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NACHLESE/012: 50 Jahre später ... Cream - Wheels of Fire (SB)



I'll sleep in this place with the lonely crowd Lie in the dark where the shadows run from themselves
Cream - White Room

Die Band Cream begründete 1966 eine Tradition von Dreiercombos, die gegenüber aufwendiger besetzten Gruppen häufig den Vorteil einer größeren musikalischen Beweglichkeit und Freiheit hatten. Diese Power Trios formierten sich meist um besonders begnadete Gitarristen, die Solo- und Rhythmusparts abwechselnd meisterten und nicht selten auch noch die Leadvocals übernahmen. Jimi Hendrix und seine Experience, Rory Gallagher und Taste sowie Eric Clapton und Cream sind die bekanntesten Beispiele aus dieser Ära, ein jüngeres Beispiel für die hochgradig flexible Spielweise eines Rock Trios sind The Police.

Tatsächlich waren Cream weit mehr als eine Band, die sich um einen Ausnahmegitarristen sammelte, als der Clapton in den 60er Jahren galt, was nur bedingt zutrifft, da nicht minder brillante Leadgitarristen dieser Zeit wie Mike Bloomfield, John Cippolina, Jeff Beck oder Peter Green einfach nicht so sehr im Scheinwerferlicht standen. Cream-Bassist Jack Bruce war nicht nur ein großartiger Sänger, der lauten Rock und empfindsame Balladen gleichermaßen gekonnt bewältigte. Er war vor allem derjenige Bassist der Rockmusik, der aus dem Schatten heraustrat, in dem viele seiner Kollegen mit ihrer eher statischen Spielweise standen. Bruce hatte sich das Spielen an der Baßgitarre selbst beigebracht und über Alexis Korners Blues Incorporated, die Graham Bond Organisation, die Manfred Mann Combo und John Mayalls Bluesbreakers alle Stationen durchlaufen, die in der britischen Bluesszene als Empfehlung galten.

Auch Ginger Baker hatte bei der Graham Bond Organisation gespielt, der als Keimzelle der jazzorientierten Rockmusik Musiker wie der Gitarrist John McLaughlin, der Saxophonist Dick Heckstall-Smith und der Drummer John Hiseman angehört hatten. Jack Bruce fand bei Graham Bond den musikalischen Freiraum, den bis dato lediglich als Begleitinstrument betrachteten Bass zum Soloinstrument auszubauen, und Ginger Baker, der von Dixieland und Swing geprägt war, entwickelte hier die Grundlagen seiner komplexen Spielweise, bei der er mit Kreuz- und Gegenrhythmen experimentierte und mit der er sich seinen Ruf als einer der besten Rockschlagzeuger der damaligen Zeit erspielte.

Die ausgesprochen langen Instrumentalsoli, für die Cream bekannt war, entstanden anfänglich schlicht aus einem Mangel an Material. Für diese Art von spontaner Livedarbietung vom Publikum umjubelt, galten Cream bald als Symbol für eine unkommerzielle Art von Rockmusik, bei der die Musiker vor allem ihren Inspirationen und Neigungen folgen. Ihre Livekonzerte waren legendär und leiteten die Ära der Darbietungen mit instrumentalen Exzessen wie halbstündigen Schlagzeugsolos ein, die nachher so sehr zum Klischee verkamen, daß sie ganz von der Bühne verschwanden. Die Musiker von Cream allerdings setzten mit ihren Improvisationen, was die präzise Artikulation, das Zusammenspiel und die stimmige Variation des zugrundeliegenden Themas betraf, Maßstäbe, die für ihren einfallsreichen Bluesrock noch Jahre Bestand hatten.

Das im Juli 1968 veröffentlichte Doppelalbum Wheels of Fire repräsentiert beide Seiten der Gruppe aufs beste. Sorgfältig arrangierte Kompositionen, die so gut ins Ohr gingen, daß ihre Komplexität nicht beim ersten Hören erkannt wurde, wie White Room, Passing The Time und Those Were The Days, waren Teil der im Studio entstandenen LP. Vier Mitschnitte von Live-Konzerten, die die Band im Frühjahr 1968 in San Francisco gespielt hatte und bei denen Bluesklassiker wie Willie Dixons Spoonfull oder Robert Johnsons Crossroads zur Aufführung kamen, bildeten die Live-LP. Es war das dritte und letzte Album, das während der zweijährigen Existenz Creams entstand. Das erst nach der Auflösung der Band im November 1968 veröffentlichte Album Goodbye Cream ist nicht minder hörenswert wie die drei Vorgänger. Die Aufregung um ihre vier Reunion-Konzerte 2005 in der Royal Albert Hall in London, deren Karten innerhalb einer Stunde verkauft waren, war ein später Nachhall auf den Mythos, der schon in den Sechzigern um Cream als eine Art Supergroup entstanden war. Der legendäre Ruf der Band war musikalisch sicherlich berechtigt, doch blähte er die Egos ihrer Mitglieder derart auf, daß die Hochzeit der Gruppe nur von geringer Dauer und ein Neubeginn, der über einige spektakuläre Auftritte hinausgereicht hätte, unmöglich geworden war.

27. Juni 2018


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