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SONNE/114: Ausblick auf ihre Aktivität im Jahr 2015 (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 2/15 - Februar 2015
Zeitschrift für Astronomie

Beobachtungen
Die Sonne: Ausblick auf ihre Aktivität im Jahr 2015

Von Andreas Zunker


In diesem Jahr wird die Sonnenaktivität wieder ansteigen, aber nicht mehr das Niveau des Zyklusmaximums erreichen, das Anfang 2014 eintrat. Dennoch bleibt es spannend!


Die Sonne mit ihren vielfältigen Aktivitätserscheinungen bietet in jedem Teleskop einen faszinierenden Anblick. Geeignete Maßnahmen zum Schutz der Augen vorausgesetzt, lassen sich auf der Oberfläche des Tagesgestirns dunkle Flecken, Fleckengruppen und helle Fackeln erkennen. Bereits durch das bloße Zählen der Flecken und Gruppen lässt sich ein aussagekräftiges Maß für die aktuelle Sonnenaktivität gewinnen: die Sonnenfleckenrelativzahl R (siehe Kasten unten).

Die Sonnenfleckenrelativzahl

Die Relativzahl R ist ein Maß für die Sonnenaktivität und lässt sich leicht ermitteln: Man zählt die Anzahl der Sonnenfleckengruppen g sowie die Anzahl der einzelnen Sonnenflecken f und rechnet: R = (10 g + f) · k. Somit wird jedem Aktivitätsherd das zehnfache Gewicht eines Einzelflecks gegeben, was in etwa zu einer Gleichgewichtung beider R-Anteile führt, weil im langjährigen Durchschnitt etwa zehn Flecken pro Gruppe auftreten. Die Größe k ist ein persönlicher Faktor, der von dem genutzten Instrument und der Erfahrung des Beobachters abhängt. Er ist nötig, um die eigenen R-Messungen mit denjenigen anderer Beobachter zu kalibrieren.

Die Relativzahl ermöglicht einen direkten Vergleich mit der Sonnenaktivität vergangener Jahrhunderte. Zudem ähnelt ihr zeitlicher Verlauf dem Verhalten physikalischer Messgrößen, beispielsweise der Flussdichte der solaren Radiostrahlung. Jede Tagesrelativzahl des Sonnenbeobachter-Netzes der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) wird aus etwa 15 Einzelbeobachtungen ermittelt. Jedes daraus bestimmte Monatsmittel wird zudem über die umliegenden 17, mit einer Polynomfunktion gewichteten Monate »geglättet« (P17-Methode).


Im Februar 2014 erreichte die Relativzahl mit 104,0 das bisher höchste Monatsmittel des aktuellen Zyklus. Danach nahm die Aktivität deutlich ab. So entsteht im März 2014 bei den geglätteten Monatsmitteln der internationalen Relativzahlen mit 82,8 das zweite lokale Maximum des 24. Zyklus (siehe Grafik in der Druckausgabe). Es ist höher als das erste Maximum im Dezember 2011 (71,9) und wird deshalb vermutlich das absolute Maximum des aktuellen Zyklus sein. Übrigens war schon beim vorangegangenen Zyklus das zweite Maximum höher als das erste - zumindest anhand der Ergebnisse des SONNE-Relativzahlnetzes der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS).

Die Sonne rotiert um ihre eigene Achse und besitzt daher einen Äquator, der die Photosphäre in eine Nord- und Südhalbkugel teilt. Für die beiden Hemisphären lassen sich die Relativzahlen RN und RS bestimmen. Die entsprechenden Kurven belegen, dass das erste Maximum hauptsächlich auf das Konto des Nordens ging, dessen Aktivität im zweiten Halbjahr 2011 etwa doppelt so hoch wie die des Südens war (siehe Grafik in der Druckausgabe). Danach glichen sich beide Hemisphären auf niedrigem Niveau an. Diese Phase markiert das Minimum zwischen beiden Maxima.

Ab Mitte 2013 gewann die Südhalbkugel die Oberhand. Ende 2013 legte aber auch die Nordhalbkugel wieder zu, was das zweite, höhere Maximum unterstützen dürfte. Den weiteren Verlauf können wir nur anhand der ungeglätteten Werte abschätzen, da die geglätteten Werte bei der zur Berechnung genutzten »P17-Methode« für einen bestimmten Monat erst acht Monate später berechnet werden können: Der Norden hat weiter aufgeholt, im Süden nahm die Aktivität ab.

Wie verhielt es sich in früheren Zyklen? Das SONNE-Netz bestimmt RN und RS seit 1983, damit wurden bereits die Zyklen 22 und 23 komplett abgedeckt. In diesen beiden Zyklen dominierte zunächst die Süd- und dann die Nordhalbkugel den Anstieg sowie das erste Maximum, die Südhalbkugel das zweite Maximum und den Abstieg. Dies passt zur Entdeckung des Sonnenforschers Max Waldmeier, dass bei schwachen Zyklen der Norden zunächst aktiver ist als der Süden. Beide Hemisphären zeigten jeweils zwei ausgeprägte Maxima.

Es spielt eine Rolle, wie die beiden Hemisphären-Maxima miteinander »synchronisiert« sind: Im 22. Zyklus passte es sehr gut, entsprechend hoch waren die Gesamt-Relativzahlen R der beiden Maxima. Beim 23. Zyklus funktionierte das schon nicht mehr so gut, also war das Maximum niedriger. Im aktuellen Zyklus liegt das erste, schwache Süd-Maximum zwischen den ersten beiden Nord-Maxima.

Wie geht es nun weiter? Es fällt auf, dass in den beiden vergangenen Zyklen das zweite Süd-Maximum ungewöhnlich breit war. Wird das auch dieses Mal so sein? Die ungeglätteten Werte sprechen nicht dafür, allerdings könnte der erste Transit der Riesengruppe AR 2192 im Oktober 2014 der Anfang eines neuen Aktivitätsschubs der Südhalbkugel sein (siehe Bild in der Druckausgabe). Zusammen mit der wieder erstarkten Nordaktivität würde sich ein ausgeprägtes Zyklusmaximum ergeben.


Überraschungen sind möglich

Die langfristige Vorhersage schwacher Zyklen wie dem aktuellen 24. ist schwierig, da sie zahlreiche lokale Maxima aufweisen. Man kann sich diese Tatsache aber auch zu Nutze machen. Sonnenflecken sind nur das auffälligste Phänomen der Sonnenaktivität. Mit speziellen Teleskopen, zum Teil auch an Bord von Satelliten, lässt sich die Sonnenaktivität auf vielfältige Weise messen. Von besonderem Interesse ist hierbei das solare Magnetfeld, denn die verschiedenen Formen der Aktivität entstehen hauptsächlich durch örtliche Störungen dieses Felds. Die Umpolung des Dipol-Magnetfelds der Sonne um den Jahreswechsel 2013/2014 deutet darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt oder bald darauf das Maximum eintrat. Tatsächlich nahm die Sonnenaktivität im Jahr 2014 tendenziell ab. Dieser Trend wird sich jedoch nicht bis zum Minimum fortsetzen. Im Ausblick auf 2014 wurde gezeigt, dass fast alle Zyklen mit einem Maximum von weniger als 80 mindestens drei lokale Maxima aufwiesen (siehe Kalender für Sternfreunde 2014, S. 50). Der 24. Zyklus dürfte hier keine Ausnahme bilden.

Vergleichen wir nun den aktuellen Zyklus mit zwei ähnlichen Verläufen und wagen eine Prognose (siehe Grafik in der Druckausgabe). Anfang 2015 ist die Fleckenaktivität ähnlich niedrig wie zuletzt Mitte 2013. Auf Grund der ungleichmäßigen Verteilung der wenigen Aktivitätsherde kann es auch schon fleckenfreie Tage geben. Dann sollte die Sonnenaktivität wieder ansteigen. Gegen Ende des Jahres wird sie wahrscheinlich wieder leicht abflauen. Trotzdem ist während des ganzen Jahres gelegentlich mit Strahlungsausbrüchen (englisch: flares) und damit teilweise verbundenen koronalen Massenauswürfen zu rechnen. Diese können in der Umgebung der Erde starke geomagnetische Stürme verursachen, die auch in unseren Breiten sichtbare Polarlichter auslösen (siehe SuW 2/2014, S. 72, und SuW 3/2014, S. 70).

Der Abstand der Fleckengruppen zum Äquator wird weiter abnehmen. Vermutlich bleibt die Aktivität auf der Südhalbkugel stärker als auf der Nordhemisphäre. Zwar weisen alle Sonnenfleckenzyklen bestimmte Merkmale auf, doch der individuelle Verlauf ist immer einzigartig. Das dritte Maximum könnte sich auch bis in das Jahr 2016 hinein erstrecken und stärker oder schwächer ausfallen als erwartet - es bleibt also weiterhin spannend.


Beobachten Sie mit!

Schicken Sie der Fachgruppe Sonne der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) regelmäßig Ihre Beobachtungsergebnisse - online oder per E-Mail. Ihre Relativzahlen, Zeichnungen oder Fotos des Tagesgestirns gehen in die Auswertungen der entsprechenden Netze und in den Ausblick auf die Sonnenaktivität 2016 ein. Anleitungen zur Beobachtung finden Sie unter www.vds-sonne.de. Hier folgt sogleich der wichtigste Hinweis: Blicken Sie niemals ohne eine geeignete Lichtdämpfung in die Sonne - eine Erblindung könnte die Folge sein. Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß und Erfolg beim Beobachten im Jahr 2015!


Andreas Zunker wertete von 1995 bis 2005 die Beobachtungen des SONNE-Relativzahlnetzes aus. Seit 2007 wagt er einen Blick auf die Sonnenaktivität der nahen Zukunft, bisher im »Kalender für Sternfreunde«, jetzt in »Sterne und Weltraum«.


Literaturhinweise

Beck, R., Bulling, A.: Der Gleissberg-Zyklus. In: Reinsch, K. et al. (Hg.): Die Sonne beobachten. Verlag Sterne und Weltraum, Hüthig GmbH, Heidelberg 1999

Delfs, M.: Die Aktivität der Sonne - Rückblick auf das Jahr 2013. In: Sterne und Weltraum 7/2014, S. 68-73

Waldmeier, M.: Der lange Sonnenzyklus. In: Zeitschrift für Astrophysik 43, S. 149-160, 1957


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 64:
Die aktive Region AR 2192 brachte eine der spektakulärsten Fleckengruppen des aktuellen Zyklus hervor. Olaf Dieme fotografierte sie am 19. Oktober 2014 von seiner Balkonsternwarte aus. Wird uns die Sonne auch weiterhin mit solch faszinierenden Phänomenen überraschen?

Abb. S. 65 links:
Die geglätteten Monatsmittel der Relativzahlen des SONNE-Relativzahlnetzes sind hier ab dem Jahr 1983 wiedergegeben, ebenso die Beiträge RN und RS der Nord- beziehungsweise Südhalbkugel. Für das Jahr 2014 liegen noch keine geglätteten Daten vor.

Abb. S. 65 rechts:
Der aktuelle 24. Zyklus ähnelt den Zyklen 12 und 16. Da das SONNE-Netz erst seit 1977 besteht, musste auf Relativzahlen des World Data Center Sunspot Index and Long-term Solar Observations (WDC-SILSO) in Brüssel zurückgegriffen werden.


Der Artikel ist als PDF-Datei mit Abbildungen abrufbar unter:
http://www.spektrum.de/pdf/suw-2015-02-s064-pdf/1326376

© 2015 Andreas Zunker, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 2/15 - Februar 2015, Seite 64 - 65
URL: http://www.spektrum.de/pdf/suw-2015-02-s064-pdf/1326376
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie)
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

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