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SUCHT/688: Suchtmedizin - Relevantes Thema für jedes Fachgebiet (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/2017

Suchtmedizin
Relevantes Thema für jedes Fachgebiet

Interview von Anne Lütke Schelhowe


Der Kurs "Suchtmedizinische Grundversorgung" vermittelt wesentliche Kenntnisse zum besseren Verständnis von Suchterkrankungen sowie deren Diagnostik.


Die Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Bad Segeberg bietet ab Ende November den Kurs "Suchtmedizinische Grundversorgung", bestehend aus fünf Bausteinen, an. Das Seminar nach dem Kursbuch der Bundesärztekammer beinhaltet die Vermittlung von Kenntnissen in der Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Suchtkrankheiten im Zusammenhang mit dem schädlichen Gebrauch suchterzeugender Stoffe und nicht stoffgebundener Suchterkrankungen und ist Voraussetzung zur Erlangung der entsprechenden Zusatzbezeichnung. Dr. Jakob Koch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Oberarzt im Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZiP) in Kiel leitet den Kurs und erzählt im Interview, warum das Thema so relevant ist.

SHÄ: In welchen Kontexten werden ärztliche Kollegen mit dem Thema Sucht konfrontiert?

Dr. Jakob Koch: Aufgrund der großen Prävalenz abhängigkeitserkrankter Menschen in der allgemeinärztlichen Praxis sowie im Krankenhaus hat die Suchtmedizin hohe Relevanz. Tatsächlich werden die Patienten zum Großteil aufgrund der somatischen Folgeerkrankungen, die der Sucht ursächlich zugrunde liegen, in den Praxen und Kliniken vorstellig. Dabei wird gerade die Suchterkrankung häufig nicht diagnostiziert, geschweige denn behandelt.

Das Thema Sucht war und bleibt wichtig. Deutschland nimmt im europäischen Vergleich immer noch eine Spitzenposition ein, wenn es beispielsweise um den Konsum von Alkohol geht. Die Folgen für das Gesundheitssystem sind ebenso gravierend wie der wirtschaftliche Schaden, der durch eine nicht behandelte Suchtmittelabhängigkeit entsteht. Leider "landet" der Großteil - schätzungsweise 75-80 Prozent der suchtmittelabhängigen Menschen - nicht im Suchthilfesystem und erhält somit nicht die adäquate und notwendige Hilfe. Dies mag zum einen daran liegen, dass Sucht immer noch eine hohe Stigmatisierung erfährt und Patienten lieber über "Burnout und Depressionen" mit ihrem Arzt sprechen als über Sucht. Zum anderen besteht häufig auch bei Kollegen Unsicherheit darüber, welche Ansprache bei einem Suchtpatienten hilfreich sein kann und welche Bausteine das Suchthilfesystem überhaupt bietet.

Wie groß ist aus Ihrer Sicht das Interesse Ihrer Kollegen an diesem Thema?

Koch: Das Interesse an dem Thema Sucht ist bei den ärztlichen Kollegen durchaus groß, dies wird mir immer wieder auch bei Konsildiensten deutlich. Tatsächlich ist durch die Arbeitsverdichtung und die hohe Fallrate im Alltag jedoch wenig Zeit, wesentliche Aspekte in der Suchtmedizin ausreichend zu vermitteln, daher lohnt es sich aus meiner Sicht für jeden Kollegen, mehr Zeit in dieses Thema zu investieren.

Gibt es Fachgebiete, die besonders von dem Modul profitieren können?

Koch: Eigentlich alle, insbesondere die, in denen die Patienten besonders häufig aufgrund der Folgeerkrankungen vorstellig werden. Da z.B. Alkohol in vielen Organsystemen Alkoholfolgestörungen auslösen kann, betrifft es letztendlich aber doch sehr viele Fachgebiete.

Wie sieht das Programm aus? Welche Themen werden behandelt und worauf wird besonders Wert gelegt?

Koch: Das Curriculum vermittelt ein profundes Basiswissen über unterschiedliche Erscheinungsformen der Sucht sowie mögliche Behandlungspfade. Neben der Stoffkunde kommt den diagnostischen Aspekten sowie der Gesprächsführung und dem Umgang mit Suchtpatienten (Stichwort motivierende Gesprächsführung) besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus sind zum Teil selbstreflektierende Anteile in Form von auflockernden Gruppenübungen eingeflochten. Dadurch, dass alle Referenten aus der Praxis stammen und über langjährige Erfahrungen verfügen, sind kritische Nachfragen und Diskussionen ausdrücklich erwünscht.

Wozu befähigt die Fortbildung?

Koch: Die Fortbildung versetzt den Teilnehmer in die Lage, Suchterkrankungen in ihrer Komplexität besser zu verstehen, eine gute Diagnostik vorzunehmen, den Zugang zum Patienten zu finden und auch mit Widerständen - die zur Suchterkrankung dazugehören - souverän umzugehen. Teilnehmer, die das Curriculum durchlaufen haben, verfügen über gute Kenntnisse zum Suchthilfesystem und können entsprechend passgenau beraten bzw. vermitteln.

Vielen Dank für das Gespräch.


Anmelden

Das Seminar "Suchtmedizinische Grundversorgung" findet vom 27. November bis 2. Dezember in Bad Segeberg statt und ist mit 50 Fortbildungspunkten zertifiziert. Die Anmeldung ist schnell und einfach über die Online-Buchung möglich:
akis.aeksh.de/#!seminare/semPage/1008288


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 10/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201710/h17104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Dr. Jakob Koch leitet das Seminar in der Akademie in Bad Segeberg.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Oktober 2017, Seite 18
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2017

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