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MILITÄR/8259: Sicherheitspolitik, Rüstung und Konflikte - 08.10.2019 (SB)


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Türkische Offensive in Syrien verursacht humanitäre Katastrophe

Die türkische Regierung unter Präsident Erdogan bereitet gerade eine Militäroffensive im syrischen Grenzgebiet vor. Aus der Region sollen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG gewaltsam vertrieben werden. Anschließend sollen dort unter militärischer Kontrolle der Türkei syrische Kriegsvertriebene angesiedelt werden. Bislang hatten die YPG mit Unterstützung von US-Einheiten Milizen des Islamischen Staats (IS) bekämpft. Die US-Regierung zieht die eigenen Soldaten jedoch zurück. Präsident Trump drohte Erdogan per Twitter die Zerstörung der türkischen Wirtschaft an, sollte die türkische Armee in Syrien Tabus verletzen.

Der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak, äußerte am Dienstag in einem Interview des Deutschlandfunks die Sorge, daß es im Fall eines türkischen Einmarschs in Nordsyrien nicht nur für die Kurden im Grenzgebiet zu einer politischen und humanitären Katastrophe kommen wird. Die IS-Miliz würde wieder erstarken, und neue Fluchtursachen würden geschaffen. Toprak warf Erdogan vor, aus innen- und machtpolitischen Gründen eine Ausweitung türkischen Territoriums anzustreben. Der türkische Präsident hat laut Toprak die meisten islamistischen und dschihadistischen Gruppen finanziell und mit Waffen unterstützt und hat damit dafür gesorgt, daß die Konflikte in der Region eskaliert sind. Die Türkei, welche unter Erdogan Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abgeschafft hat, ist mitverantwortlich für die Kriege in der Region, so Toprak. Dieser warf der Bundesregierung vor, Erdogan stets Rückendeckung gegeben zu haben, obwohl sie seine Pläne offiziell kritisiert hat. In erster Linie geht es der Bundesregierung darum, die Migrationsbewegung aus dem Nahen Osten durch die Türkei stoppen zu lassen. Toprak widersprach auch der Behauptung, aus den kurdischen Gebieten in Nordsyrien heraus habe es Angriffe auf türkisches Gebiet gegeben. Er betonte, die Kurden in Nordsyrien seien keine Bedrohung für die Türkei und hätten dieser mehrfach Sicherheitsgarantien gegeben. Die YPG-Milizen hätten in den letzten Jahren mit dafür gesorgt, daß in einer Region mit Krieg und Menschenrechtsverletzungen eine demokratische Selbstverwaltung entstanden sei, wo viele Minderheiten in Freiheit leben könnten. Das sei eine Hoffnung für die Region gewesen. Das werde jetzt zerstört, betonte Toprak. Deswegen könne er das nicht so stehen lassen, daß die YPG eine terroristische Miliz sei.

8. Oktober 2019


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