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KOMET/071: Asteroiden und Kometenkörper - Zeugen kosmischer Heimatkunde (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 3/2009

Zeugen kosmischer Heimatkunde

Von Thomas Bührke


Lange führten sie im Sonnensystem ein Schattendasein: die Asteroiden und Kometenkörper. Sie sind sehr klein, lichtschwach und deshalb schwer zu beobachten. Doch sie können viel Spannendes über die Entstehung des Sonnensystems erzählen. Astronomen aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau rekonstruieren diese kosmische Geschichte.


Im Sonnensystem herrscht eine Ordnung wie im Ancien Régime: Im Zentrum steht der Sonnenkönig, um den sich alles dreht. Die erdähnlichen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars kreisen, wie der Hofadel, am nächsten um die Sonne. Weit draußen, dem Landadel ähnlich, führen die Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun ihr Dasein.

Doch zahlenmäßig machen die Asteroiden und Kometen die große Masse im Sonnensystem. Wie das einfache Volk in der Geschichtsschreibung wurden sie von den Astronomen lange vernachlässigt. Zu Unrecht, denn diese Kleinkörper können viel darüber verraten, wie das Sonnensystem zu dem wurde, was es heute ist. Diese Geheimnisse entlocken ihnen Astronomen aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung mit Teleskopen, Simulationen oder mit Raumsonden, die sie zu den Himmelskörpern schicken.

Die meisten Asteroiden, nämlich wohl mehr als eine Million mit einem Durchmesser von einem Kilometer oder mehr, ziehen im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter ihre Bahnen um die Sonne. Ihr Abstand zu unserem Stern beträgt zwischen 2,0 und 3,3 Astronomischen Einheiten, wobei eine Astronomische Einheit (AE) der Entfernung Sonne-Erde entspricht. Jenseits von Neptun fristen im Kuipergürtel weitere Objekte aus Eis und Gestein ihr Dasein. Pluto ist der zweitgrößte Vertreter von ihnen, seit ihn die Internationale Astronomische Union vor drei Jahren wegen mangelnder Größe aus dem planetarischen Adel verstoßen und zum Zwergplaneten degradiert hat. Der Kuipergürtel erstreckt sich über eine Entfernung von 30 bis 50 Astronomischen Einheiten.


Bauschutt aus der Frühzeit des Sonnensystems

Nach Schätzungen der Astronomen umschwirren mindestens 70 000 Kuiperobjekte mit mehr als hundert Kilometer Durchmesser die Sonne, mehr als 1300 von ihnen wurden in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten entdeckt. Es handelt sich um übrig gebliebenes Baumaterial aus der Frühzeit des Sonnensystems, das sich nie zu einem großen Planeten zusammengelagert hat.

Doch damit ist der Rand des Sonnensystems noch lange nicht erreicht. Ganz weit draußen, bis zu einer Distanz von mehreren zehntausend Astronomischen Einheiten, und mit keinem Teleskop auffindbar, ziehen in der Oortschen Wolke weitere eiskalte Körper auf ihren Bahnen dahin. Aus diesem Reservoir kommen langperiodische Kometen, die nur alle paar tausend Jahre im inneren Sonnensystem erscheinen.

Kurzperiodische Kometen, die im Abstand von maximal etwa 200 Jahren am Himmel auftauchen, gehörten dagegen einst zum Kuiperring. Wurde einer von ihnen durch die Schwerkraftwirkung eines Planeten aus diesem Gebiet herauskatapultiert, so näherte er sich auf einer elliptischen Bahn der Sonne. Bei der ständig steigenden Temperatur verlieren diese Körper immer mehr Gas und Staub und erscheinen als Kometen am Nachthimmel.

Ganz ungefährlich ist die Reise der Asteroiden und Kometen nicht: Die meisten Körper ziehen in der kosmischen Ordnung zwar seit Jahrmilliarden ihre Bahnen um die Sonne, aber sie können mit einem Planeten, auch der Erde, zusammenstoßen. Schon Isaac Newton fragte sich im 17. Jahrhundert, ob das System wirklich stabil ist. Er konnte es nicht beweisen und hielt ein göttliches Eingreifen für notwendig, sollte das kosmische Uhrwerk einmal aus dem Takt geraten.

Auch wenn Newton wahrscheinlich die falschen Konsequenzen zog, seine Zweifel an der Beständigkeit des Sonnensystems waren gar nicht so abwegig. In ferner Zukunft wird zwar vermutlich kein Planet durch die Schwerkraftwirkung der anderen Planeten aus seiner Bahn geworfen. Aber in den vergangenen Jahren mehren sich die Anzeichen, dass das Sonnensystem keinesfalls von Beginn an seine heutige Struktur besaß. "Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die großen Planeten anfänglich über weite Strecken gewandert sind, bevor sie ihre derzeitigen Bahnen eingenommen haben", sagt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.

Demnach hat sich unser Sonnensystem in seiner wilden Jugend gewissermaßen zurechtgerüttelt, bevor es zur Ruhe kam. Doch wie lässt sich das heute noch feststellen? Da helfen die kosmischen Vagabunden: "Anders als die meisten Planeten haben sich die Asteroiden und Kometenkerne seit ihrer Entstehung kaum mehr verändert. Sie beinhalten noch Informationen über die Geburt des Sonnensystems", sagt Böhnhardt. Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich der Wissenschaftler mit diesen Himmelskörpern und versucht ihnen ihre Geschichte zu entlocken.


Farben und Umlaufbahnen hängen zusammen

Ursprünglich nahmen die Astronomen an, dass die Objekte im Kuipergürtel dort entstanden, wo man sie heute noch findet. Dann sollten sie alle etwa dieselben Eigenschaften und ähnliche Oberflächenfarben aufweisen. Das ist jedoch nicht der Fall. "Überraschenderweise gibt es eine breite Vielfalt zwischen rötlichen und grau-weißen Körpern", erklärt Böhnhardt.

Als er im vergangenen Jahr zusammen mit Kollegen aus Frankreich und den USA etwa 170 Kuiperobjekte detailliert untersuchte, stieß er auf einen Zusammenhang zwischen den Farben und den Umlaufbahnen. Die Forscher unterscheiden heute mehrere Klassen von Kuiperobjekten. So gibt es etwa die "klassischen" Körper, die sich in einem Entfernungsbereich von 40 bis 50 Astronomischen Einheiten auf nahezu kreisförmigen Bahnen bewegen. Diese Objekte sehen, wie die Studie zeigte, überwiegend rötlich aus. Eine andere Gruppe - die sogenannten gestreuten Kuiperobjekte - bewegen sich hingegen auf elliptischen Bahnen und erscheinen überwiegend weiß. Wie lässt sich das erklären?

Bei Temperaturen unter minus 200 Grad Celsius sind die Oberflächen der Kuiperobjekte vorwiegend mit Wasser- und Methaneis bedeckt, das einem ständigen Beschuss energiereicher Teilchen und UV-Strahlung aus dem All ausgesetzt ist. Im Laufe von Jahrmilliarden wandelt sich dadurch Methan in komplexere organische Verbindungen um, etwa in Tholine, die dem Himmelskörper einen rötlich-braunen Anstrich geben. So ließen sich die Farben der klassischen Kuiperobjekte erklären. Doch warum sind dann die gestreuten Körper eher weißlich?


Kosmische Kollisionen setzten Eis frei

Diese Objekte bewegen sich auf elliptischen Bahnen, was vermehrt zu Zusammenstößen untereinander führt. Bei solchen kosmischen Kollisionen wird frisches, weißes Eis aus dem Innern freigesetzt und lagert sich auf der Oberfläche ab. "Zusammenstöße spielen sicher eine große Rolle bei der Entwicklung der Kuiperobjekte", sagt Böhnhardt. Aber ob sie alle Eigenschaften erklären können, ist noch offen. Diese Kleinkörper können sich natürlich auch aus unterschiedlichen Stoffen zusammensetzen.

Dass die Kuiperobjekte zudem mehrere Hauptgruppen bilden, die sich aufgrund ihrer Bahneigenschaften unterscheiden, ist bislang auch nur zum Teil verstanden. Vier dieser Familien werden heutzutage von der Schwerkraft der großen äußeren Planeten auf ihre Bahnen gezwungen. Doch für zwei weitere Gruppen liegt die Ursache vermutlich in einer turbulenten Frühphase unserer kosmischen Heimat.

Als sich im jungen Sonnensystem die Planeten gebildet hatten, bewegten sie sich in einer Scheibe um die Sonne, die auch sehr viele Kleinkörper unterschiedlicher Größe enthielt. Schon 1984 fanden der damals am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung arbeitende Wing Ip und ein Kollege heraus, dass die großen Planeten mit ihrer gewaltigen Schwerkraft das Kleinzeug im Sonnensystem hin und her geschleudert haben müssen. Doch ganz unberührt blieben auch die Planeten davon nicht. Je nach Konstellation verloren oder gewannen sie bei diesen Vorgängen Energie und wanderten infolgedessen auf spiralförmigen Bahnen näher an die Sonne heran oder von ihr weg.

Diese Grundidee haben Theoretiker des Observatoriums Nizza vor vier Jahren in aufwendigen Computersimulationen durchgespielt. Dabei gelang ihnen eine Aufsehen erregende Entdeckung. Durch die Wechselwirkung mit den Kleinkörpern bewegte sich Jupiter an die Sonne heran, während Saturn, Uranus und Neptun nach außen drifteten. Neptun riss dabei einen Schwarm von Kleinkörpern mit sich, die man nun in ganz bestimmten Umlaufbahnen im Kuipergürtel wiederfindet. Auch die Existenz einer anderen Gruppe lässt sich mit diesem Planetenbillard recht gut erklären.


Als die inneren Planeten heftig bombardiert wurden

Dieses Nizza-Modell trifft noch eine weitere Vorhersage. Während der Planetenwanderung gab es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Phase, in der Saturn für einen Sonnenumlauf genau doppelt so lange benötigte wie Jupiter. Bei dieser sogenannten 1:2-Bahnresonanz wurde die Schwerkraft-Wechselwirkung zwischen diesen beiden Körpern maximal, und die Bahnen verformten sich in kurzer Zeit zu Ellipsen.

Auf elliptischen Bahnen kreuzten die Planeten aber häufig die Kreisbahnen der nahen Kleinkörper, und diese wurden nun vermehrt auch in Richtung Sonne katapultiert. Die Folge war ein erhöhter Beschuss der inneren Planeten, zu der auch die Erde und der Mond gehörten. Auf diese Weise ließe sich das Große Bombardement (Late Heavy Bombardement) erklären, bei dem die inneren Planeten rund 700 Millionen Jahre nach ihrer Entstehung von besonders vielen kosmischen Geschossen getroffen wurden.


Kuiperobjekte - im Infrarotlicht beobachtet

So könnte das Nizza-Modell auf elegante Weise gleich mehrere Phänomene im Sonnensystem erklären. Ob es sich wirklich so abgespielt hat, muss die zukünftige Forschung erweisen. Hierfür hat Hermann Böhnhardt zusammen mit Thomas Müller vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und weiteren Astronomen ein Programm am kürzlich gestarteten Weltraumobservatorium Herschel der Europäischen Weltraumorganisation ESA initiiert. Es ist das größte jemals im All stationierte Teleskop. Damit wollen die Forscher im Infrarotlicht die Eigenschaften von möglichst vielen Kuiperobjekten ermitteln und haben dafür fast 400 Stunden Beobachtungszeit erhalten.

Die Folgen des Großen Bombardements lassen sich noch heute auf der Oberfläche des Mondes erkennen: Die großen, dunklen Mare zeugen von den schweren Treffern. Doch ohne Frage gab es auch vorher schon heftige Einschläge. Astronomen diskutieren deshalb seit Langem über die Frage, ob Kometen auf diese Weise das Wasser auf die Erde gebracht haben könnten. Die Frage ist auch spannend, weil Kometen organische Moleküle in sich tragen. Erst kürzlich entdeckten amerikanische Forscher in dem Kometenstaub von Wild 2 die Aminosäure Glycin. Brachten die Schweifsterne also vielleicht auch Lebenskeime auf unseren Planeten?

Eine ebenso reizvolle wie gewagte Hypothese, die sich durchaus überprüfen lässt. Wasser ist nämlich nicht gleich Wasser. Ein Wassermolekül besteht aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Neben dem normalen Wasserstoff mit einem Proton im Kern existieren in der Natur zwei weitere Isotope: Deuterium und Tritium. Sie enthalten im Kern zusätzlich zu dem Proton noch ein beziehungsweise zwei Neutronen.

Im "Standardwasser" auf der Erde kommt auf 6410 Atome Wasserstoff ein Atom Deuterium. In Kometen ließ sich dieses Verhältnis bislang nur in drei Fällen messen: bei Halley, Hyakutake und Hale-Bopp. Demnach enthielten sie einen deutlich höheren Anteil an Deuterium. Doch die Ergebnisse waren sehr ungenau. Im vergangenen Jahr gelang es einem Astronomenteam, dem Böhnhardt angehörte, in dem Kometen Tuttle Deuterium spektroskopisch zu messen.

Dafür nutzten die Wissenschaftler den derzeit leistungsstärksten Spektrografen am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Das Ergebnis war eindeutig: Das Wasserstoff-Deuterium-Verhältnis betrug 2445:1 und war damit nicht einmal halb so groß wie auf der Erde, was gut mit den Beobachtungen der drei anderen Kometen übereinstimmte. Anders gesagt: In den Kometen hat sich Deuterium im Vergleich zur Erde erheblich angereichert.


Interplanetare Vagabunden als Wasserträger?

Damit spricht im Moment alles dafür, dass Kometen nur einen kleinen Teil des Wassers auf die Erde gebracht haben - wenn überhaupt. Abschließend beantwortet ist diese Frage aber noch nicht. "Wir müssen erst noch klären, ob das Isotopenverhältnis in allen Kometen gleich ist", gibt Hermann Böhnhardt zu bedenken.

Es bleibt also reichlich Forschungsbedarf bei den Kometen und Kuiperobjekten. Beobachtungen mit leistungsstarken Teleskopen sind eine Möglichkeit, hinfliegen die andere. Nachdem Europas Raumsonde Giotto im Jahr 1986 zum ersten Mal einen Kometen von Nahem fotografiert und untersucht hat, sind nur wenige weitere Raumschiffe zu einem Kometen geflogen: Die amerikanische Sonde Stardust hat den Kometen Wild 2 erreicht, in dessen Schweif Staub eingesammelt und im Januar 2006 zur Erde gebracht.


Ein Projektil bohrt sich in den Kometenkern

Besonders spektakulär verlief die Begegnung von Deep Impact mit Tempel 1. Denn das Raumschiff schoss ein 360 Kilogramm schweres Projektil in den rund drei Kilometer großen Kometenkern. Als dieses am 4. Juli 2005 einschlug, gab es eine heftige Explosion, bei der Material aus der Oberfläche herausgeschleudert wurde. Auf diese Weise war es erstmals möglich, Materie aus dem Innern eines Kometen zu studieren.

Da die Muttersonde selbst nur eingeschränkte Messmöglichkeiten besaß, hatte die damalige Deep-Impact-Wissenschaftlerin Karen Meech von der Universität Hawaii ein weltweites Beobachtungsprogramm initiiert. Teleskope von fast einhundert Observatorien waren auf den Kometen gerichtet, um das Licht der ausgeworfenen Materie zu studieren. "Bei der ESO standen dafür am 4. Juli alle Teleskope zur Verfügung", erinnert sich Böhnhardt.

Ein Resultat hat den Forscher besonders gewundert: In dem aufgewirbelten Staub ließen sich Silikate in Kristallform nachweisen. Das war überraschend, weil diese nur bei hohen Temperaturen entstehen. Man nimmt aber an, dass sich Kometen in großer Entfernung von der Sonne, wo die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt liegen, gebildet haben. In dieser kühlen Region finden sich aber erfahrungsgemäß nur amorphe, also unregelmäßig geformte Silikate. Durch den Einschlag des Projektils von Deep Impact können die Kristalle nicht entstanden sein. "Dafür war dessen Energie viel zu gering", sagt Böhnhardt. Wie kamen sie dann in den Kometen?

Die Mehrzahl der Astronomen vermutet heute, dass im solaren Urnebel heißes Material aus der Sonnennähe in die Außenbereiche transportiert worden sein muss, wo es dann in die Kometen eingebaut wurde. Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg haben diese Hypothese vor wenigen Monaten bestätigt. Sie fanden in den Randbereichen der Staubscheibe eines fernen jungen Sterns namens EX Lupi kristalline Silikate. EX Lupi befindet sich heute in einem Stadium, das unsere Sonne vor mehr als vier Milliarden Jahren durchlief. Die Verhältnisse sollten sich daher übertragen lassen. Auf welche Weise der Transport der Kristalle in die Außenbereiche der Scheibe stattfand, ist allerdings noch ungewiss.


Koma und Schweif im Visier

Das nächste Highlight in der Kometenforschung wird die ESA setzen. Wenn alles nach Plan verläuft, erreicht die Raumsonde Rosetta im Jahre 2014 den Kometen Churyumov-Gerasimenko und schwenkt in eine Umlaufbahn ein. Nach einigen Monaten wird die Muttersonde dann die etwa hundert Kilogramm schwere Landesonde Philae abstoßen, die auf dem nur wenige Kilometer großen Kometenkern weich aufsetzen soll. Dann wird es zum ersten Mal möglich sein, einen Kometen vor Ort eingehend zu untersuchen.

Bis dahin vergeht noch etwas Zeit, aber für Hermann Böhnhardt und seine Kollegen haben die Vorbereitungen bereits begonnen. Sie studieren mit großen Teleskopen die Aktivität des Kometen, um etwa herauszufinden, in welcher Sonnenentfernung die gefrorenen Gase zu sublimieren beginnen und eine Koma oder einen Schweif erzeugen.

Rosetta selbst hat einen Test bereits mit Bravour bestanden. Im September vergangenen Jahres flog sie in nur 800 Kilometer Entfernung an dem Asteroiden Steins vorbei. Alle Bordinstrumente wurden angeworfen, um sie viereinhalb Jahre nach dem Start erstmals für wissenschaftliche Zwecke zu testen.

Leider schaltete die Telekamera des OSIRIS-Kamerasystems neun Minuten vor der engsten Annäherung in den Sicherheitsmodus, sodass nur Bilder der Weitwinkel-Kamera zur Erde gelangten. Sie zeigen einen etwa fünf Kilometer großen Körper, der mit tiefen Kratern übersät ist. "Der Telekamera geht es jedoch gut", versichert Horst Uwe Keller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, unter dessen Leitung OSIRIS entwickelt wurde.

Nun warten alle Kometenforscher gespannt auf Rosettas Ankunft bei Churyumov-Gerasimenko. Und wenn Philae auf dem Kometen landet, werden Wissenschaftler aus Katlenburg-Lindau auch mitfiebern. Sie entwickelten federführend das Instrument COSAC, das nach organischer Materie in dem kalten Brocken aus Eis und Gestein suchen soll.


Glossar

Asteroiden
Körper, auch Kleinplaneten oder Planetoiden genannt, die sich auf mehr oder weniger elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen. Die kleinsten Asteroiden ähneln einem Steinchen, der größte ist Pallas mit 546 Kilometer Durchmesser. Derzeit sind rund eine halbe Million Asteroiden bekannt. Einige kreuzen die Erdbahn und können mit unserem Planeten zusammenstoßen. Dringt ein kleiner Asteroid in die Atmosphäre ein, glüht er als Meteor auf. Was dabei übrig bleibt und den Erdboden erreicht, heißt Meteorit.

Kometen
BKörper aus Eis und Gestein, die sich auf stark elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen. Gerät ein Kometenkern in Sonnennähe, so setzt er Gas frei. Es sammelt sich zunächst in einer Koma um den Körper an, wird dann aber vom Teilchenwind und der Strahlung der Sonne zu dem charakteristischen Schweif in die Länge gezogen.

Kuipergürtel
Ringförmige Asteroidenzone jenseits der Neptunbahn, die sich über einen Entfernungsbereich von 30 bis etwa 50 Astronomischen Einheiten erstreckt. Das erste Kuiperobjekt wurde 1992 entdeckt.

Oortsche Wolke
Kugelschalenförmiger Bereich, in dem Asteroiden das Sonnensystem in einer Entfernung von etwa 300 bis 60000 Astronomischen Einheiten (50000 Astronomische Einheiten entsprechen einem Lichtjahr) umkreisen. Aus ihr stammen die langperiodischen Kometen.

Sublimation
Der unmittelbare Übergang vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand. Bei Kometen etwa sublimieren leicht flüchtige Substanzen auf der sonnenzugewandten Seite des Kerns und reißen ins Eis eingebettete Staubteilchen mit. So entstehen Koma und Schweif.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 3/2009, Seite 34-41
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2010