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SUCHT/566: Kritik an der Richtlinie zur Diamorphinbehandlung (Stadt Bonn)


Stadt Bonn - Pressemitteilung von Mittwoch, 24. März 2010

Richtlinie zur Diamorphinbehandlung: Interessen der Betroffenen wurden nicht ausreichend berücksichtigt

Städte des Bundesmodellprojekt verfassen gemeinsame Erklärung


ib - Mit einer gemeinsamen Presseerklärung reagieren die Städte Bonn, Frankfurt a. M., Hannover, Karlsruhe, Köln und München auf die Verabschiedung der Richtlinie zur Diamorphinbehandlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Sie hat folgenden Inhalt: ""Als Städte des Bundesmodellprojekts begrüßen wir, dass der Gemeinsame Bundesausschuss zügig eine Richtlinie zur Behandlung opiatabhängiger Patientinnen und Patienten mit halbsynthetischem Heroin (Diamorphin) erlassen hat. Damit ist gewährleistet, dass diese Versorgung von Schwerstopiatabhängigen als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden kann. Kritisch ist jedoch aus Sicht der Städte anzumerken, dass der G-BA deutlich über die Vorgaben des Gesetzgebers hinaus gehende Anforderungen gestellt hat. So wurde im Gesetz nur verlangt, dass bei der Diamorphin-Vergabe ein Arzt anwesend sein muss.

Der G-BA hat jedoch entschieden, dass mindestens drei Mediziner in den Ambulanzen beschäftigt werden müssen. Dies geht deutlich über die Anforderungen der sehr strengen Richtlinien der Medikamentenstudie zur Diamorphinbehandlung und über den Gesetzentwurf hinaus. Selbst die Ambulanzen in größeren Städten werden Schwierigkeiten haben, diese Anforderungen zu erfüllen. Ebenfalls wenig sinnvoll ist die Festlegung auf zwölf Stunden Öffnungszeit. In der Regel findet die Diamorphinvergabe in den Einrichtungen dreimal täglich - morgens, mittags und abends - statt. Eine Vorhaltung von Ärzten in den Stunden dazwischen ist nicht notwendig und erhöht die Kosten der Behandlung.

Unverständlich bleibt auch die Festlegung auf mindestens drei Behandlungs-Räume, die in fast keiner der bestehenden Ambulanzen vorhanden sind. Vor allem die Forderung, dass der Warte- und Überwachungsbereich für die Patientinnen und Patienten getrennt von einander vorgehalten werden sollen, ist aus fachlicher Sicht überflüssig. Gleichwohl erhöht auch diese Forderung die Kosten.

Die langjährigen Erfahrungen der Studienzentren in der Praxis der Diamorphinbehandlung wurden durch den G-BA in großen Teilen leider ignoriert. Die Städte weisen daraufhin, dass seit 2002 niemand während der Behandlung zu Schaden gekommen ist und die hohen Standards der Studie und des Gesetzes völlig ausreichend sind, um eine sichere Behandlung zu gewährleisten.

Die sechs Städte haben den G-BA über ihre Bedenken informiert, diese wurden jedoch nicht berücksichtigt. Durch die erhöhten Anforderungen besteht die Gefahr, dass andere Städte aus Kostengründen auf das notwendige Angebot zur diamorphingestützten Behandlung Opiatabhängiger verzichten müssen und somit die Betroffenen vor Ort unversorgt bleiben. Dies ist aber eben jene Gruppe Schwerstkranker, für die auch keine andere erfolgversprechende Behandlungsform zur Verfügung steht. Es ist deshalb zu befürchten, dass damit eine Art Diamorphin-Tourismus in die Städte, die eine solche Behandlung anbieten, entsteht. Wenn der G-BA im nächsten Schritt die Finanzierung der Behandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung regelt, müssen die zusätzlichen Auflagen in vollem Umfang einbezogen werden und dürfen nicht den Kommunen angelastet werden."

Die Presseerklärung wurde von unterzeichnet von Angelika Maria Wahrheit, Beigeordnete der Bundesstadt Bonn, Dr. Manuela Rottmann, Dezernentin für Umwelt und Gesundheit der Stadt Frankfurt a.M., Thomas Walter, Jugend- und Sozialdezernent der Stadt Hannover, Martin Lenz, Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, Marlis Bredehorst, Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt der Stadt Köln, und Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München.


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Quelle:
Pressemitteilung von Mittwoch, 24. März 2010
Stadt Bonn
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2010