die Gesundheitsminister immer unter Druck gestanden.

Kurz vor der Veröffentlichung des Referentenentwurfs des geplanten e-Health-Gesetzes habe Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in einem Gastkommentar in der F.A.Z. geschrieben, die e-Card sei ein Sportwagen, der in der Garage auf seinen Einsatz lauert, an dem er in den Augen des Ministers offenbar von den Kritikern gehindert werde. Gröhe sprach sich für Nulltoleranz ihnen gegenüber aus und erklärte, er hätte kein Verständnis dafür, daß Blockierer diesen großen Fortschritt ins digitale Zeitalter des Gesundheitswesens mit fadenscheinigen Argumenten aufhalten wollen. Deshalb enthalte das e-Health-Gesetz den einfachen Grundsatz: "Wer blockiert, zahlt." [2]

Beim e-Card-Projekt gehe es, wie Silke Lüder erläuterte, zunächst einmal darum, die Stammdaten der Patientinnen und Patienten auf dem Kartenchip online zu aktualisieren. Die Infrastruktur stehe bereits. Die "Zentrale Infrastruktur ARVATO 2014" wurde im vergangenen Jahr vom Bertelsmannkonzern aufgebaut, bei ARVATO stünden auch die Rechner. Das Problem sei, daß noch längst nicht alle Arztpraxen angeschlossen sind, sie sollen jetzt mit der Infrastruktur online verbunden werden. Wenn eine Karte ins Kartenlesegerät gesteckt wird, sollen die darauf gelesenen Daten an die Infrastruktur und die Krankenkasse gehen und von dort online auf den Kartenchip zurückgespiegelt werden. Dort sollen gegebenenfalls Änderungen - beispielsweise bei den Angaben zum Versichertenstatus (Schüler/Auszubildender), beim Zuzahlungsmodus oder der Mitgliedschaft in einem Hypertoniker-Programm etc. - vorgenommen werden.


Silke Lüder während ihres Vortrags - Foto: © 2015 by Schattenblick

Ohne e-Card und telematische Infrastruktur geht's besser
Foto: © 2015 by Schattenblick


Alternativen werfen Fragen nach den Absichten der e-Card-Betreiber auf

Silke Lüder, selbst praktizierende Allgemeinärztin mit langjähriger Berufserfahrung, beschrieb einige bereits bestehende Beispiele, wie die Verwaltung der Patientendaten zwischen Arztpraxis und Krankenkasse organisiert werden könnte, ohne daß dafür ein e-Card-System bzw. eine telematische Infrastruktur größten Ausmaßes erforderlich oder auch nur nutzversprechend wäre. Ein Beispiel ist die Verax-Liste, die es seit 2003 gibt. Offline bekommen die Arztpraxen einmal pro Monat beispielsweise von der Techniker-Krankenkasse eine CD zugeschickt mit Informationen darüber, welche Patientenkarten nicht mehr gültig sind. Das Problem bei der e-Card, bei der allein die Aktualisierung des Versichertenstammdatenmanagements einen großen Aufwand erfordert, ließe sich also erprobter- und bewährtermaßen recht einfach und ohne größere Kosten lösen. Die Technikerkasse würde auf diese Weise 40 Millionen Euro pro Jahr einsparen, so Lüder. Wenn also im Gesundheitswesen Kosten eingespart werden sollen, wie zur Rechtfertigung des e-Card-Projekts immer wieder angeführt wird, warum wurden dann nicht schon vor 10 Jahren alle Kassen verpflichtet, ein solches System einzuführen?

Ein anderes, von einzelnen Betriebskrankenkassen wie zum Beispiel Werra-Meissner entwickeltes Alternativprojekt sieht so aus, daß in Apotheken, direkt neben der Kasse, Computerterminals der Krankenkasse aufgestellt werden, um den Versicherten zu ermöglichen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzuscannen oder Anfragen an die Kasse zu richten. Die IKK Nord hätte in ihrer Kieler Geschäftsstelle eine Art Selbstbedienungskiosk entwickelt, was aus Ärzte- bzw. Patientensicht zumindest den Vorteil hätte, daß die sensiblen Praxisdaten nicht online mit dem großen Netz verbunden werden müssen. Wie in der Januarausgabe der Ärztezeitung berichtet, hätten einzelne Krankenkassen schon längst andere Lösungen gefunden, weil ihnen das e-Card- bzw. Telematikprojekt der Bundesregierung viel zu lange dauert und zu langsam vorangehe.

Ob diese Modelle aus Sicht der Patienten und Patientinnen immer und überall zu befürworten sind, sei allerdings eine andere Frage, doch auf jeden Fall zeigten Beispiele dieser Art, daß auf die bundesweite Vernetzung aller im Gesundheitsbereich tätigen Akteure und Institutionen gut und gerne verzichtet werden könne. Die Realität, so Silke Lüder, habe das eGK-Projekt bereits überholt. Auch in Frankreich gäbe es Apothekenterminals, über die die Patientendaten einmal pro Jahr aktualisiert werden, was sich als völlig ausreichend erwiesen habe. Müssen diese Beispiele nicht vermuten lassen, daß mit dem eGK-Projekt andere als die vorgegebenen Zwecke verfolgt werden könnten?

Vielfach wird auch behauptet, daß auf der e-Card verfügbar gehaltene Patientendaten aus medizinischen Gründen sinnvoll wären. Silke Lüder demonstrierte am Beispiel des Marcumar-Ausweises, wie wenig stichhaltig dieses Argument ist, haben sich doch in der ärztlichen Praxis längst einfache Lösungen bewährt. Etwa eine Million Menschen haben einen Marcumar-Ausweis. Es sind Patienten und Patientinnen, die, weil sie schon einmal Herzrhythmusstörungen oder Vorhofflimmern, eine Thrombose oder Lungenembolie hatten, ein Medikament - Marcumar - bekommen müssen, das ihr Blut flüssiger macht. Das Blut müsse sehr häufig kontrolliert werden, zunächst täglich, dann wöchentlich und später monatlich, was in hausärztlichen Praxen gerade auch bei älteren Patienten sehr häufig vorkomme und recht unkompliziert organisiert werde. Je nachdem, was bei der Blutanalyse herauskommt, wird in den Ausweis eingetragen, wieviele Tabletten an welchen Tagen genommen werden sollen. Sobald der Notfalldatensatz der e-Card da wäre, müßte in jeder Praxis bei jeder Tablettenänderung, auch wenn es nur eine halbe Tablette wäre, der gesamte Notfalldatensatz neu aufgestellt bzw. aktualisiert und mit einer elektronischen Signatur versehen werden, was, wie Silke Lüder klarstellte, einen so großen Arbeitsaufwand mit sich bringen würde, daß jede Hausarztpraxis allein daran kaputtgehen würde.


Was ist im Referentenentwurf für ein e-Health-Gesetz noch enthalten?

Sollte das e-Health-Gesetz kommen, so wie im Referentenentwurf vorgesehen, würden noch weitere Zusatzbelastungen auf die (Haus-) Ärzte zukommen. Über den Medikationsplan zum Beispiel sei in der Presse schon relativ viel berichtet worden. Damit ist gemeint, daß der Hausarzt für alle Patienten, die mindestens fünf Medikamente verordnet bekommen haben, einen Medikationsplan erstellt, was erst auf Papier und später elektronisch erfolgen solle. In diesen Plan sollen dann auch alle OTC-Medikamente eingetragen werden, die "over the counter" (rezeptfrei in der Apotheke) gekauft wurden, und alle von Fachärzten und Kliniken verschriebenen Fremdmedikamente. Auch sollen alle Hinweise zu Medizinprodukten vermerkt werden. All das soll in der Hausarztpraxis geleistet werden, ohne daß dafür eine gesonderte Vergütung vorgesehen sei. In der Erklärung zu dem Gesetz stünde, daß dafür nur eine Legende zu dieser Abrechnung erstellt werden müsse, was in der hausärztlichen Grundpauschale enthalten sei. Tatsächlich sei dies ein sehr aufwendiges Verfahren. In Praxen, in denen dies für einen Großteil der Patienten ohne Bezahlung geleistet werden müsse, werde das nicht machbar sein.

Als einen weiteren Punkt benannte die Referentin die Telemedizin, in ihren Augen ein "schönes neues Geschäftsfeld für die Industrie". Nicht jede telemedizinische Anwendung sei grundsätzlich falsch, so könne eine über große Entfernungen hinweg praktizierte Anwendung bei der Begutachtung von Röntgenbildern wie auch bei histologischen oder pathologischen Befunden durchaus sinnvoll sein. Zur Zeit gäbe es in der ärztlichen Musterberufsordnung noch das Verbot der reinen Fernbehandlung, was von Industrie und vielen Politikern als "mittelalterlich" bezeichnet wird. Für dieses Verbot sei vor wenigen Jahren auf dem deutschen Ärztetag noch gekämpft worden. Wie Silke Lüder ankündigte, werden "wir das auch weiterhin tun, weil wir der Meinung sind, daß diese Industralisierung der Medizin keine positive Entwicklung ist". Es sei eine utopische Vorstellung der Politik zu glauben, per Telemedizin ließe sich die drohende ländliche medizinische Unterversorgung verhindern. Bei den großen Volkskrankheiten (Diabetes, Herz- und Lungenkrankheiten), die die größten Kosten in der Medizin verursachen, böte die Telemedizin überhaupt keine Perspektiven.

Bestimmte Funktionen auf der e-Card seien auch weiterhin geplant und im neuen Gesetz vorgesehen. Neben dem Versichertenstammdatendienst und der elektronischen Signatur träfe dies auch auf den elektronischen Arztbrief zu. Der solle, wie Silke Lüder berichtete, dem Entwurf zufolge mit finanziellen Anreizen versehen werden, allerdings nur in den ersten beiden Jahren. Ärzte sollen für jeden elektronischen Arztbrief 55 Cent erhalten, jede Klinik 1 Euro. In dem Entwurf befinden sich auch Regelungen zur elektronischen Fall- bzw. Patientenakte und zum elektronischen Rezept. Zudem seien Arzneimittel-, Therapie- und Sicherheitsprüfungen vorgesehen und, in der Zukunft, natürlich auch Organspendeerklärungen und Patientenverfügungen.

Ein weiteres Projekt der elektronischen Gesundheitskarte, das aus ärztlicher Sicht sehr kritisiert wird, betrifft die sogenannten Qualitätsmarker (QS-Marker), die - zu einem späteren Zeitpunkt - auf der Karte eingetragen werden sollen. Solche Marker sollen beispielsweise in der Klinik vor der Entlassung eines Patienten vermerkt werden und später dann auch im ambulanten System, um, wie es heißt, den weiteren Verlauf der Krankheit überprüfen zu können und der Versorgungsforschung zentrale Daten über die Entwicklungen zur Verfügung zu stellen. Wer wollte da nicht argwöhnen, daß ein solches Datenerfassungs- und -zugriffssystem allen möglichen Zwecken, nur nicht dem des Wohlergehens der Patienten dienen wird?


Die e-Card-Testverfahren liegen ausschließlich in den Händen der Industrie

Einer Mitteilung des Deutschen Bundestages von Ende Januar 2014 ist zu entnehmen, daß die Industrie nach Einschätzung ihrer eigenen Experten das Projekt unterschätzt habe. Der Andrang der Bio- und IT-Unternehmen sei ungebrochen groß, die Lobbyisten stünden Schlange. BIO Deutschland, so der Name eines Firmenzusammenschlusses vornehmlich aus der Pharma-Industrie, in dem rund 300 Unternehmen vertreten sind, wolle auf die Daten, die mit der Gesundheitskarte erhoben und zentral eingespeist werden sollen, lieber gestern als heute zugreifen, mache massiv Werbung und übe Druck auf die Bundesregierung aus. Der frühere Bremer Datenschutzbeauftragte Wolfgang Linder stellte auf dem Stoppt-die-e-Card-Aktionstreffen das in diesem Zusammenhang relevante Langzeitprojekt Nationale Kohortenstudie dar und erläuterte im anschließenden Schattenblick-Interview [3], inwiefern die Zusammenführung so großer Datenmengen in datenschutzrechtlicher wie inhaltlicher Hinsicht zu kritisieren ist.

Zu den Testverfahren zur e-Card merkte Silke Lüder an, daß sie bereits zum zweiten Mal verschoben werden und nun vielleicht im November dieses Jahres kommen werden. Bedenklich sei dabei, daß sie ausschließlich von der Industrie durchgeführt werden. Sämtliche Test-Praxen werden von den beteiligten Unternehmen ausgewählt, was "völlig absurd" sei. 32 Millionen Euro seien dafür vorgesehen. Eine Einzelpraxis, die sich an dem Test beteiligt, werde erst einmal 5000 Euro und später dann zwischen 600 und 900 Euro monatlich bekommen. "Friendly User", eine Bezeichnung, die von den Unternehmen nach ihren Kriterien definiert werde, sollten mehr Geld erhalten als andere Praxen. Allen gemein sei jedoch, daß sie eine Schweigepflicht-Erklärung unterschreiben müßten, was zeige, wie undemokratisch und transparenzfeindlich das gesamte Projekt sei - wohlbemerkt ein staatlich induziertes Projekt, bei dem es, so Silke Lüder, überhaupt keine Schweigepflicht geben dürfe. Wie schon bei den ersten Tests in den Jahren 2008, 2009 dürften die Beteiligten keinerlei Kommentare abgeben.

Die Referentin erwähnte ein Thema, das auf dem Aktionstreffen am 31. Oktober bereits ausführlich erörtert worden war: der fehlende Identifikationsnachweis. [4] Das Sicherheitskonzept der gematik, mag es an vielen Punkten sehr ausgefeilt sein, sei deshalb schon ganz am Anfang völlig falsch. Unter solchen Voraussetzungen könne man weder ein Versichertenstammdatenmanagement noch einen Notfalldatensatz machen. Inzwischen habe sich auch herausgestellt, daß die Option, aus religiösen Gründen die Abgabe des Fotos zu verweigern, hinfällig geworden ist. Offenbar nachdem viele "Verweigerer", so der Sprachgebrauch der e-Card-Betreiber, auf diesem Wege versucht haben, die Bildabgabe zu umgehen, werde dies abgelehnt.


Infotafel mit der Aufschrift 'Zuckerbrot und Peitsche' und Angaben zu Fristen, Haushaltskürzungen und finanziellen Anreizen - Foto: 2015 by Schattenblick, Infotafel Silke Lüder

Gesundheit mit Zuckerbrot und Peitsche? Sanktionen laut Entwurf des e-Health-Gesetzes
Foto: 2015 by Schattenblick, Infotafel Silke Lüder


Peitsche ohne Zuckerbrot? Sanktionen für "Verweigerer"

Im Gesetzentwurf für das neue e-Health-Gesetz sind wie erwähnt Sanktionen für "Verweigerer" oder, wie Bundesgesundheitsminister sie nennt, "Blockierer" vorgesehen. Wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden könne und von der Kasse eine Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme auf Papier ausgestellt werde, müsse der Versicherte in Zukunft 5 Euro zahlen. Wird der Versichertenstammdatendienst von der gematik nicht bis Mitte 2016 eingeführt, seien auch Strafen für Krankenkassen, Ärzte und Psychotherapeuten vorgesehen. Der elektronische Entlaßbrief soll bis zum 1. Juli 2016 kommen. Nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche werden finanzielle Anreize gegeben und Kürzungen der Finanzmittel angedroht. Die Tele-Radiologie solle auch mit großem Druck durchgesetzt werden, weshalb die Referentin annimmt, daß die Interessen eines einflußreichen Industriezweiges hinter den Haushaltssanktionen stehen, durch die die Körperschaften des öffentlichen Rechts im Gesundheitsbereich, also Krankenkassen, Ärztekammern, kassenärztliche Vereinigungen etc., auf Kurs gebracht werden sollen.


Aktion Stoppt die e-Card - Resümee

In ihrer Zusammenfassung zählte Silke Lüder die Ziele und Absichten der verschiedenen Akteure am e-Card-Projekt auf. Die Gesundheitswirtschaft wolle über die Daten verfügen, die Krankenkassen seien an einem Versorgungsmanagement interessiert, die Bio-IT-Branche verfolge ganz eigene Projekte, in der Politik herrschten Kosten-Nutzen-Erwägungen vor... Aus Sicht der Patientinnen und Patienten sei es demgegenüber viel, viel wichtiger, Ärztinnen und Ärzte vor Ort zu haben, die Zeit und Zuwendung für sie erübrigen könnten und zu denen ein geschütztes Vertrauensverhältnis besteht. Dazu sei der dauerhafte Schutz ihrer persönlichen und medizinischen Daten erforderlich, weshalb es sinnvoll sei, anstelle des e-Card-Projekts in dezentrale Kommunikationssysteme zu investieren. Stuttgart 21, die Hamburger Elbphilharmonie und der Berliner Groß-Flughafen hätten sich als schwer zu stoppende Projekte erwiesen, beim e-Card-Projekt würden sich, so das Fazit Silke Lüders, die Proteste noch lohnen.

Zweifellos sind sie als unverzichtbar zu bewerten, wenn es gilt, der vollständigen Unterwerfung des Menschen unter eine großadministrative Inwertsetzung und Vermarktung seiner Physis bis hin zu der Gesamtmenge seiner Daten zu ihm fremden Zwecken wirksam entgegenzutreten. Der in der Bevölkerung zur Zeit noch eher geringe Aufklärungsgrad über das ihr aufgezwungene e-Card-Projekt und dessen vorgebliche bzw. tatsächliche Ziel- und Zweckbestimmungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Protestpotential ungleich größer ist als die regen, zum Teil schon seit vielen Jahren tätigen Initiativen und eine sprunghafte Verbreitung finden könnte, sobald mehr und mehr Patientinnen und Patienten ihre Lage nicht länger zu akzeptieren bereit sind.


S. Lüders und K.-U. Steffens am Tisch, über ihnen Infotafel 'Stuttgart 21, Hamburger Elbphilharmonie, Berliner Flughafen, eGK-Projekt?' - Foto: © 2015 y Schattenblick

Silke Lüder und Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung während des Aktionstreffens Stoppt die e-Card
Foto: © 2015 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] http://www.stoppt-die-e-card.de/

[2] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Namensbeitrag/2015/01/2015-01-13-groehe-faz.html

[3] Siehe unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → MEDIZIN → REPORT:
INTERVIEW/037: E-CARDstopp - Verwaltungs- und Wirtschaftsforschung ...    Wolfgang Linder im Gespräch (SB)

[4] Siehe den Bericht über den Vortrag von Dr. André Zilch beim Aktionstreffen "Stoppt die e-Card" am 31. Oktober 2014 in Hamburg im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → MEDIZIN → REPORT:
BERICHT/022: E-Cardmedizin - entmündigt ... (SB)

22. Mai 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang