Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → TECHNIK

ENTWICKLUNG/654: Krankheitsbilder für die Frühdiagnose (verbundjournal)


verbundjournal - Dezember 2009
Das Magazin des Forschungsverbundes Berlin e.V.

Krankheitsbilder für die Frühdiagnose

Von Silke Oßwald


Am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) entwickelt Leif Schröder eine neuartige Methode, um biologische Prozesse im Körper sichtbar zu machen. Dazu braucht er einen Biosensor mit einem Molekülkäfig und ein Edelgas.


Mit sensitiven Biosensoren in Kombination mit dem Edelgas Xenon könnten Ärzte Krankheiten künftig nicht nur besonders früh erkennen. Sie könnten zudem auch ständig überprüfen, ob verabreichte Medikamente tatsächlich wirken", sagt Dr. Leif Schröder. Molekulare Bildgebung ist das Spezialgebiet des Biophysikers, der seit Sommer 2009 am FMP forscht.

Die bekannte Magnetresonanztomografie (MRT) liefert ein Bild von der Morphologie des Körpers: Mittels harmloser Radiowellen erstellt ein MRT hochauflösende Aufnahmen von der Struktur und der Funktion des Gewebes und der Organe. Das macht das Verfahren für die Medizin so interessant. Was bisher noch stört, ist die relativ geringe Empfindlichkeit dieser Messmethode: Es lassen sich fast nur Substanzen sichtbar machen, die in hohen Konzentrationen vorhanden sind - im menschlichen Körper also vor allem Wasser. Veränderungen der Zellstrukturen im frühen Stadium sind ohne Hilfsmittel aber nicht sichtbar.

Genau diese frühen biologischen Prozesse in den Zellen will Schröder im MRT sichtbar machen. Die von ihm entwickelte Methode, das Hyper-CEST-Verfahren (s. Abb.), benutzt dazu einen Schlüssel und ein spezifisches MR-Signal. Der Schlüssel ist ein Biosensor, ein Messfühler. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip passt er zu einem Rezeptor, einem bestimmten, als Ziel für den Schlüssel ausgewählten Molekül im Körper. So gibt es zum Beispiel einen ganz speziellen Biosensor für den Transferin-Rezeptor - ein Makromolekül zur Eisenaufnahme, welches wie ein Indikator für Krebszellen genutzt werden kann. Steckt der Schlüssel im Zielmolekül, fehlt noch das Signal für die Darstellung. Jetzt beginnt die wirklich schwierige Aufgabe, und da kommt das Edelgas ins Spiel. Schröder benutzt Xenon, weil sich seine Magnetisierung durch eine Wechselwirkung mit Rubidiumatomen künstlich steigern lässt, der Forscher spricht von der Hyperpolarisation. Das hyperpolarisierte Xenon bindet er dann an den Biosensor, damit das Gas den Biosensor auf dem MRT sichtbar macht.

Bei der Umsetzung dieses so einfach klingenden Prinzips gibt es aber ein Problem: Nur sehr wenig Xenon ist in dem Biosensor lokalisiert und auch mit der künstlich erzeugten Verstärkung der Magnetresonanz, der Hyperpolarisation, ist die Magnetisierung der wenigen Xenon-Atome in den Sensoren zu schwach, um ein sichtbares Signal vom Hintergrundrauschen abzuheben. Viele Millionen dieser Atome könnten die Stellen an den Zellen sichtbar markieren. Schröder löst das Problem mit einem sogenannten molekularen Käfig. Damit fängt er die Xenon-Atome ein, für ganz kurze Zeit.

Das Gas begibt sich dorthin, in den Käfig, lässt sich jedoch nicht festhalten und das soll es auch gar nicht. Es geht keine chemische Verbindung ein, weder mit dem Molekülkäfig noch mit dem Zielmolekül. Der molekulare Käfig ist also porös und die Xenon-Atome wandern ein und aus. Schröder bestrahlt die jeweiligen Atome, die gerade gefangen sind, mit einem Radioimpuls und hebt so die Polarisation und damit die Magnetisierung auf. Auf diese Weise sammeln sich Tausende depolarisierter Xenon-Atome um einen einzigen Käfig, die nicht zu den MRT-Signalen beitragen. Das Ergebnis ist eine messbare Schwächung des Magnetresonanz-Signals um den Käfig im Vergleich zum Rest der Umgebung, wodurch die gesuchte kranke Umgebung im Körper lokalisiert wird. "Mit diesem Prinzip lassen sich maßgeschneiderte Sonden für viele biologisch wichtige Moleküle herstellen", so Schröder.

In Zukunft könnten Mediziner ihren Patienten bereits hyperpolarisierte Edelgase verabreichen und so über die entstandenen Bilder Krankheiten früh erkennen oder das Anschlagen von Behandlungsmethoden überprüfen und optimieren. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Schröder ist im Moment dabei, eine eigene Forschergruppe zur molekularen Bildgebung am FMP aufzubauen und erhält dafür vom Europäischen Forschungsrat in den kommenden fünf Jahren fast zwei Millionen Euro Forschungsgelder.


Dr. Leif Schröder studierte Physik und Chemie an den Universitäten Göttingen und Heidelberg, wo er 2003 in Physik promovierte. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in Berkeley an der University of California kehrte er im letzten Sommer als Emmy-Noether-Stipendiat der DFG nach Deutschland zurück. In den kommenden fünf Jahren erhält Leif Schröder für seine Forschung fast zwei Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat (ERC).


Bildunterschrift einer im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Mit hyperpolarisiertem Xenon lässt sich die Sensitivität der Magnetresonanz erheblich steigern. Dennoch ist das Signal eines einzelnen Xenon-Atoms im Käfig (grün) zu schwach. Mit dem Hyper-CEST-Verfahren (Chemical Exchange Saturation Transfer mit hyperpolarisiertem Xenon) lässt es sich verstärken. Mittels Radioimpuls hebt der Forscher gezielt die Hyperpolarisation im molekularen Käfig auf. Das Ergebnis: Tausende depolarisierte Xenon-Atome (rot) in der Umgebung des Käfigs. Das kollektive Signal ist deutlich höher als das Signal des Einzelatoms und damit gut messbar.


*


Quelle:
verbundjournal, Dezember 2009, S. 16-17
Herausgeber: Forschungsverbund Berlin e.V.
Öffentlichkeitsarbeit
Rudower Chaussee 17, 12489 Berlin
Tel.: 030/63 92-33 30, Fax: 030/63 92-33 33
E-Mail: zens@fv-berlin.de
Internet: www.fv-berlin.de

"Verbundjournal" erscheint vierteljährlich
und ist kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2010