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HINTERGRUND/143: Dresdner Musikfestspiele haben sich gewandelt (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 11 vom 23. Juni 2009

Mehr große Namen, weniger Konzerte, mehr Einnahmen
Die Dresdner Musikfestspiele haben sich gewandelt

Von Martin Morgenstern


Zum Abschlusskonzert der diesjährigen Musikfestspiele Anfang Juni wurde noch einmal überdeutlich, wie sehr sich das Festival unter seinem neuen Intendanten, dem Cellisten Jan Vogler, gewandelt hat: drei junge Nachwuchspianisten aus New York - Eldar, Tigran Hamasyan und Aaron Parks - gaben sich die Klinke der Gläsernen Manufaktur in die Hand, spielten nacheinander vor blauschimmernder Leuchtkulisse und begeisterten das Publikum, das dieses Jahr laut Aussage der Festspielleitung zur Hälfte aus Dresden, zur Hälfte von auswärts kam.

»Wir sind unserem Ziel, Dresden in der ersten Liga der Festivalstädte der Welt zu etablieren, einen großen Schritt näher gekommen«, zog Vogler denn auch Bilanz. Klar, man kann es nicht allen recht machen. Alteingesessene Dresdner mögen teurere Kartenpreise monieren (immerhin: die Auslastung der Konzerte stieg - nach Veranstalterangaben - trotzdem, von 70 auf 90 Prozent). Oder dass mit dem auswärtigen Festival-Publikum, das für die großen Klassikstars Anne-Sophie Mutter, Hélène Grimaud oder Gustavo Dudamel anreiste, auch die »Unkultur« höhere Wogen schlug als sonst. Zu viele Konzerte litten unter blind-begeistertem prä-ejakulativem Beifallsgestürm einiger weniger, wo die Satzfolge einer Sinfonie oder eines Liederzyklus freundliches Schweigen des Saals erfordert hätte. (Ein Tipp für den heißblütigen Leser, der selten Konzerte besucht: Applaudiert wird durchaus nicht nach jedem Musikstück. Klatsche deshalb immer erst, wenn mindestens die Hälfte des Publikums bereits applaudiert und die Künstler deutliche Zeichen der Entspannung zeigen! Ein zögerlicher Applausbeginn wird dir als kritische Kennerschaft ausgelegt werden, die sich nicht mit allem und jedem zufriedengeben möchte.) Trotzdem war es die folgerichtige Entscheidung des Intendanten, das Festival internationaler zu machen, den Konzertplan zu straffen und auf große Namen zu setzen. Dafür konnte dem Veranstalter zufolge das Sponsorenaufkommen vervierfacht werden, und auch die Geldgeber Stadt und Freistaat schmücken sich in Zukunft sicherlich gern mit dem Besuch etwa eines Königlichen Concertgebouworchesters.

Immerhin gab Vogler auch weniger bekannten Nachwuchskünstlern Raum, lud etwa aus New York die »Knights«, ein junges, ungestümes Kammerorchester, ein. Auch die Preisträgerin des letztjährigen Geigenwettbewerbs »Violine in Dresden«, Friederike Starkloff, durfte im Rahmen der Festspiele mit dem Hochschul-Kammerorchester unter John Holloway konzertieren und machte ihre Sache erwartungsgemäß ausgezeichnet. Ausnahmekünstler wie der Stimmakrobat Bobby McFerrin oder der amerikanische Bluegrass-Geiger Mark O'Connor rundeten das Programmangebot ab, ohne die Auswahl jemals beliebig wirken zu lassen.

Das Thema »Neue Welt« vereinte zuverlässig und ließ auch den Besuch des amerikanischen Präsidenten folgerichtig erscheinen. Ob er die amerikanische Hymne, die das hr-Sinfonieorchester unter Kristjan Järvi in der Frauenkirche intonierte, auf dem Weg zum Hotel gehört hat?


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 11 vom 23.06.2009, S. 12
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2009