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PLANET/379: Marsmonde Phobos und Deimos zum ersten Mal gemeinsam auf einem Bild (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 11.12.2009

Marsmonde Phobos und Deimos zum ersten Mal gemeinsam auf einem Bild

HRSC auf Mars Express nimmt Phobos und Deimos zusammen und in hoher Auflösung auf


Allerhöchste Präzision ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiche Raumfahrtmissionen. Ein beeindruckendes Beispiel für die perfekte Aufnahmeplanung eines außergewöhnlichen Ziels im Sonnensystem ist nun Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit der Raumflugleitung der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt gelungen. Zum ersten Mal konnten die beiden winzigen Marsmonde Phobos und Deimos gemeinsam und in hoher Auflösung in einer Bildersequenz festgehalten werden. Möglich war dies mit dem Super Resolution-Kanal SRC (Super Resolution Channel) der vom DLR betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express.

"Es kommt nur selten vor, dass sich beide Marsmonde vor der Kamera und in Aufnahmerichtung direkt hintereinander aufgereiht befinden", erklärt Harald Hoffmann vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Während der nunmehr fast sechsjährigen Mission kam es schon mehrfach zu einer Konstellation, bei der beide Monde im Sichtfeld der Kamera waren", ergänzt Klaus-Dieter Matz, der die ungewöhnlichen Aufnahmen auf Mars Express gemeinsam mit Harald Hoffmann und in Abstimmung mit der Gruppe des wissenschaftlichen Leiters des HRSC-Experiments, Prof. Gerhard Neukum, an der Freien Universität Berlin (FUB) geplant hat und fügt hinzu: "Die geometrischen Verhältnisse der Konstellation während Orbit 7492 am 5. November 2009 waren allerdings besonders günstig, so dass wir dieses Mal eine Aufnahmesequenz versuchen wollten - und dieser erste Versuch hat prompt das erwartete Ergebnis geliefert!"

Die Aufnahmen unterstreichen zum einen, dass es mit den vorhandenen Bahnparametern von Raumsonde und beiden Marsmonden möglich ist, die anvisierten Objekte mit höchster Zielgenauigkeit anzupeilen. Die Bilddaten dienen aber auch dem langfristigen Ziel des HRSC-Wissenschaftsteams, mit astrometrischen Messungen die bestehenden Orbitmodelle beider Monde zu überprüfen und zu verfeinern.


Nachträgliche "Schärfung" der Aufnahmen durch spezielle Bildverarbeitung

Zum Zeitpunkt der Aufnahmen war Phobos, der größere und innere der beiden Marsmonde, 11.800 Kilometer von Mars Express entfernt. Phobos umrundet den Mars in nur 7 Stunden und 39 Minuten, hat also eine viel höhere Geschwindigkeit relativ zum Planeten, als dies beispielsweise beim Mond der Erde der Fall ist und schon deshalb der Zeitpunkt der Aufnahme präzise geplant sein muss. Deimos befand sich zur Aufnahmezeit in einer Distanz von 26.200 Kilometern zur Raumsonde. Wegen dieser relativ großen Entfernungen kam der Super Resolution-Kanal der HRSC zum Einsatz, ein zusätzlicher Kanal mit einer Extra-Optik, der bei einem Gesichtsfeld von nur 0,5 Grad eine vier Mal höhere Auflösung besitzt als die HRSC.

Die Bilder des Super Resolution-Kanals müssen allerdings wegen eines Dreifach-Fokus-Bildfehlers, der aus einer minimalen geometrischen Verzerrung des Teleskopspiegels in der Kamera herrührt - nachbearbeitet werden. Dies geschieht in der Arbeitsgruppe an der Freien Universität Berlin. "Mit einem komplexen Verfahren ist es jetzt möglich, die Unschärfen in den SRC-Bildern fast vollständig zu eliminieren", erläutert Dr. Gregory Michael von der FUB. "Die Entfernungen zwischen Raumsonde, Phobos und Deimos waren relativ groß, so dass die SRC-Bildauflösung für Phobos bei etwa 110 Meter pro Bildpunkt (Pixel) liegt, und bei dem doppelt so weit entfernten Deimos bei etwa 240 Metern pro Pixel."

Die Umlaufbahn von Mars Express ermöglicht es im Gegensatz zu den beiden Orbitern der amerikanischen Weltraumbehörde NASA Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter nur der ESA-Raumsonde, beide Monde gleichzeitig im Blickfeld zu haben. Mars Express entfernt sich in seinem elliptischen Orbit um etwa 10.000 Kilometer von der Marsoberfläche, was im Idealfall eine "Annäherung" an Deimos von 9000 Kilometern ermöglicht. Das bisher beste Mars Express-Bild von Deimos entstand aus einer Distanz von etwa 10.000 Kilometern, die bislang besten Phobos-Aufnahmen gelangen 2008 aus nur 93 Kilometern Entfernung. Beide Monde umrunden den Mars auf fast kreisförmigen Bahnen nahezu exakt in dessen Äquatorebene.


Hochpräzise Ephemeriden sind die Basis für das genaue Zielen der Kamera

Für die die Bilder machte der SRC während etwa eineinhalb Minuten nacheinander 130 Aufnahmen. Zunächst im Abständen von einer und dann nur einer halben Sekunde. "Als die Bilder vom ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt zu unserem Experiment-Team nach Berlin übertragen waren, erkannten wir sofort, dass sowohl unsere Planungen für die Zielvorgabe der Kamera, als auch die von der ESA vorausberechneten Bahnlagedaten der Raumsonde nahezu perfekt zueinander gepasst haben", freut sich HRSC-Planer Hoffmann. "Wir waren uns aber schon vorher ziemlich sicher, dass die Aufnahmen klappen müssten, denn auch die Kollegen der ESA sahen im Abgleich mit den Daten der Raumlage von Mars Express keinen Anlass, an unserer Programmierung Korrekturen vorzunehmen", sagte Hoffmann weiter. Die Mars-Express-Sonde wird seit ihrem Start am 2. Juni 2003 durch das Europäische Raumfahrtkontrollzentrum (ESOC) der ESA in Darmstadt gesteuert; die Mission wurde erst vor kurzem bis Ende 2012 verlängert.

Voraussetzung für den Erfolg des Experiments sind hochgenaue so genannte Ephemeriden-Tabellen, aus denen die Position von Planeten, Monden und kleinen Körpern im Sonnensystem sowie von Raumsonden herausgelesen werden können. Die Ephemeriden für Phobos und Deimos konnten im Laufe der fast sechsjährigen Mission kontinuierlich verbessert werden, und auch die Flugbahn von Mars Express kann vom ESOC sehr präzise vorausgesagt werden, so dass sich die Position der Sonde zum Zeitpunkt der Aufnahmen nur um wenige Sekunden beziehungsweise Kilometer von der für mehrere Monate vorausberechneten Lage unterschied. "Die Orbitabweichung betrug etwa 10 Sekunden von den erwarteten Werten, was sehr wenig ist und selbst bei einer Kameraöffnung von nur 0,5 Grad noch in der Toleranz liegt", erklärt Klaus-Dieter Matz.


Erforschung von Phobos einer der wissenschaftlichen Schwerpunkte

Neben der globalen Kartierung der Marsoberfläche mit der HRSC in hoher Auflösung, in Farbe und in "3D" stellt die Untersuchung des Marsmondes Phobos einen wissenschaftlichen Schwerpunkt des Kameraexperiments dar. So konnte der unregelmäßig geformte, 27 Kilometer mal 22 Kilometer mal 18 Kilometer große Phobos bereits 127-mal vom HRSC-Kamerasystem aufgenommen werden, wodurch signifikante Verbesserungen der topographischen Modelle des Trabanten, aber auch wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse über den Ursprung und die Entwicklung von Phobos erzielt werden konnten.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Hier erfolgt auch die systematische Datenprozessierung. Die hier gezeigten Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin erstellt.

DLR Mars Express-Sonderseite:
http://www.dlr.de/mars/

Vollständiger Artikel mit Bildern:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-1/9600_read-21513/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 11.12.2009
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2009