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PLANET/499: Exoplaneten - Das Klima auf fremden Welten (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 2/13 - Februar 2013

Exoplaneten
Das Klima auf fremden Welten

Von Kevin Heng



Astronomen genügt es nicht mehr, weitere Planeten in fernen Sonnensystemen zu entdecken. Sie wollen auch deren Atmosphären untersuchen. Obwohl sie ihre Information aus winzigen Lichtpunkten am Himmel gewinnen müssen, lassen erste Erfolge aufhorchen.


AUF EINEN BLICK

Atmosphärenforschung jenseits des Sonnensystems

1. Nachdem Astronomen bereits über 800 Planeten in anderen Sternsystemen entdeckt haben, wollen sie nun auch etwas über das dort jeweils herrschende Klima lernen.

2. Die Verfahren der extrasolaren Meteorologie erscheinen viel versprechend. Mit ihrer Hilfe haben Forscher Windgeschwindigkeiten, Temperaturen und chemische Zusammensetzung der Atmosphären von Exoplaneten vermessen.

3. Auf diese Weise könnten sie eines Tages auch herausfinden, ob einige dieser Himmelskörper lebensfreundlich sind.


Weit über 800 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems sind schon bekannt. Und allein das Weltraumteleskop Kepler hat seit seinem Start im März 2009 mindestens 2300 weitere Kandidaten aufgespürt. Für einige davon konnten andere Forscher schon bestätigen, dass es sich tatsächlich um Exoplaneten handelt.

Die rasant wachsenden Zahlen zeigen: Die Entstehung von Planeten ist offenbar eher die Regel als die Ausnahme. Und vielleicht haben wir erst die Spitze des Eisbergs entdeckt. Eine statistische Analyse der Kepler-Daten deutet sogar darauf hin, dass rund ein Drittel aller sonnenähnlichen Sterne in der Milchstraße mindestens einen erdähnlichen Planeten besitzt, auf dem dauerhaft flüssiges Wasser und damit erdähnliches Leben existieren könnte.

Bislang ließen sich allerdings nur vier Exoplanetensysteme direkt abbilden. Meist überstrahlt das helle Leuchten der Sterne das von den Planeten ausgehende Licht, so dass Wissenschaftler auf indirekte Verfahren zurückgreifen müssen. Das wichtigste ist die Transitmethode, die auch Kepler nutzt. Weil die Bahnen von Planeten ganz unterschiedlich im Raum orientiert sein können, liegen sie zuweilen so, dass die Bahnebene genau in unserer Blickrichtung liegt. Dann ziehen die Planeten von der Erde aus gesehen bei jedem Umlauf einmal vor ihrem Stern vorüber. Primäre Bedeckung oder Transit nennen die Forscher ein solches Ereignis.

Um solche periodischen Vorgänge zu entdecken, bei denen der Planet einen kleinen Teil seines Sterns verdeckt und dessen Helligkeit dadurch geringfügig abschwächt, überwacht Kepler die Helligkeiten von rund 150.000 Sternen. Das Weltraumteleskop kreist dabei nicht um unseren Planeten, sondern auf einer eigenen Bahn um die Sonne - mit leicht veränderter Umlaufzeit und Exzentrizität des Orbits im Vergleich zur Erde -, damit die schwachen Signale nicht durch irdische Einflüsse gestört werden.

Inzwischen gelang es Astronomen sogar, sekundäre Bedeckungen zu messen; dabei ziehen die Planeten hinter ihren Sternen vorbei. Verglichen mit einem Transit variiert die Intensität des Sternlichts dabei noch viel weniger. Im Infraroten, in dem Exoplaneten typischerweise am hellsten strahlen, beträgt die Abschwächung nur wenige Promille und im Bereich des sichtbaren Lichts sogar noch weniger. Während einer sekundären Bedeckung empfängt das Teleskop nur noch die Strahlung des Sterns, es misst also das reine Sternspektrum. Subtrahiert man dieses vom Gesamtspektrum, das gemessen wird, wenn gerade keine Bedeckungen oder Transits stattfinden, ergibt sich das Spektrum des Planeten. Erstmals konnte so die von Exoplaneten emittierte Strahlung direkt nachgewiesen werden.

Spektrale Information lässt sich aber auch bei Transits gewinnen. Während der Bedeckung eines Sterns durch einen Planeten durchquert die Strahlung auch die planetare Atmosphäre. Im Verlauf dieser so genannten Transmission wird sie teilweise absorbiert, und zwar abhängig von der Wellenlänge unterschiedlich stark. Emissions- und Transmissionsspektren erlauben Rückschlüsse auf Temperatur, chemische Zusammensetzung und Elementhäufigkeiten in der Atmosphäre.

Selbst die geografische Verteilung der Temperaturen enträtseln Forscher mittlerweile. Dabei hilft die so genannte Phasenkurve, also der Verlauf der Helligkeit eines Exoplaneten während des Umlaufs um seinen Stern. 2007 veröffentlichten Heather Knutson von der Harvard University und ihre Kollegen eine erste solche »Karte« des 60 Lichtjahre entfernten Planeten HD 189733b. Sie ist noch eindimensional und zeigt lediglich die Strahlungsintensität im Infraroten abhängig vom Längengrad. Auffallend ist ein deutliches Temperaturmaximum auf der Tagseite dieses so genannten heißen Jupiters. Es befindet sich allerdings nicht dort, wo der Stern von diesem Planeten aus gesehen am höchsten steht, sondern um 30 Längengrade versetzt.

Nick Cowan von der Northwestern University und Eric Agol von der University of Washington können mit einem so genannten Inversionsverfahren sogar eine zweidimensionale Karte des Planeten im Infraroten rekonstruieren. Dabei »übersetzen« sie die Phasenkurve in eine Art Helligkeitskarte als Funktion von Breiten- und Längengrad. Cowan, Agol und Carl Majeau demonstrierten das Verfahren Anfang 2012 erfolgreich bei dem Planeten HD 189733b. Mit anderen Worten: Wir haben begonnen, Exoplaneten zu kartografieren!


Das Licht des Sterns verrät die Existenz von Planeten, die ihn umkreisen

Die ersten Planeten bei anderen Sternen fanden Astronomen allerdings nicht mit der Transitmethode, sondern mit dem Radialgeschwindigkeitsverfahren. Streng genommen dreht sich ein Planet nicht um seinen Stern, vielmehr kreisen beide um ihren gemeinsamen Massenschwerpunkt. Da Sterne sehr viel mehr Masse besitzen als Planeten, liegt dieser Schwerpunkt zwar zumeist im Inneren des Sterns, trotzdem führt auch der Stern eine periodische Bewegung durch. Diese lässt sich im Spektrum des Sterns nachweisen: Bewegt er sich, während er Licht abstrahlt, »radial« auf uns zu - entlang der Verbindungslinie Erde-Stern -, werden die Lichtwellen durch den so genannten Dopplereffekt gestaucht und im umgekehrten Fall gezerrt. So verrät das Sternlicht die Existenz eines Planeten.

Mit diesem Verfahren machten die Forscher verblüffende Entdeckungen. Sie stießen auf Planeten, die größer sind als Jupiter, aber ihren Stern binnen weniger Tage auf Umlaufbahnen umkreisen, die gerade einmal ein Zehntel bis ein Hundertstel eines Erdbahnradius betragen. Je nach Stern und Bahnradius liegt die Oberflächentemperatur solcher heißen Jupiter bei 1000 bis 3000 Kelvin. Die Theoretiker hatten solche Objekte weder vorhergesagt noch konnten sie ihre Existenz anschließend erklären. Für Atmosphärenforscher kamen sie hingegen wie gerufen: Heiße Jupiter wurden dank ihrer vergleichsweise hohen Temperatur und damit intensiven Infrarotstrahlung zu ihren ersten Untersuchungsobjekten.

Kombiniert man die Radialgeschwindigkeitsmethode mit der Transitmethode - aus ersterer geht die Masse, aus letzterer die Größe des Planeten hervor -, lässt sich auch die Massendichte eines Planeten berechnen. Im Fall eines heißen Jupiter liegt sie demzufolge bei etwa einem Gramm pro Kubikzentimeter. Der Wert stimmt gut mit der Annahme überein, dass in der Atmosphäre des Gasplaneten molekularer Wasserstoff dominiert, und nährt damit die Hoffnung der Forscher, dass sich in der Atmosphäre die Zusammensetzung der Gaswolke widerspiegelt, aus der der Planet einst entstand - anders als im Fall der Erde, wo sie durch geologische Prozesse verändert wurde.

Heiße Jupiter besitzen eine weitere Eigenheit. Die Gezeitenreibung zwingt einen Planeten auf enger Umlaufbahn allmählich in eine so genannte gebundene Rotation: Eine Hemisphäre zeigt permanent auf den Zentralstern, während die andere in dauernder Dunkelheit liegt. Astronomen ist dieses Phänomen bislang nur im Zusammenhang mit Monden in unserem Sonnensystem vertraut - doch die kreisen nicht um strahlende Sterne. Theoretiker können nun erstmals genauer untersuchen, wie sich der Effekt auf die atmosphärische Zirkulation eines Planeten auswirkt.

Außerdem kann man den Himmelskörpern Informationen über die dort wehenden Winde entlocken. Die Theorie lässt im einfachsten Fall erwarten, dass die Phasenkurve bei den am intensivsten angestrahlten heißen Jupitern, die sich auf sehr engen Bahnen in gebundener Rotation befinden, sinusförmig verläuft. Das Minimum der Kurve würde der Transit, das Maximum der sekundären Bedeckung entsprechen (siehe Druckausgabe Grafik S. 48 oben). Die von Knutson und ihren Kollegen bei HD 189733b nachgewiesene Verschiebung des Maximums im Infrarotbereich deutet daher auf starke Winde hin, die Wärme entlang der Längenkreise von der Tagseite des Planeten auf dessen Nachtseite transportieren. Ähnliche Verschiebungen fanden etwa Ian Crossfield von der University of California at Los Angeles und seine Kollegen bei Ypsilon Andromedae b, Cowans Team selbst wurde bei WASP-12b fündig.

Ignas Snellen von der Universität Leiden und seinen Kollegen gelang es mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte und mit Hilfe der Absorptionsspektroskopie sogar, die Windgeschwindigkeit auf dem heißen Jupiter HD 209458b zu messen. Dafür untersuchten sie zunächst, wie sich die Größe des Planeten scheinbar verändert, je nachdem, bei welchen Wellenlängen man ihn beobachtet. Werden nämlich diese Wellenlängen von atmosphärischen Atomen oder Molekülen besonders gut absorbiert, lässt dies den Planeten größer wirken (siehe Grafik S. 48 Mitte). Da die genaue Lage der Absorptionslinien infolge des Dopplereffekts von der Geschwindigkeit abhängt, mit der sich die Gase bewegen, können die Astronomen aus der Wellenlängenabhängigkeit der Planetengröße letztlich auf die Windgeschwindigkeit schließen.


Die Winde wehen mit 100-mal größeren Geschwindigkeiten als auf der Erde

Snellens Team ist es tatsächlich gelungen, geringe Verschiebungen der Wellenlänge einer Absorptionslinie von Kohlenmonoxid aufzuspüren und über einen längeren Zeitraum hinweg zu überwachen. So ermittelten die Forscher eine Windgeschwindigkeit von etwa 7200 Kilometer pro Stunde, gut 100-mal höher als typische irdische Werte.

Solche Entdeckungen an der Grenze des heute technisch Machbaren markieren nichts weniger als den Beginn der extrasolaren Meteorologie. Trotzdem ist Vorsicht angebracht, wenn wir Erkenntnisse aus unserem eigenen Sonnensystem einfach auf fremde Planeten übertragen. Einer der Gründe liegt in den unterschiedlichen Temperaturen. Atmosphären lassen sich durch zwei charakteristische Längenskalen beschreiben. Die eine ist die Rhines-Länge, die typische Breite der von Osten nach Westen wehenden Jetströmungen. Die andere ist die Rossby-Länge, die typische Größe von atmosphärischen Wirbeln. Auf Himmelskörpern in unserem Sonnensystem sind diese Längen stets kleiner als die Radien der Planeten. Auf Exoplaneten in engen Umlaufbahnen gilt die wegen der hohen Temperaturen aber nicht, hier sind Längen und Radien vergleichbar groß. Atmosphärische Strukturen erstrecken sich daher stets über den gesamten Planeten, wie inzwischen auch Computersimulationen gezeigt haben. Darum muss zum Beispiel auch die globale Durchmischung atmosphärischer Bestandteile und ihr Einfluss auf das Spektrum genauer untersucht werden.

Anders als von den Planeten im Sonnensystem besitzen wir von Exoplaneten aber keine hoch aufgelösten Aufnahmen. Auch in absehbarer Zukunft wird es eine Herausforderung bleiben, aus den spektralen Informationen einer punktförmigen Quelle am Nachthimmel und ihren zeitlichen Veränderungen ein räumliches Bild zu gewinnen. Beim Interpretieren und Modellieren der wenigen Daten, die sich über die hochkomplexen Systeme gewinnen lassen, wird man auf viele möglichen Erklärungen stoßen, zwischen denen sich nicht ohne Weiteres entscheiden lässt. In solchen Fällen greifen Wissenschaftler zu einem bewährten wissenschaftstheoretischen Prinzip, nämlich zu »Ockhams Rasiermesser«: In Abwesenheit weiterer und besserer Daten gilt die einfachste Erklärung als die beste. Aus dieser Vorgehensweise ergibt sich allerdings auch, dass wir unsere wissenschaftlichen Erwartungen und Vorstellungen im Licht neuer Daten immer wieder anpassen müssen.


Hierarchie theoretischer Modell

Atmosphärenstudien im Sonnensystem zeigen, dass positive und negative Rückkopplungen in diesen komplexen Systemen zu physikalischen und chemischen Veränderungen auf vielen sehr unterschiedlichen Zeitskalen führen. Isaac Held vom Geophysical Fluid Dynamics Laboratory in Princeton im US-Bundesstaat New Jersey hält darum eine Hierarchie theoretischer Modelle für erforderlich, um die Systeme vollständig zu verstehen. Sie sollte von eindimensionalen Beschreibungen, die ein Schlüsselelement der Atmosphärenphysik isolieren, bis hin zu vollständigen dreidimensionalen Modellen der atmosphärischen Zirkulation reichen.

Meteorologen und Klimaforscher nutzen typischerweise Zirkulationsmodelle, die erstens auf einem Satz von Gleichungen beruhen, in denen die Atmosphäre als Flüssigkeit behandelt wird - die so genannten Navier-Stokes-Gleichungen -, und zweitens auf einer thermodynamischen Gleichung. Hinzu kommen modifizierende Faktoren wie die Bildung von Gebirgen und die Biologie. Viele dieser Feinheiten sind allerdings unnötig, wenn man die Atmosphären von Exoplaneten beschreiben will. Die Kunst besteht dann darin zu erkennen, an welchen Stellen sich das für die Erde entwickelte Modell vereinfachen lässt.

Auch Modelle, die ursprünglich für Braune Zwerge entwickelt wurden, haben Forscher auf heiße Jupiter übertragen. Pionierarbeiten leisteten etwa Adam Burrows von der Princeton University und Ivan Hubeny von der University of Arizona. Braune Zwerge sind »gescheiterte Sterne« - sternähnliche Himmelskörper, deren Masse zu gering ist, als dass Atomkerne in ihrem Inneren kontinuierlich miteinander fusionieren würden. Sie weisen eine Reihe von Ähnlichkeiten mit heißen Gasplaneten auf; schließlich entstehen beide Arten von Himmelskörpern aus kollabierenden Gaswolken.

Mit Anleihen bei etablierten Methoden aus der Atmosphären- und Klimaforschung lässt sich aus dem Spektrum eines Exoplaneten dann seine chemische Zusammensetzung sowie das Temperatur- und Druckprofil seiner Atmosphäre rekonstruieren. Auf diese Weise fanden Nikku Madhusudhan von der Yale University und seine Kollegen heraus, dass in der Atmosphäre von WASP-12b das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff mindestens doppelt so groß ist wie in seinem Zentralstern. Möglicherweise lässt sich durch solche Studien herausfinden, in welcher Weise die Eigenschaften planetarer Atmosphären und die Entstehungsgeschichten der Himmelskörper miteinander in Beziehung stehen. Zunächst einmal müssen aber zusätzliche Untersuchungen das Ergebnis bestätigen und entsprechende Messungen bei weiteren Planeten gelingen.

Adam Showman, Planetologe an der University of Arizona, war einer der Ersten, welche die Atmosphären heißer Jupiter mit einem globalen Zirkulationsmodell untersuchten. Andere Forscher, darunter ich selbst mit einigen Kollegen, zogen bald nach. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Wärmetransport von der Tagseite eines Planeten mit gebundener Rotation auf seine Nachtseite. Dieses Phänomen findet zwar in nur zwei Dimensionen statt. Allerdings können sich die zeitlichen Charakteristika eines solchen Prozesses über mehrere Größenordnungen erstrecken. Es zeigte sich, dass nur dreidimensionale Modelle es erlauben, nicht nur die Spektren, sondern zugleich auch die Phasenkurven und zeitliche Veränderungen zu reproduzieren. Tatsächlich ist es mehreren Forschergruppen inzwischen gelungen, Zirkulationsmodelle auf heiße Jupiter anzuwenden und konsistente Ergebnisse zu erhalten. Mit der Entdeckung von immer mehr Planeten, die der Erde hinsichtlich Größe und Temperatur ähneln, werden solche Modelle künftig sogar noch wichtiger, wenngleich eine ganze Reihe technischer Probleme zu lösen bleibt.

Doch selbst die grundlegenden Eigenschaften heißer Jupiter verstehen wir noch nicht vollständig. Warum sind einige von ihnen stärker aufgebläht als andere? Warum verteilen manche die Wärme effektiver als andere von der Tag- zur Nachtseite um? Für die Planeten HD 189733b und HD 209458b wurden Zirkulationsmodelle entwickelt, die sowohl die Spektren als auch die Phasenkurven - deren Verschiebung die Effektivität des Wärmetransports widerspiegelt - recht gut reproduzieren. Masse und Radius von HD 189733b entsprechen den theoretischen Erwartungen an einen Planeten, der nach der heißen Phase seiner Entstehung allmählich abkühlt. Die Form seines Spektrums könnte sich mit Rayleigh-Streuung von Sonnenstrahlen an Molekülen erklären lassen, also mit demselben Phänomen, das auf der Erde für die blaue Farbe des Tageshimmels verantwortlich ist. HD 189733b ist demnach in einen atmosphärischen Dunst gehüllt, dessen chemische Zusammensetzung aber noch unbekannt bleibt.

Im Gegensatz dazu besitzt HD 209458b keinen Dunstschleier, ist aber stark aufgebläht, also erheblich größer als von Theoretikern erwartet. Einer der möglichen Gründe: Heiße, teilweise ionisierte Atmosphären können sich wie riesige elektrische Stromkreise verhalten. Wenn sich diese Stromkreise im Magnetfeld des Planeten bewegen, werden weitere Ströme hervorgerufen, die der Bewegung über zusätzliche Magnetfelder entgegenwirken. So wird letztlich Bewegungsenergie der Atmosphärenbestandteile in Wärmeenergie umgewandelt, die den Planeten erwärmt und in seinem aufgeblähten Zustand verharren lässt. Diese Theorie hat allerdings noch einen Haken: Ob heiße Jupiter überhaupt Magnetfelder besitzen, ist eine bislang offene Frage.

Ultimatives Ziel für viele Forscher ist die Messung des Spektrums eines erdähnlichen Gesteinsplaneten, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist. Doch unsere theoretischen Werkzeuge müssen wir vor allem an heißen Jupitern schärfen, weil wir bislang nur wenige Daten über Planeten besitzen, die dem Neptun oder gar der Erde ähneln. Eines Tages werden wir dann vielleicht auch die jahrhundertealte Frage beantworten, ob unter dem Licht ferner Sonnen außerirdisches Leben existiert. Und ob ein Zwilling der Erde in einer Umlaufbahn um einen Zwilling der Sonne die einzige mögliche Wiege für Leben im Universum ist. Noch liegen die Antworten außerhalb der Reichweite selbst der nächsten Generation von Teleskopen.

David Charbonneau von der Harvard University und Jill Tarter vom SETI Institute schlagen darum vor, in den Umlaufbahnen um Rote Zwerge nach bewohnbaren Welten zu suchen. Rote Zwerge sind Verwandte unserer Sonne, besitzen aber nur zwischen einem Zehntel und der Hälfte ihrer Masse. In unserer galaktischen Nachbarschaft stellen sie etwa drei Viertel der Sternpopulation. Forschern bieten sie eine Reihe von Vorteilen. Da sie kühler sind als sonnenähnliche Sterne, können auch Planeten auf sehr engen Bahnen - 10- bis 100-mal enger als bei sonnenähnlichen Sternen - flüssiges Wasser auf ihrer Oberfläche beherbergen. Solche Exemplare lassen sich mit den gegenwärtigen Suchverfahren leichter aufspüren. Die Hoffnung: Auf diese Weise könnte man auf bewohnbare Supererden stoßen, auf Planeten also, die zwar mehr Masse und größere Radien besitzen als unsere Erde, ihr aber sonst stark ähneln.

Einen Nachteil hat die Suchstrategie von Charbonneau und Tarter allerdings. Falls sich diese Supererden in einer gebundenen Rotation befinden, könnten ihre Atmosphäre manchen Theoretikern zufolge längst kollabiert sein - dann nämlich, wenn auf der kalten Nachtseite der Planeten wichtige atmosphärische Bestandteile ausgefroren sind. Welche Bedingungen auf solchen Himmelskörpern tatsächlich herrschen, können letztlich aber nur Beobachtungen zeigen. Immerhin liegen bereits Transmissionsspektren der um einen Roten Zwerg kreisenden Supererde GJ 1214b vor, die zweieinhalbfache Erdgröße besitzt. Doch was sie über die Zusammensetzung seiner Atmosphäre sagen, ist noch umstritten.


Neue Weltraummissionen werden mehr als nur Momentaufnahmen ermöglichen

Astronomen hoffen nun auf den Bau von Weltraumteleskopen, die über lange Zeiträume hinweg die zeitliche Veränderung der Spektren von Exoplaneten messen können. Weltweit setzen sie sich für das Exoplanet Characterization Observatory (EChO) der Europäischen Weltraumagentur ESA und für den Fast Infrared Exoplanet Spectroscopy Explorer (FINESSE) der NASA ein. Wenn diese Missionen starten - in den nächsten ein oder zwei Dekaden -, werden sie Daten zu Hunderten von Exoplaneten liefern. Aus ihnen können die Forscher dann die Chemie und die Dynamik der Atmosphären und das Klima der Planeten rekonstruieren.

Möglicherweise gelingt es ihnen auch, für einen Exoplaneten ein Diagramm wie dasjenige links oben zu erstellen. Es stellt die charakteristischen Zeitskalen dar, in denen sich die Temperatur des Himmelskörpers verändert. Beispielsweise lässt sich aus der Schwankung der Strahlung auf Temperaturänderungen im Verlauf eines Planetentages oder eines Planetenjahres schließen. Im Fall der Erde war das in spektakulärer Weise für Skalen möglich, die von weniger als einem Tag bis hin zu Zehntausenden von Jahren reichen, wobei natürlich auch geologische Daten einflossen (siehe Grafik in der Druckausgabe). Weltraummissionen werden kaum mehr als einige Monate abdecken können, doch wahrscheinlich lassen sich damit bereits viele der charakteristischen Maxima erfassen, weil diese im Fall enger Umlaufbahnen auf kürzere Zeiträume komprimiert sind.

Im Augenblick liegt der Ball aber noch bei den Theoretikern. Sie müssen die Grundlagen schaffen, damit wir aus der zu erwartenden Datenfülle die atmosphärischen, meteorologischen und klimatischen Bedingungen auf Exoplaneten erschließen können. Erst im nächsten Schritt können wir dann versuchen, erste verlässliche Aussagen über die Bewohnbarkeit dieser fernen Welten zu treffen.


DER AUTOR

Kevin Heng ist Zwicky Prize Fellow am Institut für Astronomie der Eidgenössischen technischen Hochschule Zürich. Der Astrophysiker interessiert sich vor allem für theoretische Modelle, welche die Atmosphären von Exoplaneten physikalisch und chemisch beschreiben. Unter anderem ist er an der Vorbereitung der ESA-Mission Exoplanet Characterization Observatory beteiligt.


QUELLEN
Fortney, J.J. et al.: Transmission Spectra of three-Dimensional Hot Jupiter Model Atmospheres. In: Astrophysical Journal 709, S. 1396-1406, 2010
Heng, K. et al.: Atmospheric Circulation of Tidally Locked Exoplanets: A Suite of Benchmark Tests for Dynamical Solvers. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 413, S. 2380-2402, 2011
Madhusudhan, N. et al.: A High C/O Ratio and Weak Thermal Inversion in the Atmosphere of Exoplanet WASP-12b. In: Nature 469, S. 64-67, 2011
Snellen, I.A.G. et al.: The Orbital Motion, Absolute Mass and High-Altitude Winds of Exoplanet HD 209458b. In: nature 465. S. 1049-1051, 2010
Tarter, J. et al.: A Reappraisal of the Habitability of Planets around M Dwarf Stars. In: Astrobiology 7, S. 30-65, 2007


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 46-47:
Noch können Astronomen nur davon träumen, Exoplaneten so detailliert zu betrachten. Diese Bilder wurden mit Computersimulationen gewonnen. Auf der linken Seite sind die beiden Hemisphären eines erdähnlichen Planeten mit einer mittleren Atmosphärentemperatur von rund 30 Grad Celsius zu sehen. Rechts ist die Tagseite (rötlich) und die Nachtseite (bläulich) eines »heißen Jupiters« dargestellt, der seinem Stern stets dieselbe Seite zuwendet. In die Berechnung der temperaturkodierten Falschfarbenbilder ging nur der infrarote Teil der Strahlung ein.

Abb. S. 47 oben:
Liegt unsere Blickrichtung in der Bahnebene eines Exoplaneten, können wir Transits und sekundäre Bedeckungen beobachten.

Abb. S. 47 Mitte:
Die Größe, in der ein Planet vor seinem Stern erscheint, hängt von der Wellenlänge ab, bei der sie gemessen wird.

Abb. S. 47 unten:
Wenn starke Winde die Wärme auf einem Planeten umverteilen, verschiebt sich die rot dargestellte Phasenkurve in Abhängigkeit von der Effektivität des Wärmetransports. Die verschobene Phasenkurve ist in Blau gezeichnet.

Abb. S. 48 oben:
HD 189733b
Im Spektrum des heißen Jupiters sind Anzeichen für Rayleigh-Streuung zu sehen, wie sie auch für die blaue Farbe der Erdatmosphäre verantwortlich ist. Die schmale Absorptionslinie von Schwefel deutet auf die Anwesenheit des Elements hoch in der Atmosphäre hin. Der Planet ist vermutlich in einen Dunst unbekannter Zusammensetzung gehüllt.

Abb. S. 48 unten:
WASP-12b
Die Hauptbestandteile der Atmosphäre des stark aufgeblähten Planeten scheinen Methan, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Wasserdampf zu sein. Dies fanden Forscher heraus, indem sie ein Modellspektrum entwickelten (blaue Kurve), das zu den gemessenen Werten (gelbe Punkte) passte.

Abb. S. 50:
Mit Computersimulationen der Oberfläche eines heißen Jupiters lassen sich Karten der dort herrschenden Temperatur und Windgeschwindigkeit erstellen (Grafik oben). Starke Winde sorgen dafür, dass der Punkt maximaler Infrarotabstrahlung des Exoplaneten gegenüber dem Punkt verschoben ist, wo die Einstrahlung des Sterns den höchsten Wert besitzt (Diagramm unten).

Abb. S. 51:
Wenn einzelne Exoplaneten nur wenig Information preisgeben, kann es hilfreich sein, viele davon zu untersuchen. Das Weltraumteleskop Kepler (Bild) hat der NASA zufolge bis Dezember 2012 schon 2321 mögliche Kandidaten für Exoplaneten entdeckt - und ständig kommen neue hinzu.

Abb. S. 52:
Werden Forscher ein solches Diagramm jemals für Exoplaneten erstellen können? Es zeigt die charakteristischen Zeitskalen, auf denen die Temperatur der Erdoberfläche variiert. So steht das breite Maximum im Bereich von drei bis sieben Tagen in Zusammenhang mit Druck- und Temperaturschwankungen, die wiederum Wetterveränderungen in mittleren Breiten mitverursachen. Die Maxima bei 20.000, 40.000 und 100.000 Jahren markieren die so genannten Milankowitch-Zyklen, in denen die Präzession und veränderliche Schiefe der Erdachse sowie die Exzentrizität der Erdbahn die solare Einstrahlungsintensität periodisch variieren lassen.


© 2013 Kevin Heng, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 2/13 - Februar 2013, Seite 46 - 53
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2013