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PLANET/471: Mit Wissbegier den Mars erforschen (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 8/12 - August 2012
Zeitschrift für Astronomie

Mit Wissbegier den Mars erforschen
Rover Curiosity landet am 6. August 2012

Von Tilmann Althaus



Ein neues Kapitel der Marsforschung schlägt die US-Raumfahrtbehörde NASA mit ihrer Sonde Curiosity im August 2012 auf. Dieser reich instrumentierte mobile »Feldforscher« soll im Krater Gale auf dem Roten Planeten niedergehen und die Umgebung seines Landeplatzes für rund zwei Jahre lang im Detail erkunden.


IN KÜRZE

• Curiosity (deutsch: Wissbegier) ist der komplexeste und schwerste Marsrover, der je zum Roten Planeten geschickt wurde.
• Die Landung auf dem Mars erfolgt Die erstmals mit dem »Sky Crane«-Verfahren und gilt als hoch riskant.
• Curiosity soll mindestens zwei Jahre lang den rund 154 Kilometer großen Einschlagkrater Gale mit dem Berg Aeolus Mons erforschen und dabei die Gesteine, die Böden und die Atmosphäre im Detail analysieren.


Mit Spannung und großen Erwartungen sehen die Planetenforscher weltweit dem 6. August 2012 entgegen. An diesem Tag soll gegen 07:31 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit die neueste US-Raumsonde auf dem Roten Planeten aufsetzen. Ihr Name: Curiosity, englisch Wissbegier oder Neugier. Curiosity ist ein sechsrädriges Fahrzeug, das in seinen Dimensionen etwa einem Kleinwagen entspricht (siehe Bild in der Druckausgabe).

Der Rover baut auf den Erfahrungen mit den Vorgängersonden Spirit und Opportunity auf, die im Januar 2004 den Mars erreichten und von denen Letztere noch immer aktiv ist. Er ist aber ungleich vielfältiger mit wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet, die weitaus mehr Informationen über das Landegebiet liefern werden. Zudem verfügt er über einen Radioisotopengenerator als Energiequelle und ist somit, anders als seine Vorgänger, unabhängig von der Sonneneinstrahlung. Er soll in seiner rund zweijährigen Primärmission (98 Wochen) bis zu 20 Kilometer auf der Marsoberfläche zurücklegen. Die offizielle Bezeichnung dieser Mission lautet »Mars Science Laboratory« (MSL), auf deutsch etwa »Wissenschaftliches Labor für den Mars«.


Ein siebenminütiger Höllenritt

Um auf den Boden des Roten Planeten zu gelangen, muss die Raumsonde ein äußerst komplexes Landemanöver durchlaufen, das praktisch keinen Spielraum für Fehler lässt. Daher wird es von NASA-Technikern auch »als die sieben Minuten der Hölle« bezeichnet. Zum Zeitpunkt der Landung ist Mars rund 248 Millionen Kilometer von uns entfernt, so dass die Funksignale der Sonde zur Erde rund 14 Minuten benötigen. Somit muss das Landemanöver vollkommen autonom ablaufen - selbst die Missionskontrolleure am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena können nur tatenlos zuschauen. Die Masse von Curiosity beträgt rund 900 Kilogramm. Auf den Weg zum Mars machten sich am 26. November 2011 auf der Spitze einer Atlas-Rakete aber rund 3,5 Tonnen. Das Startgewicht setzt sich zusammen aus der ringförmigen Marschstufe, dem zweiteiligen Hitzeschild, der Landestufe und dem eigentlichen Marsrover.

Die Marschstufe versorgte während der rund achtmonatigen Reise zum Mars die Sonde mit elektrischer Energie und hielt den Funkkontakt zur Erde. Ihre Steuertriebwerke dienten der Feinkontrolle der Transferbahn zum Roten Planeten. Rund zehn Minuten vor dem Atmosphäreneintritt hat die Marschstufe ihre Funktion erfüllt und wird abgetrennt. Sie tritt in die Marsatmosphäre ein und verglüht dabei weit gehend.

Die in ihrem Hitzeschild verpackte Sonde richtet sich nach Abwurf der Marschstufe für den Eintritt in die Marsatmosphäre aus. Sie wirft dann zwei je 75 Kilogramm schwere Tariergewichte ab, die während der Transferphase den Schwerpunkt der Sonde an ihrer Hochachse hielten, um die sie acht Monate lang rotierte. Nun wird diese Rotation mittels kleiner Raketenmotoren gestoppt und die Sonde mit ihrer asymmetrischen Massenverteilung tritt im gewünschten Anstellwinkel mit dem Hitzeschild voran in die dünne Marsatmosphäre ein. Der Eintritt beginnt in rund 130 Kilometer Höhe über der Marsoberfläche mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde (siehe Grafik auf S. 52 oben der Druckausgabe).

Hinsichtlich ihrer Form und Größe lässt sich Curiosity in dieser Missionsphase mit den Raumkapseln der Apollo-Mondflüge vergleichen, tatsächlich ist der 4,5 Meter große Hitzeschild rund einen halben Meter breiter als jene Raumkapseln. Erstmals verfügt eine Raumsonde beim Eintritt in eine Planetenatmosphäre über eine gewisse Manövrierfähigkeit, die es ermöglicht, das vorgesehene ellipsenförmige Landegebiet von 6 x 19 Kilometer Durchmesser mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Je nach den vorgefundenen Bedingungen in der Marsatmosphäre wie Dichte und Temperatur, die sich nicht vorhersagen lassen, leitet der Bordcomputer während des Eintritts S-Kurven zur Kontrolle der Annäherungsgeschwindigkeit und des Anflugwinkels ein und entscheidet darüber autonom. Daher lässt sich nicht genau sagen, wie viele Sekunden nach dem Atmosphäreneintritt bis zum Aufsetzen des Rovers verstreichen werden. Die Zeitspanne beträgt mindestens 370 Sekunden, sie kann aber auch bis zu 460 Sekunden dauern.

Rund 80 Sekunden nach dem Eintritt in die Marsatmosphäre erreicht die Hitzebelastung ihren Höhepunkt, auf der Vorderseite des weiß glühenden Hitzeschilds steigt die Temperatur auf bis zu 2100 Grad Celsius. Die Geschwindigkeit von Curiosity wird beim Auftreffen auf die dichteren Schichten der Marsatmosphäre durch die Reibung beträchtlich gebremst. Rund 255 Sekunden nach dem Atmosphäreneintritt wird in einer Höhe von elf Kilometern und einer Geschwindigkeit von 400 Metern pro Sekunde mit einem Mörsersystem ein Fallschirm herausgeschossen. Er hat voll entfaltet einen Durchmesser von 16 Metern.

Rund 20 Sekunden nach der Aktivierung des Fallschirms wird der vordere Hitzeschild abgesprengt, der auf der Marsoberfläche zerschellt. Zu dieser Zeit ist der Rover noch acht Kilometer über dem Boden und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 125 Metern pro Sekunde. Nun nehmen ein Abstiegsradar und eine spezielle Kamera ihre Arbeit auf. Das Radar ermittelt laufend den Abstand und die Geschwindigkeit relativ zur Oberfläche und überträgt sie an den Bordcomputer für die Steuerung des Landevorgangs. Die Abstiegskamera lichtet das Zielgebiet während des Anflugs ab. Mit ihren Bildern lassen sich nach dem Aufsetzen der genaue Landeort und sein geologisches Umfeld ermitteln. Sie ist auch nach der Landung noch funktionsfähig und kann den Boden direkt unterhalb von Curiosity abbilden.

Für rund 80 Sekunden hängt Curiosity am Fallschirm und sinkt daran bis in eine Höhe von 1,4 Kilometern ab. Er bewegt sich dann mit 80 Meter pro Sekunde in Richtung Marsoberfläche (siehe Bild a unten). Nun wird der obere Hitzeschild mitsamt Fallschirm abgeworfen, und die acht Raketentriebwerke der Landestufe treten in Aktion. Sie drosseln die Abstiegsgeschwindigkeit auf nur noch 75 Zentimeter pro Sekunde, worauf vier von ihnen abschalten (siehe Bild b unten). Zwölf Sekunden vor dem Aufsetzen wird der Rover an drei Seilen von der Landestufe abgelassen, wobei er durch eine elektrische Nabelschnur mit ihr verbunden bleibt. Er hängt dann rund 7,5 Meter unterhalb der Landestufe wie an einem Kran, daher wird diese als »Sky Crane« bezeichnet (siehe Bild c unten). Gleichzeitig klappt der Rover sein Fahrgestell aus, seine sechs Räder weisen nun zur Marsoberfläche. Sobald die Räder Bodenkontakt melden, werden die Verbindungsleinen zum Rover gekappt, die Triebwerke des Sky Crane heulen auf und drücken ihn vom Rover weg (siehe Bildd unten). Er zerschellt wenige Sekunden später in mehr als 150 Meter Entfernung zur Landestelle. Das Landeverfahren gilt in Fachkreisen als äußerst komplex und riskant, was der NASA auch Kritik einbrachte. Aber das bislang bewährte Verfahren der Vorgängersonden Pathfinder, Spirit und Opportunity, den Aufprall mit Airbags zu dämpfen, lässt sich hier nicht anwenden - dafür ist Curiosity mit seinen 900 Kilogramm schlicht zu schwer.


Das Landeverfahren von Curiosity

»Sky Crane«-Manöver
a) Rund 16 Meter im Durchmesser misst der Bremsfallschirm des Marsrovers Curiosity, der sich in diesem Missionsabschnitt noch im Inneren des runden Hitzeschilds unten befindet.
b) Nach dem Abwurf des Hitzeschilds mit dem Fallschirm setzt Curiosity auf seinem Weg zur Marsoberfläche acht Raketentriebwerke ein, die ihre Geschwindigkeit stark reduzieren.
c) Rund zwölf Sekunden vor dem Aufsetzen lässt der »Sky Crane« den Rover Curiosity an drei rund sieben Meter langen Seilen herab, worauf er seine sechs Räder zum Aufsetzen ausklappt.
d) Kontakt! Sobald die Räder von Curiosity den Marsboden berühren, werden die Verbindungsleinen gekappt, und die Landestufe oben fliegt vom Rover weg, um wenige Sekunden später an anderer Stelle auf der Oberfläche zu zerschellen.
Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.


Nach dem Aufsetzen gegen 15 Uhr marsianischer Ortszeit durchläuft der Rover seine ersten Aktivierungsvorgänge, und die Mission beginnt mit dem Marstag Sol 0. Nach der Landung werden am ersten Tag wahrscheinlich nur Daten über den Zustand des Rovers übermittelt, die ersten Bilder vom Landeplatz sollen erst einen Tag später folgen. Diese Planung kann sich aber je nach Ungeduld der Missionskontrolleure noch kurzfristig ändern. Während der Landephase soll vom Marsorbit aus mit der HiRISE-Kamera an Bord der Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter versucht werden, Curiosity dabei zu fotografieren. Ähnliches gelang im Jahr 2008 bei der Landung der US-Raumsonde Phoenix.


Der Krater Gale

Als Landegebiet für Curiosity entschied sich die NASA im Jahr 2011 nach einem mehrjährigen Auswahlverfahren für den äquatornahen Krater Gale bei der Position 4,5 Grad südliche Breite und 137,4 Grad östliche Länge. Er misst rund 154 Kilometer im Durchmesser und wurde 1991 nach dem australischen Astronomen Walter F. Gale (1865-1945) benannt. Er befindet sich südlich der Vulkanregion Elysium (siehe die Bilder in der Druckausgabe).

Das Besondere an diesem Krater ist, dass sich in seinem Inneren ein mächtiger, rund fünf Kilometer hoher Berg erhebt, der aus geschichteten Gesteinen besteht und einen großen Teil des Kraters ausfüllt. Er ist höher als der Mont Blanc in den Alpen. Diese Erhebung, die im Mai 2012 von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) den Namen Aeolus Mons erhielt, ist nicht der ursprüngliche Zentralberg (Central Uplift) des mindestens vier Milliarden Jahre alten Einschlagkraters, sondern entstand später. Die Planetenforscher vermuten, dass er ein Relikt einer einstmals mächtigen Ablagerung von Sedimentgesteinen ist, die durch Erosionsprozesse wie Wind und womöglich auch fließendes Wasser wieder abgetragen wurde. Der Berg ist somit der letzte Rest einer ehemals dicken Sedimentdecke, er überragt auch den Außenrand des Kraters beträchtlich. Da er eine ausgeprägte Schichtung aufweist, hoffen die Planetenforscher, dass in diesen Ablagerungen die geologische und die klimatische Entwicklung des Roten Planeten über einen langen Zeitraum hinweg gespeichert sind.

Möglicherweise kann Curiosity mit seinen Vor-Ort-Untersuchungen dazu beitragen, die Geschichte des Mars zumindest teilweise zu enträtseln. Messdaten der den Mars umkreisenden Raumsonden weisen darauf hin, dass sich in den Schichten nahe am Fuß des Berges Tonminerale und Sulfate befinden, die sich nur in flüssigem Wasser bilden können. Eine der ersten Aufgaben nach der Landung von Curiosity wird es sein, diese Schichten anzufahren und mit den Bordinstrumenten im Detail zu untersuchen. Die eigentliche Landeellipse, in der Curiosity mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent niedergehen wird, befindet sich am nördlichen Fuß des Berges und besteht überwiegend aus flachem Terrain (seit Mai Aeolus Palus genannt). Es ist eine Schwemmebene, vermutlich das Mündungsdelta eines Flusses aus der Frühzeit des Roten Planeten.

Auf jeden Fall wird sich den Kamera augen von Curiosity im Krater Gale ein faszinierendes Panorama bieten, da die Region sehr vielgestaltig ist. Der große Berg ist von Rinnen durchzogen, die offenbar von fließendem Wasser ausgegraben wurden, und die einzelnen Schichten weisen unterschiedliche Farben und Oberflächenstrukturen auf.

Während der rund zwei Erdjahre langen Primärmission wird sich der Rover vorwiegend im direkten Landegebiet am Fuß des Berges aufhalten und dort bis zu 20 Kilometer Fahrstrecke zurücklegen. Sollte Curiosity nach dem Ende dieser Phase noch in gutem Zustand sein, so wird die Mission mit hoher Wahrscheinlichkeit verlängert. In der Fortsetzung hoffen die Missionsplaner darauf, mit dem Rover nach und nach bis zum Gipfel des Berges hinaufzufahren, um ein möglichst vollständiges Bild der geologischen Geschichte zu erhalten. Von dort wird der Rover weit ins Umland hinausblicken können und eindrucksvolle Panoramen liefern.


Ein mobiler Feldforscher

Mit einer Masse von 900 Kilogramm ist Curiosity das bei Weitem schwerste Fahrzeug, das jemals auf dem Roten Planeten aufsetzen soll. Ohne Ausleger ist der Rover 3 Meter lang und bis zu 2,7 Meter breit. Der Kameramast, der »Kopf« von Curiosity, erreicht eine lichte Höhe von 2,2 Metern. Die im Januar 2004 auf dem Mars gelandeten Rover Spirit und Opportunity wiegen dagegen nur 170 Kilogramm und sind maximal 1,6 Meter lang. Die sechs Räder des neuen Rovers haben Durchmesser von 50 Zentimetern und lassen sich in ihren Dimensionen durchaus mit PKW-Breitreifen vergleichen. Sie sind alle mit einem elektrischen Direktantrieb versehen, und die vorderen und hinteren Radpaare lassen sich individuell lenken. Rund 75 Kilogramm der Gesamtmasse von Curiosity entfallen auf die zehn wissenschaftlichen Instrumente an Bord (siehe Kasten); die beiden Marsrover von 2004 trugen dagegen nur rund fünf Kilogramm Messgeräte. Eine so reichhaltige Instrumentierung benötigt eine zuverlässige und potente Stromversorgung, so dass sich die NASA entschloss, Curiosity nicht mit Solarzellen auszustatten, sondern mit einem Radioisotopengenerator (RTG). Dieser nutzt die Zerfallswärme des Plutoniumisotops Pu-238, die mit Hilfe des thermoelektrischen Effekts ohne bewegliche Teile direkt in elektrischen Strom umgewandelt wird (siehe auch SuW 3/1998, S. 220). Im Inneren des RTG befinden sich 4,8 Kilogramm Plutoniumdioxid, damit liefert der Generator eine elektrische Leistung von rund 110 Watt. Wenn alle Instrumente an Bord von Curiosity in Betrieb sind, kann deren Strombedarf die Kapazität des RTG übersteigen. Zur Vermeidung von Stromengpässen ist der Rover daher mit zwei aufladbaren Lithiumionen-Batterien versehen, die eine Kapazität von je 42 Amperestunden aufweisen. Durch die nukleare Stromversorgung ist der Rover unabhängig von den Beleuchtungsverhältnissen und Jahreszeiten auf dem Mars. Somit kann er vor allem chemische Analysen, die mehrere Stunden Messzeit benötigen, auch während der Nacht durchführen.

Die Instrumente von Curiosity
Abkürzung
Name / Funktion
MAHLI
APXS
Brush
Drill / Sieves
Scoop
REMS
MastCam
ChemCam
RAD
MARDI
DAN
CheMin
SAM
Mars Hand Lens Imager (Mikroskopkamera)
Alpha-Protonen-Röntgenspektrometer
Bürste zum Reinigen von Gesteinen
Bohrer und Siebe zur Probenaufbereitung
Schaufel zur Probenaufnahme
Rover Environmental Monitoring Station (meteorologische Sensoren)
Mast Camera (Hauptkamera für Erkundung)
Chemistry & Camera (spektrokopische Fernanalyse)
Radiation Assessment Detector (Strahlungsniveau auf dem Mars)
Mars Descent Imager (Abstiegskamera für die Landung)
Dynamic Albedo of Neutrons (chemische Analyse des Marsbodens)
Chemistry & Mineralogy (röntgenspektrometrische Analysen)
Sample Analysis at Mars (massenspektrometrische Untersuchungen)

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Eine Vielzahl von Instrumenten erlaubt dem Marsrover Curiosity die detaillierte Erkundung der Marsoberfläche.

MastCam: Zur Erkundung seiner Umgebung und der Suche nach neuen interessanten Untersuchungsobjekten ist Curiosity mit zwei hochauflösenden Farbkameras, den MastCams, ausgestattet, die sich in etwa 1,8 Meter Höhe im Kamerakopf des Rovers befinden. Sie haben Brennweiten von 34 und 100 Millimetern und liefern zusammen farbige 3-D-Ansichten der Marslandschaften. Des Weiteren können die Kameras zwar Filme in voller HD-Auflösung aufzeichnen, allerdings wegen der begrenzten Bandbreite der Datenübermittlung nicht live zur Erde funken. Durch ihre Montagehöhe liefern die beiden Kameras Bilder, die den Missionskontrolleuren eine Art von Telepräsenz auf dem Mars erlaubt. Für die Fortbewegung auf dem Mars, und um gefährliche Hindernisse zu vermeiden, ist Curiosity mit zwölf weiteren Kameras ausgerüstet, die der Navigation dienen und aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln die unmittelbare Umgebung des Rovers erfassen.

ChemCam: Auf dem Kameramast ist zudem ChemCam, »Chemistry & Camera«, montiert, deren Arbeitsweise eher an ein Gerät aus der Sciencefiction erinnert. Das Instrument feuert durch ein Spiegelteleskop kurze, energiereiche Laserblitze auf bis zu sieben Meter entfernte Objekte. Dabei wird Material auf etwa einem Quadratmillimeter Fläche verdampft, und die dabei frei werdenden Atome und Moleküle senden charakteristische Strahlung aus. Diese wird vom Teleskop aufgefangen und zu einem angeschlossenen Spektrometer weitergeleitet, das in einem Wellenlängenbereich von 240 bis 850 Nanometern empfindlich ist. Sein Spektralbereich erstreckt sich somit vom Ultravioletten über das sichtbare Licht bis hin zum nahen Infrarot. An das Teleskop von ChemCam ist zudem parallel eine Kamera montiert, die Bilder des Zielbereichs aufzeichnet. Mittels der ChemCam können die Wissenschaftler in kurzer Zeit zahlreiche Analysen vornehmen und die wichtigsten Elementgehalte bestimmen. Besonders interessante Gesteine lassen sich danach noch detaillierter mit den anderen Analysegeräten von Curiosity untersuchen. Die Blickrichtungen des ChemCam-Teleskops und der beiden MastCams sind präzise zueinander ausgerichtet und ergänzen sich perfekt.


Ein Chemielabor für den Mars

An Bord des Rovers befinden sich zwei besonders aufwändige Messinstrumente, die in dieser Form noch nie auf einer Planetensonde installiert worden sind. CheMin, das »Chemistry & Mineralogy Experiment«, analysiert mittels Röntgenverfahren sowohl die mineralogische als auch die chemische Zusammensetzung von Marsgesteinen und Lockermaterialien, während sich SAM, »Sample Analysis at Mars«, der flüchtigen, das heißt leicht verdampfbaren Bestandteile im Marsboden und in der Marsatmosphäre annimmt.

CheMin ist der Traum eines jeden im Gelände arbeitenden Geologen und Mineralogen, lassen sich doch mit diesem kompakten Gerät alle wichtigen Parameter eines Gesteins untersuchen, ohne dafür eine tonnenschwere Ausrüstung einsetzen zu müssen. Es ist sowohl möglich, die im Gestein enthaltenen Minerale zu bestimmen, als auch deren chemische Zusammensetzung mit hoher Präzision zu ermitteln. ChemMin nutzt eine eigens zu diesem Zweck entwickelte Röntgenröhre zur Erzeugung von Röntgenstrahlung exakt bekannter Wellenlänge und Intensität. Im Diffraktometermodus nimmt CheMin Beugungsdiagramme der in der jeweiligen Probe enthaltenen Kristalle auf, womit diese sich durch Vergleich mit der Röntgenkartei aller bekannten Minerale identifizieren lassen. Im Spektrometermodus registrieren die Detektoren von CheMin sekundäre Röntgenfluoreszenzstrahlung, die durch die Bestrahlung der Minerale mit der primären Röntgenstrahlung von den dort enthaltenen Atomen emittiert wird und die charakteristisch für jedes chemische Element ist. Aus den beiden Messmodi zusammen ergibt sich somit eine hochpräzise Beschreibung eines gegebenen Gesteins oder Lockermaterials.

Die Proben für CheMin und für SAM werden mit Spezialgeräten eines Instrumentengreifers gewonnen und an Bord des Rovers für die Analyse durch Mahlwerkzeuge und Siebe aufbereitet und in die richtige Körnung gebracht. Dieser Greifarm-Ausleger ist zudem mit einem Gesteinsbohrer, einer Probenschaufel für Lockermaterial, einer Mikroskop-Farbkamera und einem Alpha-Protonen-Röntgenspektrometer (APXS) für Übersichtsanalysen ausgerüstet. Das APXS ist ein alter Bekannter, der bislang in einfacherer Form bei allen Marsrovern mitflog.

SAM: Um einige bohrende Fragen der Marsforscher endlich zu beantworten, wurde Curiosity mit »Sample Analysis at Mars« (SAM) ausgerüstet. SAM bezeichnet einen Komplex aus drei Messinstrumenten, die sich jeweils ergänzen. Das Kernstück ist ein Massenspektrometer, hinzu kommen ein Gaschromatograf und ein durchstimmbares Laserspektrometer.

Für die Analyse in SAM wird pulverisiertes Marsgestein oder Marsboden in einem Vakuumofen auf bis zu 1000 Grad Celsius erhitzt und die dabei freiwerdenden flüchtigen Stoffe wie Wasser, Edelgase, Methan oder Kohlendioxid zu den Geräten geführt. Das Massenspektrometer analysiert die Isotopenverhältnisse der Komponenten des Gasgemischs, während der Gaschromatograf dazu dient, unterschiedliche Gase voneinander zu trennen und erst nach und nach dem Massenspektrometer zuzuführen. Dadurch lassen sich vor allem die Mengen der einzelnen Bestandteile bestimmen. Das durchstimmbare Laserspektrometer nutzt das Absorptionsverhalten von Methan, Kohlendioxid und Wasser und kann dadurch die Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff und Sauerstoff bestimmen. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf die geologische Geschichte des Roten Planeten ableiten.

Insbesondere soll SAM die Frage klären, ob sich auf dem Mars organische Stoffe befinden. Dies sind chemische Verbindungen von Kohlenstoff mit Wasserstoff, Sauerstoff oder anderen Elementen, die für Leben, wie wir es kennen, eine Grundvoraussetzung sind. Ihr Vorhandensein auf dem Mars wäre ein starker Hinweis auf das Vorkommen von Leben, sei es gegenwärtig oder in der Vergangenheit. Bislang ist es keiner Marssonde gelungen, auch nur kleinste Spuren organischer Stoffe nachzuweisen. Sollte auch Curiosity hier leer ausgehen, so sieht es mit eventuellem Leben auf dem Mars eher trübe aus. Bei den Untersuchungen kommt erschwerend hinzu, dass die NASA bei der Erprobung des Bohrsystems feststellte, dass Abrieb aus Teflondichtungen und das Schmiermittel Molybdändisulfid das Probenmaterial verunreinigen wird. Nun müssen die Forscher diese Effekte bei der massenspektrometrischen Auswertung berücksichtigen.

DAN: Ein weiteres Instrument zur Untersuchung des Marsbodens ist DAN, ein Gerät zur Messung der »Dynamic Albedo of Neutrons«, das die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos zur Verfügung stellte. Es dient der Suche nach Wasserstoff in den Gesteinen. Dazu sendet es einen Neutronenstrahl auf den Marsboden und untersucht dabei, wie dieser von den Mineralen des Marsbodens gestreut wird. Daraus lassen sich die Gehalte an Wasserstoff bis in eine Tiefe von einem halben Meter registrieren, woraus sich Rückschlüsse auf einen eventuellen Wassergehalt ergeben. Das Instrument kann noch Gehalte bis herunter zu einem Zehntel Prozent nachweisen. DAN verwendet einen aktiven und einen passiven Messmodus. Im aktiven Modus sendet das Instrument Neutronen aus einer Quelle, die sich an der hinteren rechten »Hüfte« von Curiosity befindet, auf den Marsboden. Die Neutronen werden dann von einem Detektor an der linken Hüfte des Rovers registriert. Im passiven Modus misst DAN die gestreuten Neutronen der kosmischen Strahlung, welche die dünne Marsatmosphäre durchdringt. Man hofft mit DAN hydratisierte Minerale nachweisen zu können, also Kristalle, in denen Wasser fest in deren Strukturen eingebaut ist.

REMS: Aber nicht nur für den Marsboden, sondern auch für das aktuelle Wettergeschehen auf dem Roten Planeten interessieren sich die Forscher. Die in Spanien entwickelte »Rover Environmental Monitoring Station« (REMS) ermittelt mit verschiedenen, auf dem Fahrzeug verteilten Sensoren die Windgeschwindigkeit und -richtung, die relative Luftfeuchte und die Lufttemperatur, die Bodentemperatur und die ultraviolette Einstrahlung. Mindestens fünf Minuten einer jeden Stunde der Primärmission soll Curiosity das Wetter beobachten und Daten zur Erde funken.

RAD: Als einziges Instrument der Sonde war RAD, der »Radiation Assessment Detector«, schon während des Flugs zum Mars aktiv und maß die Strahlenbelastung durch die hochenergetische kosmische Strahlung. Diese Messungen dienen dazu, ihre Intensität und die daraus resultierenden Gefahren für künftige bemannte Raumflüge zum Mars abzuschätzen. Nach der Landung auf dem Mars interessiert die Raumfahrtmediziner hingegen, wie gut die dünne Marsatmosphäre die kosmische Strahlung abschirmt und welches Strahlungsniveau künftige Astronauten dort zu erwarten haben.

Mit seiner reichhaltigen Ausstattung hat Curiosity das Potenzial, unsere schon beträchtliche Kenntnis des Roten Planeten stark zu erweitern. Womöglich gelingt es mit Hilfe der Messungen und Beobachtungen des Marsrovers einige drängende Fragen zur Geschichte des Roten Planeten und dem eventuellen Vorkommen von Leben zu klären. Für die US-Raumfahrtbehörde NASA hängt sehr viel vom Gelingen des Flugs ab. Immerhin hat sie rund 2,5 Milliarden US-Dollar in die Unternehmung gesteckt, wodurch Curiosity zu einer der teuersten Raumsonden aller Zeiten wurde.

Bis mindestens zum Jahr 2020 wird Curiosity die letzte Marslandemission der USA sein, da eine bis vor Kurzem geplante intensive Zusammenarbeit mit der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA im Rahmen des Programms ExoMars aus Geldmangel und Desinteresse von der US-Regierung unter Präsident Barack Obama aufgekündigt wurde. Erst nach 2020 könnte es eine Rückkehr zum Roten Planeten geben, möglicherweise mit einer Mission, die Bodenproben vom Mars zur Erde transportiert.


Weblinks zum Thema finden Sie unter:
www.sterne-und-weltraum.de/artikel/1154870


Tilmann Althaus ist seit 2002 Redakteur bei Sterne und Weltraum und betreut vor allem Themen zur Planetenforschung und Raumfahrt.

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w i s - wissenschaft in die schulen

Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

Was ist WIS?

Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.

Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).

WiS in Sterne und Weltraum
Zum Thema »Mit Wissbegier den Mars erkunden« ab S. 50 der Druckausgabe stehen zwei WiS-Materialien zur Verfügung:

»Spurensuche auf dem Mars« behandelt die Eigenschaften des Roten Planeten im Hinblick auf die Landemission der US-Raumsonde Phoenix im Mai 2008. Im WiS-Material finden sich Aufgaben zur Topografie des Mars, wobei Kenntnisse der irdischen Topografie zur Anwendung kommen können. Auch die Suche nach Wasser auf dem Roten Planeten wird behandelt. (ID-Nummer: 1051388)

Das WiS-Material »Mars und Erde im Vergleich« behandelt die große Ähnlichkeit der beiden Planeten. Es werden irdische Landschaften mit ihren marsianischen Gegenstücken verglichen, darunter Schildvulkane und Einbruchstrukturen wie Dolinen. Auch können die Schüler ein dreidimensionales Modell des mächtigsten Schildvulkans des Sonnensystems, Astrometrie von Asteroiden Olympus Mons, anfertigen, der sich im Original rund 24 Kilometer über seine Umgebung erhebt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 51 oben:
Drei Generationen US-amerikanischer Marsrover sind in diesem Bild vereint. Der 65 Zentimeter lange Testrover Sojourner gelangte 1997 im Rahmen der Mission Mars Pathfinder auf den Roten Planeten. Die Marsrover Spirit und Opportunity, hier ein Testgerät, landeten im Januar 2004 auf dem Mars. Der Marsrover Curiosity hat einen Kameramast mit »rotem Auge«, der in eine Höhe von 2,2 Metern reicht, und diverse optische Instrumente zum Erkunden der Umgebung trägt.

Abb. S. 51 unten:
Während des rund achtmonatigen Transferflugs von der Erde zum Mars befand sich der Marsrover Curiosity im Inneren des doppelkegelförmigen Hitzeschilds mit einem Durchmesser von 4,5 Metern. An dessen Spitze ist das Marschmodul befestigt, das in dieser Zeit die Sonde unter anderem mit Energie versorgte und den Funkkontakt zur Erde sicherstellte.

Abb. S. 54-55:
Rund 154 Kilometer im Durchmesser misst der Einschlagkrater Gale auf der Südhalbkugel des Mars. Sein Inneres ist zu einem großen Teil von einem mächtigen Berg namens Aeolus Mons ausgefüllt, der bis zu fünf Kilometer hoch ist und aus geschichteten Gesteinen besteht. Das Landegebiet von Curiosity befindet sich in der schwarz umrandeten Ellipse, die sich über 7 x 19 Kilometer erstreckt.

© 2012 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 8/12 - August 2012, Seite 50 - 57
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2012