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GALAXIS/145: Die Entwicklung junger Galaxien (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 10/10 - Oktober 2010
Zeitschrift für Astronomie

Die Entwicklung junger Galaxien
Neues aus dem frühen Kosmos

Von Immo Appenzeller


Die tiefsten Aufnahmen der besten Teleskope zeigen uns Galaxien in ganz unterschiedlichen Epochen - unsere nächsten Nachbarn sind fast so alt wie der Kosmos, die fernsten haben ihr Licht nur 600 Millionen Jahre nach dem Urknall ausgesandt. So können wir die Entwicklung der Galaxien bis in ihre früheste Kindheit zurückverfolgen.


In Kürze
Im Gegensatz zu den Sternen, deren Entstehung wir noch heute in der Milchstraße beobachten, sind die Galaxien ganz überwiegend alt - sie haben sich bald nach dem Urknall gebildet.
Mit den größten Teleskopen lässt sich die Entwicklung der Galaxien seit der Frühzeit des Universums verfolgen: Zunächst waren sie kleiner und masseärmer, die Sternbildung aber war viel heftiger als heute. In den größten Galaxien wurden die schweren Elemente sehr früh und in rasantem Tempo aufgebaut.
Diese Befunde bestätigen das »hierarchische Entwicklungsmodell«. Danach bildeten bald nach dem Urknall winzige Dichteschwankungen in der Verteilung der Materie die ersten Keimzellen der Galaxien, und aus kleinen Massenkonzentrationen sind, hauptsächlich im frühen Universum, durch Verschmelzung immer größere Objekte entstanden.

Das Licht der Galaxien ist Sternlicht, und von den Sternen unserer kosmischen Umgebung wissen wir, dass diese noch heute entstehen und vergehen. Ihr Dasein ist von sehr unterschiedlicher Dauer, aber sie alle entstanden vor endlicher Zeit und gehen unweigerlich ihrem Ende entgegen. Und wie steht es mit den Galaxien? Was können wir über deren Entstehung und Lebenslauf erfahren?

In manchen Gebieten unseres Milchstraßensystems, wie etwa im Orionnebel, finden wir heiße, massereiche Sterne, die wegen ihrer kurzen Lebensdauer höchstens etwa eine Million Jahre alt sein können. Dunkelwolken in ihrer Umgebung enthalten junge Objekte, so genannte Protosterne, aus denen sich erst in einigen zehntausend Jahren richtige Sterne entwickeln werden. Andererseits gibt es in der Milchstraße aber auch Sterne, die - ähnlich wie unsere 4,5 Milliarden Jahre alte Sonne - bereits vor sehr langer Zeit entstanden sind und sogar solche, die fast so alt sind wie der Kosmos selbst, der nach heutigem Verständnis vor 13,7 Milliarden Jahren im Urknall seinen Anfang nahm.

Der Prozess der Sternentstehung hat also offensichtlich bereits vor langer Zeit begonnen, und er dauert noch immer an. Anders verhält es sich mit den Galaxien. Die interne Dynamik dieser Sternsysteme und ihre Sternpopulationen zeigen, dass die allermeisten von ihnen bereits vor langer Zeit entstanden sind. Für die wenigen dynamisch jungen Systeme, die ihr inneres Gleichgewicht noch nicht gefunden haben, gibt es Hinweise, dass sie das Ergebnis von Zusammenstößen und dem Verschmelzen älterer Galaxien sind.


Das Alter und die Entstehung der Galaxien

Ein hohes Alter der Galaxien wird auch von der gängigen Theorie ihrer Entstehung vorausgesagt, mit deren Hilfe die Astronomen die bisher gesammelten Beobachtungsdaten deuten. Nach dieser Theorie entstanden die Galaxien aus einem ursprünglich fast gleichmäßig im Raum verteilten Gas, indem Gebiete mit einer anfänglich zufällig geringfügig höheren Materiedichte sich durch ihre eigene Schwerkraft weiter verdichteten.

Diese gravitative Verdichtung wurde allerdings durch die kosmische Expansion (die ja eine kontinuierliche Abnahme der mittleren Materiedichte zur Folge hat) erheblich erschwert. Außerdem waren die Dichteunterschiede im frühen Universum sehr klein. Aus den Beobachtungen der kosmischen Mikrowellenstrahlung, die ausgesandt wurde, als der Kosmos etwa 380.000 Jahre alt war, wissen wir, dass in der sichtbaren Materie die Abweichungen von der mittleren Dichte damals nur etwa 0,001 Prozent betragen haben. Bereits vor mehreren Jahrzehnten war klar geworden, dass die Schwerkraft der sichtbaren kosmischen Materie bei Weitem nicht ausreichte, um die Materiedichte trotz der Expansion des Kosmos zu den Dichten anwachsen zu lassen, die wir in den Galaxien beobachten. Erst mit der Entdeckung der Dunklen Materie ließ sich dieses Rätsel der Galaxienentstehung lösen (siehe »Dem Dunklen Universum auf der Spur« von Matthias Bartelmann, SuW 8/2010, S. 32) Wie wir heute wissen, macht die Masse der Dunklen Materie etwa vier Fünftel der Masse aller im Kosmos vorhandenen Materie aus. Während wir die Zusammensetzung der sichtbaren Materie aus Atomen und deren Bestandteilen recht gut kennen, ist die physikalische Natur der Dunklen Materie zur Zeit noch unverstanden. Sehr wahrscheinlich besteht sie aus bis jetzt unent deckten Elementarteilchen, die überhaupt nicht oder nur extrem wenig mit den Teilchen der sichtbaren Materie und mit elektromagnetischen Feldern - und somit auch mit dem Licht - in Wechselwirkung treten. Deswegen erscheint sie für uns »dunkel«.

Für die Dunkle Materie war es im frühen Universum aus zwei Gründen wesentlich einfacher, Verdichtungen durch Eigengravitation zu bilden: Zunächst führte die höhere Massendichte der Dunklen Materie auch zu einer stärkeren Anziehungskraft. Noch wichtiger war es aber, dass die Dunkle Materie früher als die sichtbare mit der Verdichtung beginnen konnte, da sie wegen ihrer geringen Wechselwirkung mit dem Licht (im Gegensatz zur sichtbaren Materie) nicht durch den Gegendruck des Strahlungsfelds daran gehindert wurde. Für die Dunkle Materie begann deshalb die lokale Abbremsung der Expansion in Gebieten mit überdurchschnittlicher Materiedichte bereits etwa 50.000 Jahre nach dem Urknall. Erst als etwa 330.000 Jahre später auch die sichtbare Materie für die kosmische Hintergrundstrahlung durchsichtig wurde, konnte auch sie lokale Konzentrationen bilden, indem sie in die bereits bestehenden Verdichtungen der Dunklen Materie hineinströmte. Wegen ihrer geringen Wechselwirkung konnten sich dabei die dunklen und die sichtbaren Materiekonzentrationen vollständig durchdringen, ohne sich zu stoßen.

Die frühen Verdichtungen aus Dunkler Materie bildeten die Kondensationskeime der ersten Sterne und Galaxien.

Auch nachdem die sichtbare Materie in die Verdichtungen der Dunklen Materie hineingefallen war, nahm die Dichte wegen der kosmischen Expansion zunächst noch ab. In den Bereichen mit der größten Überdichte gelang es aber schließlich der Schwerkraft, die Expansion lokal zu stoppen und gravitativ gebundene Gebiete zu bilden. Diese expandierten selbst nicht weiter, und in ihnen nahm die Dichte von nun an zu. Als Folge der Schwerkraft begann die Materie aus der Umgebung in die Richtung zu den Schwerpunkten dieser Konzentrationen zu fallen. Wegen ihrer zufälligen Anfangsbewegungen wurden die Materieteilchen jedoch schließlich auf Bahnen um den Schwerpunkt gezwungen, so dass Gleichgewichtsgebilde entstanden, bei denen sich die Zentrifugalkräfte der Bahnbewegungen und die Schwerkraft gerade kompensierten.

Diese so entstandenen gravitativ gebundenen Objekte, die nach wie vor hauptsächlich aus Dunkler Materie bestehen, werden »Halos« genannt. Nachdem ein Halo einen Gleichgewichtszustand erreicht hatte, änderte er seine Eigenschaften zunächst nur wenig. Da sich die Halos aber gegenseitig anziehen, kam es besonders im frühen Universum, in dem die mittlere Materiedichte ja wesentlich höher war, zu Zusammenstößen und zum Verschmelzen von Halos. Dabei entstanden neue, größere Halos, die sich wiederum zu noch größeren gebundenen Systemen vereinigen konnten. Aus den zunächst entstandenen vielen kleinen Halos entwickelten sich daher durch Verschmelzen immer weniger, aber immer größere Halos. Schematisch ist dieser Prozess in obiger Grafik dargestellt. Jede horizontale Linie entspricht dabei einem Halo. Da die Entstehung der ersten Halos von der zufällig schwankenden lokalen Anfangsdichte abhing, beginnen die Linien in der Grafik zu verschiedenen Zeitpunkten. Modellrechnungen für die Entstehung und Verschmelzung von Halos und quantitativ Diagramme ihrer frühen Entwicklung findet man (zum Beispiel) in einer neueren Publikation von Thomas Greif und Kollegen.

Im Prinzip dauert der Prozess der »hierarchischen« Konzentration der Materie durch das Verschmelzen von kleinen zu immer größeren Halos auch heute noch an. Wegen der (inzwischen beschleunigten) Ausdehnung des Kosmos wird es allerdings zunehmend unwahrscheinlicher, dass neue gravitativ gebundene Systeme entstehen, und auch Verschmelzungen werden seltener.

Wie oben erwähnt, verdichtete sich in den Schwerefeldern der Halos aus Dunkler Materie auch die sichtbare Materie. Dabei konnte das atomare Gas, im Gegensatz zur Dunklen Materie, durch Stöße und Abstrahlung Energie verlieren und dadurch in den Zentren der Halos wesentlich höhere Dichten erreichen als die Dunkle Materie. Wie Modellrechnungen zeigen, wurden dabei einige zehn Millionen Jahre nach dem Urknall in manchen Halos so hohe Gasdichten erreicht, dass sich dort die ersten Sterne bilden konnten. Das verbliebene (nunmehr interstellare) Gas und die neuen Sterne wurden durch die Schwerkraft der sie umgebenden Halos aus Dunkler Materie zusammengehalten. Sie bildeten also stabile Systeme, die wir ab diesem Zeitpunkt als Galaxien bezeichnen können.

Die beschriebene Theorie führt zu einer Reihe präziser Voraussagen, die sich - zumindest im Prinzip - durch astronomische Beobachtungen überprüfen lassen. So müssen sich zum Beispiel wegen der hie rarchischen Entwicklung der Größe und der Masse der Halos auch die Größen und Massen der Galaxien entsprechend entwickelt haben. Alle Galaxien haben also im Wortsinne einmal klein angefangen und sind durch Akkretion intergalaktischer Materie und Verschmelzung mit anderen Galaxien gewachsen. Außerdem wissen wir aus Beobachtungen im lokalen Universum, dass die Sternentstehung von der Dichte des interstellaren Gases in den Galaxien abhängt, und dass Verschmelzungsprozesse eine verstärkte Sternbildungsaktivität zur Folge haben. Da die jungen Galaxien viel Gas enthielten und häufig mit anderen Systemen in Wechselwirkung traten, sind im frühen Universum besonders hohe Sternbildungsraten zu erwarten.

Die hohen Sternbildungsraten bringen auch eine frühe und rasche Entwicklung der chemischen Zusammensetzung der Galaxien mit sich, weil dabei auch kurzlebige massereiche Sterne entstehen, in denen durch Kernprozesse schwere Elemente erzeugt werden. Diese schweren Elemente stehen dann nach dem explosiven Tod der massereichen Sterne für den Aufbau von Sternen einer neuen Generation zur Verfügung.

Offensichtlich lassen sich die erwähnten theoretischen Voraussagen besonders gut testen, indem man Galaxien zu einem mög lichst frühen Zeitpunkt der kosmischen Entwicklung beobachtet. Der Entstehungsprozess hat zwar auch in den heutigen Galaxien Spuren hinterlassen, aber spätere Entwicklungen haben inzwischen viele der Signaturen der Entstehungsgeschichte abgeschwächt oder ausgelöscht.


Die Suche nach den ersten Sternsystemen

Indem man Objekte auswählt, deren Licht bereits vor langer Zeit ausgesandt wurde, lässt sich mit astronomischen Methoden direkt beobachten, wie unser Kosmos in der Vergangenheit ausgesehen hat. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand wird der Blick in die Vergangenheit aber zunehmend schwieriger.

Vor allem erreicht von dem Licht, das weit entfernte Objekte ausgesandt haben, nur ein winziger Bruchteil unsere Teleskope. Zudem werden die Wellenlängen des Lichts der Objekte wegen der Expansion des Raumes mit zunehmender Entfernung immer weiter rotverschoben, was eine weitere Abschwächung zur Folge hat. Aber andererseits lassen sich weit entfernte Galaxien gerade aufgrund ihrer Rotverschiebung eindeutig identifizieren: Um die jüngsten Galaxien zu finden, muss man offensichtlich nach den Sternsystemen mit den höchsten Rotverschiebungen suchen. Mit Hilfe einer bekannten Beziehung lässt sich aus der gemessenen Rotverschiebung auch der Zeitpunkt bestimmen, zu dem das beobachtete Licht ausgesandt wurde. Da der Urknall überall im Kosmos gleichzeitig stattfand, kann man auch eine überall gültige kosmische Zeitskala definieren, nämlich die Zeit, die seit dem Urknall vergangen ist. »Heute« entspricht auf dieser kosmischen Zeitskala etwa 13,7 Milliarden Jahren oder 13,7 »Gigajahren«.

Am genauesten lässt sich die Rotverschiebung von Galaxien anhand ihrer Linienspektren bestimmen, indem man die Wellenlängen beobachteter Spektrallinien mit den aus Labormessungen bekannten Ruhewellenlängen vergleicht. Etwas weniger genau, aber wesentlich einfacher und schneller ist es, mit Hilfe von Filterfotometrie die Rotverschiebung aus der beobachteten spektralen Energieverteilung (abgekürzt: SED, nach der englischen Bezeichnung Spectral Energy Distribution) der Spektren zu bestimmen. Wie das funktioniert, lässt sich am besten anhand der obigen Grafik erkennen. Sie zeigt gemittelte Spektren von Galaxien. Für die Mittelbildung wurden die Spektren in fünf Gruppen mit unterschiedlicher Sternbildungsintensität eingeteilt. SED-Typ I zeigt praktisch keine Sternentstehung, SED-Typ V ist durch eine sehr hohe, nahezu explosive Sternentstehungsrate charakterisiert.


Die Spektren junger Galaxien

Ferne Galaxien lassen sich nach der Stärke ihrer Sternbildungsaktivität unterscheiden. Man fasst sie in fünf Typen zusammen, wobei Typ I (dunkelrot) praktisch keine Sternbildung, Typ V (blau) dagegen besonders hohe Sternbildungsraten zeigt. Die Typen sind durch ihre gemittelten spektralen Energieverteilungen (SED) charakterisiert. Zum besseren Vergleich sind die Spektren auf einen einheitlichen Strahlungsfluss bei 350 bis 450 Nanometer Wellenlänge normiert. Die Galaxien des Typs I enthalten nur alte, kühle Sterne und senden hauptsächlich rotes Licht aus, während bei den Typen mit hoher Sternbildungsrate das UV-Licht junger, heißer Sterne dominiert. Die Spektren der Galaxien mit vielen jungen, heißen und anregenden Sternen zeigen neben dem Sternlicht auch starke Emissionslinien des interstellaren Gases.


Alle Spektren in obiger Grafik wurden auf Rotverschiebung null umgerechnet und zum besseren Vergleich so normiert, dass sie bei mittleren Wellenlängen etwa den gleichen Strahlungsfluss pro Wellenlängeneinheit haben. Bei den Galaxien mit hoher Rotverschiebung erwarten wir hauptsächlich Spektren, die etwa dem Typ V entsprechen, denn aus den oben genannten Gründen sind für junge Galaxien hohe Sternbildungsraten zu erwarten. Außerdem sind die Galaxien im frühen Universum auch einfach nicht alt genug, um aus den alten Sternen bestehen zu können, die den SED-Typ I dominieren.

Offenbar weisen die Spektren vom Typ V ein ausgeprägtes Flussmaximum im ultravioletten Spektralbereich bei etwa 150 Nanometer Wellenlänge auf. Außerdem zeigen diese Spektren mehrere deutliche Stufen. Eine der Stufen, bei etwa 120 Nanometern, wird durch intergalaktische Linienabsorption des Wasserstoffs hervorgerufen. Die deutlichste Stufe finden wir am linken Rand unserer Grafik bei etwa 100 Nanometern, wo der Fluss steil auf praktisch null absinkt. Dieser Abfall ist eine Folge der Kontinuumsabsorption der Wasserstoffatome im Grundzustand. Bei rotverschobenen Objekten finden wir die genannten Stufen bei entsprechend größeren Wellenlängen.

Mit Hilfe fotometrischer Messungen des spektralen Flusses in verschiedenen Filterbändern lässt sich die Lage der Stufen und damit die Rotverschiebung bestimmen. Neben den bereits genannten spektralen Besonderheiten können zusätzlich auch der langsamere Abfall des Flusses zwischen 150 und 300 Nanometern und kleinere Stufen (wie etwa bei 400 Nanometern) benutzt werden.

Solche zusätzlichen Daten erlauben es, gleichzeitig mit der Rotverschiebung auch den SED-Typ zu bestimmen. Bei kleinen Rotverschiebungen werden die Energieverteilungen allerdings auch durch die interstellare Staubabsorption verfärbt. Für eine zuverlässige fotometrische Bestimmung der Rotverschiebung sind dann Beobachtungen in vielen verschiedenen Filterbändern erforderlich. Bei sehr großen Rotverschiebungen ist die Situation glücklicherweise einfacher, da sich die entsprechenden Spektren deutlich von denjenigen verfärbter Vordergrundgalaxien unterscheiden, und da im frühen Universum wegen des Fehlens schwerer Elemente die interne Staubabsorption gering war.

Vier Beispiele für Filteraufnahmen von Galaxien hoher Rotverschiebungen sind in der rechts gezeigten Bilderserie wiedergegeben. Alle vier Objekte haben Rotverschiebungen von ungefähr z = 7. Wie in der Astronomie üblich, ist die Rotverschiebung z definiert als die Wellenlängendifferenz (beobachtete Wellenlänge minus Laborwellenlänge) dividiert durch die Laborwellenlänge; z = 7 bedeutet also, dass die Wellenlänge des beobachteten Lichts um einen Faktor 8 größer ist als die im irdischen Labor gemessene Wellenlänge. Gegenüber der links gezeigten Darstellung verschiebt sich das Maximum der Energieverteilung also von 150 Nanometer zu etwa 1200 Nanometer Wellenlänge (was dem J-Filter entspricht), während der steile Abfall auf null von etwa 100 Nanometer nach 800 Nanometer (also ins z-Filter) wandert. Im V-Filterband (544,8 Nanometer) und im i-Filterband (743,9 Nanometer) ist wegen der Wasserstoff-Kontinuumsabsorption bei den abgebildeten Galaxien keinerlei Fluss messbar, während die Objekte in den infraroten Filterbändern J (1,25 Mikrometer) und H (1,63 Mikrometer) deutlich sichtbar sind. Im dazwischen liegenden z-Filterband sind die Galaxien allenfalls schwach erkennbar.

Die Entwicklung fotometrischer Verfahren zur Bestimmung der Rotverschiebung war eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Suche nach Galaxien im jungen Universum. Während vor der Einführung der fotometrischen Methoden (etwa um 1990) nur wenige Galaxien mit Rotverschiebung größer als z = 2 bekannt waren, gibt es inzwischen etliche Stichproben mit mehr als 10.000 solcher Objekte. Für die Entdeckung der Galaxien mit Rotverschiebung größer als z = 6 (was einem kosmischen Zeitpunkt der Lichtaussendung früher als 930 Millionen Jahre nach dem Urknall beziehungsweise weniger als sieben Prozent des gegenwärtigen Weltalters entspricht) waren fotometrische Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble von besonderer Bedeutung.

Eine statistisch brauchbare Anzahl von so weit entfernten (beziehungsweise so jungen) Galaxien wurde zuerst im Rahmen des »Hubble Ultra Deep Field« (HUDF, siehe das große Bild auf S. 34f.) gefunden. Für dieses Vorhaben wurde im Winter 2003/2004 ein Himmelsausschnitt von etwa elf Quadratbogenminuten mit einer Gesamtbelichtungszeit von 11,3 Tagen in vier optischen Filterbändern abgebildet. In einem Ergänzungsprogramm wurde das HUDF im August 2009 mit der drei Monate früher am Hubble-Teleskop neu installierten WFC3-Kamera in mehreren Infrarotbändern nachbeobachtet.

Mit den neuen Daten, über die im Januar 2010 in mehreren Arbeiten im Astrophysical Journal berichtet wurde, konnte der Bereich, in dem sich die jungen Galaxien untersuchen lassen, bis zu einer Rotverschiebung von etwa z = 8,5 beziehungsweise einem kosmischen Alter von nur etwa 600 Millionen Jahren ausgedehnt werden.

Im Folgenden wollen wir einige der neuen Ergebnisse zusammen mit älteren Daten im Detail vorstellen.


Beobachtete Eigenschaften der jungen Galaxien

Zu den direkt beobachtbaren Eigenschaften räumlich aufgelöster astronomischer Objekte gehört deren Winkeldurchmesser. Bei Beobachtungen auf der Erde wissen wir, dass der Winkeldurchmesser von Objekten gegebener Größe umgekehrt proportional zur Entfernung abnimmt. Für kleine astronomische Entfernungen (etwa innerhalb der Milchstraße) gilt dies auch. Aber bei großen Entfernungen ist der Zusammenhang zwischen Winkeldurchmesser und Entfernung wegen der Expansion des Kosmos komplizierter.

Eine genaue Analyse (die man in den Lehrbüchern der extragalaktischen Astronomie findet) zeigt, dass sich der Winkeldurchmesser von Objekten mit einer festen linearen Ausdehnung als Funktion der Rotverschiebung ausdrücken lässt. Bei kleinen Rotverschiebungen, wo z noch etwa proportional zur Entfernung ist, nimmt der Winkeldurchmesser ebenfalls etwa umgekehrt proportional mit z ab. Bei größeren Rotverschiebungen wird die Abnahme des Winkeldurchmessers aber zunehmend langsamer, bis schließlich ein Minimalwert erreicht wird. Für noch größere Rotverschiebungen steigt der Winkeldurchmesser wieder an, und zwar bei sehr großen Rotverschiebungen ungefähr proportional zu z.

Diese Wiederzunahme des Winkeldurchmessers bei großen Rotverschiebungen mag zunächst erstaunen. Sie ist aber anschaulich verständlich, wenn man bedenkt, dass in unserem expandierenden Universum bei Objekten mit sehr hoher Rotverschiebung das heute beobachtete Licht ausgesandt wurde, als diese Objekte noch ganz nahe bei uns waren. Sie erscheinen uns deshalb groß. Das Licht von Objekten mittlerer Rotverschiebung wurde dagegen ausgesandt, als diese Objekte wegen der kosmischen Expansion bereits weit von uns entfernt waren. Deshalb erscheinen sie uns kleiner.

Den kleinsten Winkeldurchmesser erreichen Objekte gegebener Größe bei einer Rotverschiebung von etwa z = 1,7. Ein Objekt mit einer Ausdehnung von 10 Kiloparsec (oder 32.600 Lichtjahren) hat dann einen Winkeldurchmesser von etwa 1,2 Bogensekunden. Ein Diagramm, aus dem man den Zusammenhang zwischen Rotverschiebung und Winkeldurchmesser für unseren aktuellen Kosmos quantitativ entnehmen kann, zeigt obige Abbildung.

Einige grundlegende Eigenschaften der jungen Galaxien lassen sich direkt an lang belichteten Himmelsaufnahmen ablesen. Ein Beispiel zeigt das Bild oben rechts, auf dem Galaxien mit Rotverschiebungen zwischen z = 0,3 und z = 5,2 sichtbar sind, was einem Weltalter bei der Lichtaussendung zwischen 1,1 Gigajahren (bei z = 5,2) und 10,7 Gigajahren (bei z = 0,3) entspricht. Wie zu erwarten, zeigen in der Abbildung die Galaxien mit der größten Winkelausdehnung kleine Rotverschiebungen, während die Galaxien mit mittleren Rotverschiebungen (zwischen 1 und 2) deutlich kleiner erscheinen. Andererseits erscheinen aber alle Galaxien mit Rotverschiebungen größer als z = 3 kleiner als die Objekte mit Rotverschiebungen zwischen 1 und 2, obwohl sie (wie oben begründet) bei gleicher linearer Ausdehnung größer erscheinen müssten. Dies zeigt, dass die weiter entfernten Galaxien offensichtlich eine wesentlich geringere lineare Ausdehnung (gemessen in Kiloparsec oder Lichtjahren) haben, als die Galaxien, die wir bei mittleren Rotverschiebungen beobachten!

Um diesen Sachverhalt quantitativ zu untersuchen, benötigt man ein zuverlässiges Maß für die Winkelgröße von Galaxien, das von der Entfernung unabhängig ist und bei dem keine von der Rotverschiebung abhängigen systematischen Fehler zu erwarten sind. Man kann zeigen, dass sich der »Halblicht-Radius« oder »effektive Radius« Re als ein solches Maß eignet. Er ist als der Radius des kreisförmigen Gebiets definiert, aus dem wir jeweils 50 Prozent des Gesamtlichts einer Galaxie erhalten. Bei der Analyse muss auch berücksichtigt werden, dass es bei jeder kosmischen Epoche Galaxien unterschiedlicher Größe und Helligkeit gibt und dass die Helligkeit mit der linearen Größe korreliert ist. Dies berücksichtigt man, indem man immer nur gleich helle oder die jeweils hellsten Galaxien vergleicht (was wir bei der Betrachtung des Bildes rechts oben implizit bereits getan haben).

Neuerdings haben mehrere Astronomen die effektiven Radien heller Galaxien bestimmt. Dazu wählten sie Galaxien mit aktiver Sternbildung aus, deren Helligkeit innerhalb eines genau definierten Bereichs liegt. Das Ergebnis ist auf S. 42 links oben dargestellt. Für hohe Rotverschiebungen (z zwischen 2 und 8) beruht die Grafik auf neuen Daten von Pascal Oesch (ETH Zürich) und Kollegen, für die kleineren Rotverschiebungen auf den Daten von Ignacio Trujillo (IAC Teneriffa) und Kollegen.

Diese Daten belegen den Anstieg der Galaxienradien mit der kosmischen Zeit, der auf Grund des hierarchischen Wachstums der Dunklen Halos zu erwarten ist. Für die Halos selbst sagt die Theorie voraus, dass deren Radien für eine feste Halo-Masse mit der Zeit etwa proportional zu 1/(1 + z) zunehmen sollten. Nimmt man an, dass die Leuchtkraft der Galaxien etwa n proportio al zur Gesamtmasse ist (was bei hohen Rotverschiebungen plausibel erscheint), so kann man auch für die Galaxien gegebener Leuchtkraft einen solchen Verlauf erwarten. Tatsächlich zeigen die Beobachtungen bei hohen Rotverschiebungen genau diesen Verlauf. Bei kleinen Rotverschiebungen gibt es Abweichungen - aber das war zu erwarten, da mit zunehmender kosmischer Zeit die Entwicklung der Sternpopulationen die Leuchtkraft der Galaxien und damit auch den genannten Zusammenhang beeinflusst.

Weiterhin sagt die Theorie wegen der kosmischen Expansion eine rasche Abnahme der Flächenhelligkeit ferner Galaxien mit der Rotverschiebung voraus. Qualitativ ist dieser Effekt bereits im Bild oben rechts erkennbar. Die quantitative Analyse der Daten ergibt auch hier eine gute Übereinstimmung mit der Theorie. Die gefundenen geometrischen Eigenschaften der Galaxien hoher Rotverschiebung unterstützen also nicht nur unsere gegenwärtigen Vorstellungen von der Galaxienentstehung, sondern sie bestätigen auch unser physikalisches Modell des Universums.


Sternentstehung vom Anfang bis heute

Da Galaxien, in denen viele neue Sterne entstehen, hauptsächlich im UV strahlen (siehe die Spektren auf Seite 38), eignet sich die Messung der rotverschobenen UV-Strahlung auch zur Ableitung der Sternbildungsraten in hellen Galaxien. Da heute auch Helligkeitsverteilung und Anzahldichte der Galaxien bei hohen Rotverschiebungen bekannt sind, lässt sich daraus auch die gesamte kosmische Sternentstehungsrate pro Volumeneinheit als Funktion der Zeit ableiten. Dazu haben Rychard Bouwens (UC Santa Cruz) und Kollegen kürzlich mit der neuen WFC3-Kamera des Hubble-Teleskops gewonnene Daten verwendet. Das Ergebnis zeigt die Grafik auf S. 42 oben rechts: Hier ist die relative Sternentstehungsrate pro Volumeneinheit aufgetragen. Das Volumen ist dabei in »mitbewegten Einheiten« gemessen - sie berücksichtigen, dass sich bei der kosmischen Expansion auch die Volumina ausdehnen. Das »mitbewegte Volumen« ist dabei so definiert, dass die Masse der Materie innerhalb dieses Volumens (wenn sie dort lokal in Ruhe ist) bei der kosmischen Expansion erhalten bleibt. Für die Darstellung oben rechts ist daher das mitbewegte Volumen eine sinnvollere Einheit als das »wahre Volumen«, das um einen Faktor 1/(1 + z)3 kleiner ist.

Die Sternbildung setzte zunächst nur in wenigen Halos, die eine ungewöhnlich hohe Dichte erreicht hatten, ein. Deshalb begann die kosmische Sternentstehung mit sehr kleinen Raten, nahm dann aber sehr rasch zu, wie die Grafik oben rechts zeigt, um bei einem Weltalter von etwa zwei Milliarden Jahren ein Maximum zu erreichen, das rund 15 mal so hoch war wie der heutige Wert. Seitdem nimmt die Sternentstehungsrate kontinuierlich ab.

Der Grund für diese Abnahme ist, dass in den Galaxien immer weniger kaltes interstellares Gas zur Verfügung steht, aus dem sich neue Sterne bilden können. Bei manchen Galaxien wurde in der Epoche der hohen Sternbildungsraten praktisch das gesamte verfügbare Gas verbraucht. Andere Galaxien haben ihr kaltes Gas verloren, weil es durch Sternwinde, Supernova-Winde und aktive galaktische Kerne weggeblasen wurde. So dominieren im nahen Uni versum gerade unter den massereichsten (gewöhnlich elliptischen) Galaxien solche Systeme, die praktisch kein kaltes Gas mehr enthalten und die nur noch aus alten Sternen bestehen. Bei hohen Rotverschiebungen kennen wir dagegen nur Systeme, die heftig Sterne erzeugen. Dabei werden die höchsten Sternbildungsraten bei den massereichsten Galaxien gefunden: Offenbar lief die Sternentstehung in den mas sereichsten Systemen besonders früh und besonders intensiv ab.

Aus der beobachteten Helligkeitsverteilung und Anzahldichte der Galaxien lässt sich auch die gesamte Massendichte der Materie abzuschätzen, die in der Form von Sternen vorliegt. Offensichtlich muss auch diese Größe bei hohen Rotverschiebungen mit null angefangen und dann laufend zugenommen haben. Die entsprechende Entwicklung seit der Zeit, als unser Kosmos 1,3 Milliarden Jahre alt war, ist in der unten stehenden Grafik wiedergegeben, die einer Arbeit von Franz Elsner (MPE, Garching) und Kollegen entstammt. Aufgetragen ist die stellare Massendichte als Funktion der Zeit seit dem Urknall beziehungsweise der Rotverschiebung. Ein weiterer Datenpunkt bei der Rotverschiebung z = 7 (entsprechend einen Weltalter von etwa 750 Millionen Jahren) wurde inzwischen von Valentino Gonzalez (UC Santa Cruz) und seinen Kollegen angegeben. Diese Autoren finden für z = 7 eine stellare Massendichte von 7,4 x 105 Sonnenmassen pro (mitbewegtem) Kubikmegaparsek.

Alle diese Daten zeigen, dass zu der Epoche, in der wir die fernsten Galaxien beobachten, erst ein sehr kleiner Teil der heutigen Sternmasse existierte. So gab es bei einer Rotverschiebung von z = 3 (bei einem Weltalter von 2,15 Milliarden Jahren) erst rund zehn Prozent, bei einer Rotverschiebung z = 5 nur etwa ein Prozent und bei z = 7 (0,75 Milliarden Jahre) erst rund 0,1 Prozent der aktuellen Sternmasse. Gemessen an den Sternen war unser Kosmos damals also noch recht leer.


Wie und wann entstanden die chemischen Elemente?

Eng verknüpft mit der Geschichte der Sternentstehung ist die Frage nach der Entstehung der chemischen Elemente. Im Urknall entstanden nur Wasserstoff und Helium sowie geringe Spuren einiger leichter Elemente. Alle schweren Elemente wurden erst später durch Kernreaktionen in Sternen und in Supernova-Explosionen erzeugt. Auch diese theoretische Voraussage wurde in den letzten Jahren durch die Beobachtungen von Galaxien bei hohen Rotverschiebungen gut bestätigt. Die zuverlässigsten Ergebnisse beruhen auf der Bestimmung der chemischen Zusammensetzung des ionisierten interstellaren Gases in fernen Galaxien. Besonders gut lässt sich dabei die Häufigkeit des Elements Sauerstoff ableiten.

Der Sauerstoff gehört zu den häufigsten Elementen im gegenwärtigen Universum, und er besitzt besonders viele für eine Analyse geeignete Spektrallinien. Seit vielen Jahren wusste man, dass die chemische Zusammensetzung der nahen Galaxien von der Galaxienmasse abhängt. Massereiche Galaxien enthalten mehr schwere Atome als massearme. In einer wichtigen neuen Arbeit konnten Roberto Maiolino (OA Rom) und Kollegen im Jahr 2008 darüber hinaus zeigen, dass auch die zeitliche Entwicklung der chemischen Zusammensetzung von der Galaxienmasse bestimmt wird.

Dieser Sachverhalt ist im obigen Diagramm dargestellt. Aufgetragen ist für massereiche Galaxien (gefüllte Symbole) und massearme Galaxien (offene Symbole) jeweils das Anzahl-Verhältnis Sauerstoffatome/Wasserstoffatome (O/H), und zwar normiert auf die heutigen Werte dieses Verhältnisses. Wegen dieser Normierung haben die massearme und die massereiche Stichprobe am rechten Rand der Abbildung beide den Wert Eins, obwohl das Verhältnis (O/H) bei den massereichen Galaxien (heute) etwa 2,5 mal so hoch ist wie bei den massearmen.

Das interessanteste Ergebnis in diesem Diagramm ist, dass bei den massereichen Galaxien die Anreicherung mit Sauerstoff (und damit auch mit anderen schweren Elementen) bereits früh höher war und schneller erfolgte als bei den massearmen. Dies ist offensichtlich eine Folge davon, dass in den massereichen Objekten die Sternentstehung früher einsetzte und intensiver war als in den Objekten kleiner Masse. Diese massenabhängige Entwicklungsgeschichte der chemischen Zusammensetzung lässt sich auch an den Spektren des integrierten Sternlichts der fernen Galaxien ablesen, allerdings bis jetzt noch nicht so genau, wie es anhand der interstellaren Linien möglich ist. Ein extremes Verhalten zeigen die besonders massereichen Galaxien, in deren Zentren sich leuchtkräftige Quasare befinden. Aus den Emissionslinien dieser Galaxien kann man ableiten, dass das Gas in ihren Kerngebieten bereits bei den größten beobachteten Rotverschiebungen praktisch die gleiche Zusammensetzung hatte, die heute in solchen Systemen beobachtet wird. Hier verlief der Aufbau der schweren Elemente in einem rasanten Tempo.


Scheinbar junge Galaxien im heutigen Universum

Wie oben im Einzelnen beschrieben, unterscheiden sich die jungen Galaxien, die wir bei hohen Rotverschiebungen beobachten, von den heutigen Galaxien hauptsächlich durch ihre geringere Größe und Masse, durch höhere spezifische Sternbildungsraten und durch einen geringeren Gehalt an schweren Elementen. Überraschenderweise wurden in den letzten Jahren auch im nahen (und damit heutigen) Universum eine Reihe von Galaxien entdeckt, die ebenfalls diese Eigenschaften haben.

Eine Erklärung ergibt sich aus einer genauen Betrachtung der Morphologie dieser Objekte. Alle diese Galaxien zeigen nämlich Hinweise auf eine vor (astronomisch) kurzer Zeit erfolgte Wechselwirkung und Verschmelzung mit anderen massearmen Galaxien. Dies erklärt die gegenwärtigen hohen Sternbildungsraten. Die beobachtete geringe Häufigkeit der schweren Elemente lässt sich als Folge der geringen Masse und einer damit einher gehenden geringen Sternbildung in der Vergangenheit erklären. Offenbar beobachten wir in diesen Fällen Galaxien, die wegen der geringen Masse ihrer Halos und wegen einer zufällig wenig dichten Umgebung erst jetzt ein Entwicklungsstadium erreichen, das die meisten Galaxien bereits bei hohen Rotverschiebungen durchlaufen haben.

In der Literatur werden diese Objekte zu Recht als »lebende Fossilien« aus dem frühen Universum bezeichnet. Da ihre kosmische Anzahldichte gering ist, passt die Existenz dieser Nachzügler durchaus zu der oben beschrieben hierarchischen Galaxienbildung. Die Bedeutung der »fossilen« Galaxien liegt darin, dass sich an ihnen viele Details studieren lassen, die wir bei den fernen Galaxien nicht räumlich auflösen können. Auf diese Weise können die fossilen Galaxien helfen, unser Bild von der gesamten Entwicklung der Galaxien noch besser zu bestätigen.


Immo Appenzeller hat als langjähriger Direktor der Landessternwarte Heidelberg (1975-2006) intensiv die Galaxien im frühen Universum erforscht. In seinem kürzlich im Springer-Verlag erschienenen Buch »High-Redshift Galaxies - Light from the Early Universe« stellt er dieses hochaktuelle Thema umfassend dar.


Literaturhinweise

Bartelmann, M., Steinmetz, M.: Dem dunklen Universum auf der Spur. In: Sterne und Weltraum 8/2010, S. 32-42

Bouwens, R.J. et al.: Discovery of z ~ 8 galaxies in the Hubble Ultra Deep Field from ultra-deep WFC3/IR observations. In: The Astrophysical Journal Letters 709, S. L133-L137, 2010.

Gonzales, V. et al.: The stellar mass density and specific star formation rate of the universe at z ~ 7. In: arXiv:0909.3517

Greif, Th. H. et al.: The first galaxies: assembly, cooling and the onset of turbulence. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 387 (3), S. 1021-1036, 2008.

Lisker, Th.: Die Welt der Zwerggalaxien. Neue Einsichten in eine noch wenig erforschte Objektklasse. In: Sterne und Weltraum 6/2010, S. 48-59.

Maiolino, R. et al.: AMAZE. I. The evolution of the mass-metallicity relation at z > 3. In: Astronomy & Astrophysics 488, S. 463-479, 2008.

Trujillo, I. et al.: The size evolution of galaxies since z ~ 3: combining SDSS, GEMS, and FIRES. In: The Astrophysical Journal 650, S. 18-41, 2006.

Oesch, P.A. et al.: Structure and Morphologies of z ~ 7-8 galaxies from ultradeep WFC3/IR imaging of the Hubble Ultra-Deep Field. In: The Astrophysical Journal Letters 709, S. L21-L25, 2010.


Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute.de/artikel/1043845


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w i s - wissenschaft in die schulen!

Damit Schüler aktiv mit den Inhalten dieses Beitrags arbeiten können, stehen auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. Darin wird die zeitliche Entwicklung des Universums nachvollzogen und an Beispielen das wissenschaftliche Argumentieren geübt. Unser Schulprojekt führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 34-35:
Das Hubble Ultra Deep Field ist das tiefste bis heute im Sichtbaren aufgenommene astronomische Bild. Der erfasste Himmelsausschnitt, etwa so groß wie ein Zehntel des Vollmondes, liegt in einer dunklen Region im Sternbild Chemischer Ofen südwestlich des Orion. Das HUDF wurde vom Weltraumteleskop Hubble im Winter 2003/2004 insgesamt 11,3 Tage lang belichtet und zeigt mehr als 10.000 Galaxien in kosmologischer Entfernung.

Abb. S. 37:
Nach diesem Schema des hierarchischen Wachstums verschmelzen überall im Kosmos die ursprünglichen, zufällig entstandenen winzigen Verdichtungen der Dunklen Materie zu immer massereicheren Halos. Sie bilden die Gravitationsfallen, in die normale Materie abstürzt und sich dabei zu Sternen und Galaxien verdichtet.

Abb. S. 39:
Diese Hubble-Aufnahmen zeigen vier ferne Galaxien in verschiedenen Filterbändern mit effektiven Wellenlängen zwischen 545 (V-Filter) und 1630 Nanometer Wellenlänge (H-Filter). Abgebildet ist jeweils ein Quadrat mit 3,5 Bogensekunden Seitenlänge. Die rotverschobenen Galaxien befinden sich genau in den Zentren dieser Quadrate. Rechts ist die ungefähre Rotverschiebung der Galaxien angegeben.

Abb. S. 40:
Die Grafik zeigt, wie sich der Winkeldurchmesser eines 10 Kiloparsek oder 32.600 Lichtjahre großen Objekts in Abhängigkeit von seiner Rotverschiebung verändert.

Abb. S. 41:
Dieses Bild zeigt einen Ausschnitt aus dem FORS Deep Field, einer tiefen am Very Large Telescope entstandenen, lang belichteten Aufnahme in den Filtern B, R und I. Darauf sind Galaxien unterschiedlicher Rotverschiebung zwischen z = 0,3 und z = 5,16 zu sehen. Für einige der Galaxien ist jeweils rechts vom entsprechenden Objekt die gemessene Rotverschiebung angegeben. Die Seitenlänge des Himmelsausschnitts beträgt etwa 1,5 Bogenminuten.

Abb. S. 42 oben links und rechte:
Die Messpunkte zeigen die effektiven Radien heller Galaxien als Funktion der kosmischen Zeit, zu der das beobachtete Licht ausgesandt wurde. Der linke Rand der Abbildung entspricht dem Zeitpunkt des Urknalls. Der rechte Rand entspricht »heute«.

So entwickelte sich die mittlere kosmische Sternentstehungsrate seit dem Urknall relativ zum heutigen Wert.

Abb. S. 42 unten:
Als Ergebnis der kosmischen Entwicklung nahm die Dichte der in Sternen gebundenen Materie mit der Zeit ständig zu: z = 5 entspricht einem Weltalter von nur etwa 1,15 Milliarden Jahren, z = 0 entspricht der Gegenwart.

Abb. S. 43:
Hier ist das normierte Verhältnis Sauerstoff/Wasserstoff im interstellaren Gas ferner Galaxien als Funktion der kosmischen Zeit relativ zum heutigen Wert dargestellt. Die gefüllten Symbole zeigen die Daten für massereiche Galaxien (mittlere Gesamtmasse aller Sterne: 1011 Sonnenmassen), die offenen Symbole entsprechen den Daten für massearme Galaxien (mittlere Gesamtmasse: 109 Sonnenmassen). »Heute« ist am rechten Bildrand.


© 2010 Immo Appenzeller, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 10/10 - Oktober 2010, Seite 34 - 43
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010