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INSTRUMENTE/396: NOEMA, das nördliche erweiterte Millimeter-Array (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 8/15 - August 2015
Zeitschrift für Astronomie

Kurzbericht
NOEMA, das nördliche erweiterte Millimeter-Array

Von Axel M. Quetz


In 2550 Metern Höhe entsteht in den Alpen in deutsch-französischer Zusammenarbeit das leistungsfähigste Millimeterwellen-Observatorium der nördlichen Hemisphäre.


Astronomen haben die riesengroße Bandbreite des elektromagnetischen Spektrums nach und nach für sich erobert. Angefangen mit der Analyse des sichtbaren Lichts fanden sie bald Zugang zu den benachbarten Regionen, dem Infrarot- und dem Ultraviolettbereich. In der Mitte des letzten Jahrhunderts kam die Radioastronomie hinzu. Heute umkreisen Satellitenobservatorien die Erde und beobachten im Röntgen- und Gammastrahlenbereich auf der kurzwelligen Seite, und im Infrarotbereich auf der langwelligen Seite - also in Spektralbereichen, die von der Erde aus nur schwer oder gar nicht zugänglich sind.

Eine große Lücke wurde allerdings erst im Sommer 2014 mit ALMA geschlossen: hochauflösende Beobachtungen im Millimeter- und Submillimeterbereich. Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array in Chile hat seitdem zahlreiche bemerkenswerte Resultate hervorgebracht (siehe zum Beispiel SuW 3/2015, S. 20 und 22). Hier kommt nun NOEMA ins Spiel, das »Northern Extended Millimeter Array«. Es ist eines der größten deutsch-französichen Forschungsprojekte und erschließt diesen Wellenlängenbereich auf der Nordhalbkugel.

Evolution des PdBI

NOEMA ist der Nachfolger von PdBI, dem Plateau-de-Bure-Interferometer, das im Jahr 1979 in Betrieb ging (siehe SuW 3/2009, S. 20). Das Observatorium auf dem Plateau-de-Bure in den französischen Alpen wird vom Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) mit Sitz in Grenoble betreut.

Zu den vorhandenen sechs verschiebbaren Antennen kommen weitere sechs mit ebenfalls 15 Meter Durchmesser hinzu, deren erste im September 2014 eingeweiht wurde. Im Februar 2015 erfolgte das »first light«. Jährlich soll nun eine Antenne hinzukommen, so dass das neue Interferometer mit zwölf Parabolspiegeln bis zum Jahre 2019 vollständig errichtet sein wird.

NOEMA hat wie sein Vorgänger eine maximale Basislänge von 760 Metern in ost-westlicher Richtung und 368 Metern in nord-südlicher Richtung. Mit diesen Basislängen korrespondieren maximale Auflösungen von 0,43 Bogensekunden bei einer Beobachtungswellenlänge von 1,3 Millimetern (230 Gigahertz).

Obwohl die Zahl der NOEMA-Antennen verglichen mit den 66 Antennen von ALMA deutlich geringer ist, lässt sich damit eine ähnliche Empfindlichkeit erreichen. Denn die gesamte Sammelfläche von NOEMA beträgt wegen der größeren Durchmesser immerhin ein Drittel derjenigen von ALMA. Hinsichtlich der Auflösung hat ALMA deutlich die Nase vorn, denn dort lässt sich eine maximale Basislänge von 16 Kilometern realisieren.

Nun gelang mit NOEMA die erste wissenschaftliche Aufnahme: Im verschmelzenden Galaxienpaar NGC 4194 im Sternbild Großer Bär bildete das Millimeterwellenlängen-Interferometer eine Region mit heftiger Sternentstehung ab. Sie war zuvor unbekannt. Gleichzeitig beweist die Aufnahme schon vor der Komplettierung der Anlage deren hervorragende Eigenschaften.

Die Beobachtungen des IRAM-Teams unter der Leitung von Sabine König erfolgte im Licht von Blausäure (HCN) und dem Formyl-Kation (HCO+) bei Wellenlängen von rund drei Millimetern. Sie förderten eine rund 500 Lichtjahre große Region zutage, die mit sehr jungen Sternen angefüllt ist. Diese sind erst vor kurzer Zeit entstanden und verstecken sich im sichtbaren Licht hinter dichten Gas- und Staubwolken. Trotz mehrerer Untersuchungen in anderen Spektralbereichen blieb zuvor verborgen, was es mit dieser Region, die den Namen »Auge der Medusa« trägt, auf sich hat.

Dieser erste Blick mit NOEMA in das Medusenauge zeigt tausende neu geborener Sterne. Sie erstrahlen in ihrer Sternenkrippe, die durch die Kollision der beiden Galaxien und den daraus resultierenden Impuls von Sternentstehung entstand.


Der Medusa-Merger und das Auge der Medusa

NGC 4194 ist ein Paar kollidierender Galaxien in rund 100 Millionen Lichtjahren Entfernung, genannt Medusa-Merger. Die Aufnahme mit dem Weltraumteleskop Hubble zeigt deutlich einen Gezeitenschweif, das »Haar der Medusa«. Das erste Bild mit NOEMA enthüllt den Kern von NGC 4194 im Licht von Millimeterwellen. Das hier orange gefärbte »Auge der Medusa« ist eine Sternenkrippe, wie die neuen Messungen mit NOEMA zeigen. Dort findet heftige Sternentstehung statt. Es liegt direkt unterhalb des hier weiß und grün erscheinenden Zentralbereichs des Systems, in dem sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch befindet. Das Farbkompositbild zeigt in Grautönen die Hubble-Aufnahme, orange steht für die Strahlung der Formyl-Kationen (HCO+). Grün gefärbt ist die Kontinuumsstrahlung bei der Wellenlänge drei Millimeter.


Mit NOEMA werden bis zur vollen Ausbaustufe in vier Jahren auch die nördlichen Himmelsbereiche mit den schon von ALMA her bekannten ausgezeichneten Beobachtungsmöglichkeiten zugänglich. Man darf gespannt sein.

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Literaturhinweise

Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 16. September 2014: NOEMA auf der Suche nach unseren Ursprüngen: www.mpg.de/8413328

Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 16. Juni 2015: NOEMA blickt in einen fernen Kreißsaal der Sterne: www.mpg.de/9265937

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WiS in Sterne und Weltraum

Der Beitrag »Mit ALMA zu neuen Horizonten der Astronomie« eignet sich für den Kurzbericht »NOEMA, das nördliche erweiterte Millimeter-Array« auf S. 22: Das ALMA-Projekt verspricht neue Einsichten in den Kosmos und kann den Schüler zum Staunen bringen. Wesentliche mit dem Projekt im Zusammenhang stehende physikalische Zusammenhänge wie zum Beispiel das Auflösungsvermögen und das plancksche Strahlungsgesetz werden thematisiert.
(ID-Nummer: 1051398)


Bildunterschrifte der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildunge der Originalpublikation:

- Auf dem Plateau de Bure entsteht bis zum Jahr 2019 NOEMA, ein Millimeterwellen-Interferometer für die nördliche Hemisphäre. Seine dann zwölf 15-Meter-Antennen lassen sich über die maximale Basislänge von 760 Metern positionieren und ermöglichen damit eine Auflösung von 0,43 Bogensekunden in diesem wichtigen Spektralbereich.


Der Artikel ist als PDF-Datei mit Abbildungen abrufbar unter:
http://www.spektrum.de/pdf/suw-2015-08-s022-pdf/1353786

© 2015 Axel M. Quetz, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 8/15 - August 2015, Seite 22 - 23
URL: http://www.spektrum.de/pdf/suw-2015-08-s022-pdf/1353786
WIS-Artikel
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
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Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2015

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