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MELDUNG/019: Portugal - Größtes Radioteleskop der Welt soll unbekannte Galaxien erforschen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2010

Portugal: Größtes Radioteleskop der Welt soll unbekannte Galaxien erforschen

Von Mario Queiroz


Lissabon, 30. Dezember (IPS) - Im Süden Portugals fällt im kommenden Jahr der Startschuss zu einem ehrgeizigen Wissenschaftsprojekt. Das weltweit größte Radioteleskop soll weit von der Erde entfernte Planeten erforschen. Die übertragenen Daten werden die gesamten innerhalb eines Monats im Internet zikulierenden Informationen um das 200-Fache übertreffen. Der endgültige Standort ist in Australien, Neuseeland oder Südafrika geplant.

Die für die Vorbereitung des Projekts zuständige Kommission entschied, die Versuche mit Prototypen im südportugiesischen Distrikt Moura durchzuführen. Das neue Teleskop soll 50 Mal genauer arbeiten als seine Vorläufer. Der Beginn der Bauarbeiten, deren Kosten mit rund 1,5 Milliarden Euro veranschlagt werden, ist für 2011 geplant.

2020 soll das riesige Teleskop SKA (Square Kilometre Array) seine Arbeit aufnehmen. Der Portugiese Domingos Bartosa, der dem Initiativkomitee angehört, nannte SKA "eines der fünf größten wissenschaftlichen Vorhaben des 21. Jahrhunderts".

Bei den anderen vier Projekten handelt es sich um den Kernfusionsreaktor ITER in Frankreich, den 'Large Hadron Collider' - eine Anlage zur Teilchenbeschleunigung - in der Schweiz sowie die ALMA-Radioteleskope im Norden Chiles und das 'European Extremely Large Telescope' (E-ELT) in Chile.

SKA ist ein noch ehrgeizigeres Projekt als ALMA, das 66 Radioteleskope in der nordchilenischen Atacama-Wüste umfasst. Das Teleskop in Portugal soll auf 3.000 Quadratkilometer Fläche entstehen und damit hundert Mal größer werden als die Anlage VLA (Very Large Array) im US-Bundesstaat New Mexico.


Wie ein gigantischer Seestern

Aus der Luft betrachtet wird SKA wie ein gigantischer Seestern wirken. "Die Auswirkungen des Teleskops auf alle Bereiche der Astronomie werden einen unschätzbaren Wert haben", meinte der Wissenschaftsjournalist Virgilio Azevedo vom Wochenmagazin 'Expresso'.

Die Versuche mit den Prototypen sollen ab dem kommenden Sommer auf einem weiträumigen Landgut in Moura durchgeführt werden. Diese erste Testphase wird von einem Team aus britischen, niederländischen und portugiesischen Wissenschaftlern geleitet.

Nach einigen Monaten ist der Baubeginn vorgesehen. Hinter dem Projekt steht das Konsortium 'Square Kilometre Array Design Studies' (SKADS), das hauptsächlich von der Europäischen Union finanziert wird. Außerdem beteiligen sich 34 Forschungsinstitute aus Australien, China, den USA, Russland und Südafrika.

Laut Barbosa liegen die Vorteile des Versuchsgeländes in Moura etwa 150 Kilometer südlich der Hauptstadt Lissabon klar auf der Hand. In der Region Alentejo scheint in vielen Monaten die Sonne. Zudem sind die Temperaturen höher als in anderen Teilen Europas. SKA, das zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll, kann dafür ganz in der Nähe die weltweit drittgrößte Photovoltaik-Anlage 'Amareleja' nutzen.

Das neue Riesenteleskop wird erstmals die Beobachtung von Sternen in weit entfernten Galaxien ermöglichen und dabei helfen, die Voraussetzungen für Leben in anderen Planetensystemen zu erkunden. Außerdem sollen durch SKA die Entstehung der ersten Galaxien, Kollisionen von Schwarzen Löchern und die Geburt von Planeten in anderen Sonnensystemen erforscht werden.

Die technische Leistung des Radioteleskops wird so immens sein, dass damit theoretisch Fernsehsignale von Planeten in der Umlaufbahn eines Sterns in der Nähe der Sonne empfangen werden könnten.

SKA wird selbst die Dimensionen der Parabolantenne des Radioteleskops in Puerto Rica mit einem Durchmesser von 300 Metern und die 27 Antennen von VLA in New Mexico in den Schatten stellen. Das neue Teleskop wird aus 3.000 Parabolantennen und 250 weiteren Antennenkomplexen bestehen. Damit kann eine Datenmenge übertragen werden, die die gesamten innerhalb eines Monats im Internet zirkulierenden Informationen um das 200-Fache übersteigt. Der Super-Computer des Teleskops soll ab 2020 die Leistung von 1.000 PCs erbringen. Die Glasfaserkabel der SKA-Kommunikationsnetze werden so lang sein, dass sie zehn Mal um die Erde gelegt werden könnten.


Neue Generation des Internets notwendig

Die Dimensionen des Teleskops sind so enorm, dass außer dem Super-Computer auch ein Internet einer neuen Generation notwendig wird. Damit sollen alle Antennen der Anlage miteinander verbunden werden.

Seit 1995 der Schweizer Michel Mayor den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckte, sind mehrere Astronomenteams auf fast 500 neue Welten gestoßen, die alle zu unserer Galaxie gehören. Dort gibt es etwa 200 Milliarden Sterne, um die etwa 46 Milliarden Planeten kreisen.

Laut einer kürzlich von der US-Weltraumbehörde NASA im Fachmagazin 'Science' veröffentlichen Studie könnte mindestens jeder vierte Stern in unserer Galaxie Planeten vom Umfang der Erde besitzen. Eine der Hauptautoren der Studie, Geoff Marcy von der Universität von Kalifornien, geht davon aus, dass allein in der Milchstraße mehrere Millionen Planeten existieren. Auf etwa hundert von ihnen könnte es theoretisch lebende Organismen geben. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.skatelescope.org/
http://www.nasa.gov/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=97232

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2010