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STUDIE/328: Mortalitätsforschung im Land Bremen - Woran stirbt der Mensch? (Uni Bremen)


Universität Bremen - impulse aus der Forschung Nr. 1/2011

Mortalitätsforschung im Land Bremen
Woran stirbt der Mensch?

von Natascha Makarova und Sabine Luttmann


Wer jetzt in Deutschland das Licht der Welt erblickt hat gute Chancen, seinen 80sten Geburtstag feiern zu können, denn die durchschnittliche Lebenserwartung steigt seit Jahren an. Doch woran sterben die Menschen heutzutage und, vor allem, welche Sterbefälle hätten vermieden werden können? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Bremer Mortalitätsindex, der im Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) angesiedelt ist.


854.544 Menschen starben 2009 in Deutschland. Mehr als 40 Prozent der Todesfälle lassen sich auf Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems zurückführen, gefolgt von Krebserkrankungen, die rund ein Viertel der Todesfälle ausmachen. Solche Zahlen ermittelt das Statistische Bundesamt über die Statischen Landesämter mit Hilfe der Todesursachenstatistik, in der jeder verstorbene Einwohner Deutschlands geführt wird.

Mortalität (Sterblichkeit) bezeichnet die Anzahl der Todesfälle im Verhältnis zur Bevölkerung oder zu einzelnen Bevölkerungsgruppen. Entsprechend spiegelt sie den gesundheitlichen Zustand der Gesellschaft wider und gibt Informationen über die gesundheitliche Versorgung. Die Daten lassen Rückschlüsse auf Risikofaktoren und die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen zu. So unterstützt Mortalitätsforschung die Politik bei der Planung und Organisation gesundheitlicher Maßnahmen und hilft, die Gesundheit in der Bevölkerung zu fördern.

Während in der Bundesstatistik lediglich zusammengefasste Zahlen veröffentlicht werden, bietet Bremen als einziges Bundesland bereits seit über zehn Jahren mit dem Bremer Mortalitätsindex der Wissenschaft einen Zugang zu Informationen der Todesbescheinigung in Form einer elektronischen Datenbank.

In wissenschaftlichen Studien können so beispielsweise Risikofaktoren und deren Verteilung analysiert werden. Besonders betroffene Bevölkerungsgruppen können vorbeugend aufgeklärt und gezielt versorgt werden. Umgekehrt kann die Wirksamkeit solcher Vorbeugungsmaßnahmen geprüft und verbessert werden, sowohl im Sinne einer besseren Gesundheit als auch im Sinne eines optimalen Einsatzes der vorhandenen Mittel.


Wie wird Mortalität gemessen?

Für jeden in Deutschland Verstorbenen muss der Tod durch einen Arzt festgestellt werden. Dieser dokumentiert das Ergebnis der ärztlichen Leichenschau auf der Todesbescheinigung. In den Statistischen Landesämtern wird daraufhin die zum Tode führende Krankheit nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) kodiert. Dieses so genannte Grundleiden wird als offizielle Todesursache in die Todesursachenstatistik aufgenommen
(www.destatis.de oder www.gbe-bund.de). Entsprechend dem Bundesstatistikgesetz sind alle Daten der Todesursachenstatistik anonymisiert.

Die Todesbescheinigungen werden meist in den Gesundheitsämtern archiviert und stehen, soweit es die landesrechtlichen Bestimmungen zulassen, der Forschung zur Verfügung. Allerdings erfolgt die Ablage in vielen Fällen ausschließlich in Papierform. Für Forschungsfragen wäre aber ein zentraler elektronischer Zugang wünschenswert, der eine schnellere Verarbeitung der Daten ermöglicht.

Dies ist möglich im Bundesland Bremen: Mit dem Bremer Mortalitätsindex wird bereits seit 1998 eine elektronische Datenbank vorgehalten, die alle Angaben der Todesbescheinigung der verstorbenen Bremer Bürger enthält. Der Bremer Mortalitätsindex wird vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) geführt.

Der Index lässt verschiedene Auswertungen zu: Einzelne Bevölkerungsgruppen, kleinräumige Aspekte oder andere Detailfragen lassen sich betrachten. Neben dem Grundleiden können weitere auf der Todesbescheinigung vermerkte Krankheiten abgerufen werden, was die Beurteilung der Todesursache verbessert. Gerade bei älteren Menschen lässt sich der Tod häufig nicht ausschließlich auf eine Krankheit zurückführen.


Aktuelle Studien zur Mortalität in Bremen

Der Bremer Mortalitätsindex eignet sich sehr gut für wissenschaftliche Forschungsprojekte, die sich mit detaillierten Fragen zur Mortalität befassen und die sich anhand der Todesursachenstatistik allein nicht beantworten lassen.

Ein kürzlich gestartetes Promotionsprojekt untersucht die Mortalität und Verteilung der Todesursachen in den zwei größten Migrantengruppen im Land Bremen: Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und aus der Türkei. Bisherige Studien zur Mortalität von Migranten in Deutschland haben zwar Unterschiede im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung festgestellt, aber nur unzureichend analysiert. Mit dem Bremer Projekt soll nun das Ausmaß der vermeidbaren Sterblichkeit bei Migranten festgestellt werden, um im Verlauf der weiteren Forschung Krankheitsursachen und Gesundheitsrisiken zu identifizieren sowie Möglichkeiten zur Vorbeugung aufzuzeigen.

Ein regelmäßiger Nutzer des Bremer Mortalitätsindex ist das Bremer Krebsregister, für das sich eine effiziente und qualitativ hochwertige Methode bietet, Informationen zum Versterben von Krebspatienten zu erhalten. Damit berechnete Überlebenszeiten nach einer Krebserkrankung geben wichtige Hinweise auf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung.

Auch auf Bundesebene wird derzeit die Einrichtung eines nationalen Mortalitätsregisters, wie es bereits in vielen ausländischen Staaten geführt wird, diskutiert. Dabei werden bereits jetzt wichtige Erfahrungen aus über zehn Jahren erfolgreicher Arbeit des Bremer Mortalitätsindex herangezogen, damit neue Möglichkeiten der Mortalitätsforschung in Zukunft bundesweit genutzt werden können.


Weitere Informationen:
www.krebsregister.bremen.de (Bremer Mortalitätsindex)
www.bips.uni-bremen.de


Natascha Makarova
absolvierte den Master of Public Health und Pflegewissenschaften an der Universität Bremen und promoviert zur Zeit bei Prof. Hajo Zeeb am Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin im Bereich der Sozialepidemiologie und Migration. Ihren Schwerpunkt legt sie auf die Erforschung von Krankheitsursachen bei Zuwanderern aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Sabine Luttmann
ist seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin und mit der Leitung des Bremer Krebsregisters und des Bremer Mortalitätsindex betraut. Sie studierte an der Freien Universität Berlin Humanmedizin und promovierte dort 2001 in der Abteilung Biometrie und Epidemiologie. Sabine Luttmann ist Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe zur Einrichtung eines Nationalen Mortalitätsregisters des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Seite 15: Der Tod wird auf vielen Formularen vom Leichenschauer bescheinigt


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Quelle:
Universität Bremen - impulse aus der Forschung
Nr. 1/2011, S. 14-17
Herausgeber: Rektor der Universität Bremen
Redaktion: Eberhard Scholz (verantwortlich)
Universitäts-Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2011