Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → ASTRONOMIE

GALAXIS/189: Hell, heiß und staubig - neuer Galaxientyp? (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 5/13 - Mai 2013
Zeitschrift für Astronomie

Kurzbericht
Hell, heiß und staubig: neuer Galaxientyp?

Von Franziska Konitzer



In der Himmelsdurchmusterung von WISE, dem Wide-field Infrared Survey Explorer, fanden Wissenschaftler vielleicht einen bisher unbekannten Galaxientyp: staubreiche Galaxien mit extrem großer Leuchtkraft.


Erdnahe Asteroiden, Blazare, Braune Zwerge und Millionen Schwarzer Löcher: Bei seiner Durchmusterung des Himmels ist der »Wide-field Infrared Survey Explorer« (WISE) auf zahlreiche bis dato unentdeckte Objekte gestoßen. Während seiner Betriebsdauer zwischen Januar 2010 und Februar 2011 nahm WISE insgesamt rund 2,7 Millionen Bilder in vier verschiedenen Wellenlängen des infraroten Spektralbereichs auf.

Das Weltraumobservatorium machte dabei jedoch nicht nur die schärfste Gesamtaufnahme des Infrarothimmels, die es gibt. Darüber hinaus entdeckten Wissenschaftler vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in den Daten von WISE eine neue Art ungewöhnlicher Objekte: extrem leuchtkräftige Infrarotgalaxien. Diese Himmelsobjekte strahlen mit einer Gesamtleuchtkraft von mehr als 1013 Sonnenleuchtkräften und gehören somit zu den hellsten Objekten im Universum überhaupt. Zum Vergleich: Die Leuchtkraft unserer eigenen Galaxis bewegt sich in der Größenordnung von 1010 Sonnenleuchtkräften.

Allerdings sind diese extrem leuchtkräftigen Infrarotgalaxien sehr selten. Am gesamten Himmel fand WISE lediglich rund tausend Sterneninseln, die das Kriterium erfüllten, in den Wellenlängen von 12 und 22 Mikrometern sehr hell, in den Bereichen von 3,4 und 4,6 Mikrometern jedoch sehr schwach oder gar nicht zu strahlen (siehe Bild in der Druckausgabe).

Der Prototyp für diese von einem Team um die Wissenschaftler Peter Eisenhardt und Jingwen Wu entdeckte Art von Galaxie ist WISE 1814+3412 (siehe Bilder in der Druckausgabe). Nach ihrer Beobachtung mit WISE wurde sie mit anderen Teleskopen in weiteren Wellenlängen vom optischen bis zum Radiobereich untersucht, um Aufschlüsse über ihre Eigenschaften, vor allem über ihre Temperatur und Helligkeit zu erhalten.

Die Vorgänge, die im Universum am meisten Energie produzieren, sind die Kernfusion in Sternen und die freigesetzte Potenzialdifferenz, wenn Materie in ein extrem massereiches Schwarzes Loch stürzt. Diese Art der Energieproduktion fand vor allem zu Frühzeiten des Universums statt, bei Rotverschiebungen von z ~ 2, was einem Zeitpunkt von rund 3,5 Milliarden Jahren nach dem Urknall entspricht. Auch ist bekannt, dass damals zwar die Sternentstehungsrate sehr viel höher war als im heutigen Kosmos, dass aber ein Großteil des Lichts vom Staub in einer Galaxie absorbiert und anschließend im infraroten Bereich wieder ausgesendet wurde. Auf diese Weise entstehen die im Infrarotbereich sehr hellen DOGs (dust-obscured galaxies) - von Staub verborgene Galaxien.


Hell bei langen Wellenlängen

Die Tatsache, dass WISE 1814+3412 in den Wellenlängen 12 und 22 Mikrometer so stark leuchtet, deutete bereits darauf hin, dass es sich hierbei wahrscheinlich um eine dieser sehr leuchtkräftigen, staubigen Galaxien handelte (siehe Bilder rechte Seite). Auch im Submillimeter- und im Radiobereich konnten sie nachgewiesen werden. Die Beobachtung im optischen Bereich schließlich erlaubte es den Astronomen, die Entfernung der Galaxie festzulegen: Mit einer Rotverschiebung von z = 2,45 war ihr Licht von der Abstrahlung bis zur Ankunft auf der Erde fast elf Milliarden Jahre unterwegs.

Aus der Information, wie hell die Galaxie WISE 1814+3412 in den verschiedenen Wellenlängen leuchtet, erstellten die Astronomen ein Diagramm der spektralen Energieverteilung, also wieviel Energie auf welche Wellenlängen entfällt. Daraus ließ sich die Gesamtleuchtkraft bestimmen, die weit jenseits von 1013 Sonnenleuchtkräften liegt. Dies erforderte eine Sternentstehungsrate von rund 300 Sonnenmassen pro Jahr.

Wie also sah nun diese frühzeitliche Galaxie aus? In ihr entstanden mit einer Rate von 300 Sonnenmassen pro Jahr sehr viele Sterne. Zum Vergleich: Im Milchstraßensystem bilden sich jährlich Sterne mit einer Gesamtmasse von einer bis höchstens zehn Sonnenmassen. Trotzdem war die Sternentstehung nicht der leuchtkräftigste Prozess, denn im Zentrum von WISE 1814+3412 befand sich ein aktiver galaktischer Kern, also ein extrem massereiches Schwarzes Loch mit Akkretionsscheibe. Die Potenzialenergie der Materie, die in dieses Schwarze Loch stürzte, wurde dabei als Licht im optischen und ultravioletten Bereich freigesetzt, anschließend vom Staub absorbiert und im infraroten Bereich wieder ausgestrahlt.

Dass es sich bei dieser Galaxie um keinen Einzelfall handelt, zeigten die Wissenschaftler anschließend anhand von Beobachtungen von weiteren extrem leuchtkräftigen Infrarotgalaxien, die von WISE erstmals entdeckt und anschließend in weiteren Wellenlängenbereichen untersucht wurden. All ihre Helligkeiten im infraroten Bereich lagen oberhalb von 1013 Sonnenleuchtkräften. Ihre spektralen Energieverteilungen ähneln derjenigen von WISE 1814+3412, passen aber nicht gut zu bereits existierenden Modellen. Da ist zum einen die Gastemperatur, die sich aus der Energieverteilung dieser Galaxien ergibt: Mit einer Temperatur von 60 bis 120 Kelvin ist sie sehr viel höher als bei anderen staubigen Galaxien und außerdem sind diese Sterneninseln allgemein sehr viel heller.

Die neuen Beobachtungen lassen die Vermutung zu, dass es sich bei diesem Fund um eine neue Art von Galaxie handeln könnte. Die geringe Anzahl an gefundenen warmen, von Staub verborgenen Galaxien - »hot DOGs« - deutet darauf hin, dass dieser Galaxientyp entweder sehr selten ist, oder dass er in der Geschichte der kosmischen Galaxienentwicklung nur für sehr kurze Zeit existierte.


Franziska Konitzer studierte Physik und Astrophysik an der University of York in Großbritannien und schloss das Studium mit einem Master ab. Derzeit ist sie in München als freie Journalistin tätig.


Literaturhinweis

Eisenhardt, P.R.M. et al.: The first hyper-luminous infrared galaxy discovered by WISE. In: The Astrophysical Journal 755:173, 2012. arXiv: 1208.5517
Wu, J. et al.: Submillimeter follow-up of WISE-selected hyperluminous galaxies. In: The Astrophysical Journal 756:96, 2012. arXiv:1208.5518

*

w i s - wissenschaft in die schulen

Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

Was ist WIS?
Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.

Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).

Mit Hilfe der ID-Nummer sind diese auf der Seite www.wissenschaft-schulen.de/artikel/ID-Nummer als Download unter dem Link »Zentrales WiS!-Dokument« zugänglich.

WiS in Sterne und Weltraum

Zum Kurzbericht »Hell, heiß und staubig: neuer Galaxientyp?« gibt es zwei WIS-Beiträge:

»Ein Modell der Lokalen Gruppe« leitet Schüler dazu an, mit einfachen Mitteln aus gegebenen Daten ein übersichtliches Modell der räumlichen Verteilung der Galaxien in der Lokalen Gruppe zu basteln.
(ID-Nummer: 1051485)

»Im Banne der Dunklen Materie« geht auf die rätselhafte Rotation der Galaxien ein und bietet spannende Anknüpfungspunkte für den Physikunterricht. Behandelt werden der Zusammenhang zwischen der Rotation der Welteninsel und der Dunklen Materie unter Berücksichtigung des dritten keplerschen Gesetzes.
(ID-Nummer: 1051524)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 30:
In seiner Himmelsdurchmusterung stieß das Weltraumteleskop WISE auf rund tausend Objekte, die im infraroten Spektralbereich extrem hell leuchten. Sie sind hier durch die roten Kreise markiert. Bei ihnen könnte es sich um eine bisher unbekannte Galaxienart handeln.

Abb. S. 31:
WISE 1814+3412 leuchtet in den Wellenlängen von 12 und 22 Mikrometern sehr hell, in den kürzeren Wellenlängen jedoch überhaupt nicht. Dies deutet darauf hin, dass die Galaxie so staubig ist, dass nicht nur sichtbares Licht, sondern auch kurzwellige Infrarotstrahlung vom Staub absorbiert wird.


© 2013 Franziska Konitzer, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

*

Quelle:
Sterne und Weltraum 5/13 - Mai 2013, Seite 30 - 31
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528 150, Fax: 06221/528 377
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2013