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STERN/212: Meteorite und die Chemie von Supernovae (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 7/12 - Juli 2012
Zeitschrift für Astronomie

Meteorite und die Chemie von Supernovae

Von Peter Hoppe



Laboruntersuchungen an meteoritischem Sternenstaub geben Aufschluss über eine Vielzahl von Prozessen im Innern und in der Umgebung ihrer Muttersterne. Kürzlich gemachte Isotopenmessungen weisen darauf hin, dass sich Schwefelmoleküle in den Überresten von Supernova-Explosionen bildeten.


Primitive Meteorite enthalten kleine Mengen an Staub, der älter als unser Sonnensystem ist. Dabei handelt es sich um Sternenstaub, der sich in den Winden von Roten Riesen oder in Supernova-Überresten gebildet hat (siehe Bild in der Druckausgabe). Als unser Sonnensystem vor etwa 4,6 Milliarden Jahren durch den Kollaps einer interstellaren Gas- und Staubwolke entstand, wurde der größte Teil des ursprünglich vorhandenen Staubs zerstört. Ein kleiner Teil überlebte die Entstehungsphase des Sonnensystems jedoch unversehrt in kleineren planetaren Körpern, den Asteroiden und Kometen. In Meteoriten, den aus Asteroiden-Kollisionen stammenden Bruchstücken, gelangt der Sternenstaub letztlich zu uns auf die Erde (siehe SuW 9/2005, S. 38).

Die häufigsten Sternenstaubminerale in Meteoriten sind Silikate, Siliziumkarbid (SiC), Oxide und Graphit. Von besonderer Bedeutung ist SiC-Sternenstaub. Dieses Mineral lässt sich in fast reiner Form aus Meteoriten chemisch separieren und anschließend im Labor detailliert untersuchen. Als wichtige Quelle für SiC-Sternenstaub erwies sich der Murchison-Meteorit, ein so genannter kohliger Chondrit, der 1969 in Australien gefunden wurde. Der wichtigste Fingerabdruck des Sternenstaubs ist seine Isotopenzusammensetzung. Diese unterscheidet sich sehr stark von derjenigen des Materials, das sich in unserem Sonnensystem gebildet hat. Beispielsweise variiert beim Kohlenstoff das Häufigkeitsverhältnis 12C/13C der zwei stabilen Isotope mit den Massenzahlen 12 (sechs Protonen und sechs Neutronen) und 13 (sechs Protonen und sieben Neutronen) auf der Erde nur um einige Prozent um den Wert 12C/13C = 89. Sternenstaub zeigt dagegen viel größere Variationen. So findet man im SiC-Sternenstaub Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse zwischen 1 und 10.000.

Diese starken Abweichungen von den terrestrischen Werten sind das Resultat kernphysikalischer Prozesse und Mischvorgängen im Innern entwickelter Sterne. Vergleicht man nun die Isotopenzusammensetzungen des Sternenstaubs mit den Vorhersagen von Sternmodellen, so lassen sich Rückschlüsse auf den Typ des Muttersterns ziehen.

Sekundärionen-Massenspektrometrie
Unter Massenspektrometrie versteht man das Sortieren der atomaren und molekularen Bestandteile einer Probe nach deren Masse. Dazu beschießt man in einem Massenspektrometer die Probe mit Ionen von zum Beispiel Sauerstoffatomen O- oder Cäsiumatomen Cs+. Diese Primärionen treffen auf die Probe und setzen neutrale, positiv und negativ geladene Teilchen frei. Die Mehrzahl besteht aus neutralen Teilchen, die weder auf elektrische noch magnetische Felder reagieren und für die Messung verloren sind. Die geladenen Teilchen jedoch, die Sekundärionen, lassen sich nach ihrer Masse genau aufschlüsseln.


Ionensonde NanoSIMS

Meteoritischer Sternenstaub hat typischerweise Größen zwischen 0,1 und 1 Mikrometer. Mit Hilfe der Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS, siehe Kasten links unten in der Druckausgabe) lassen sich an Proben dieser Größe die Isotopenzusammensetzungen der Hauptelemente wie auch vieler Spurenelemente bestimmen. Eine wichtige Rolle bei diesen Untersuchungen spielt die NanoSIMS-Ionensonde. Eines der ersten dieser Geräte ist jetzt seit zehn Jahren bei uns im Max-Planck-Institut für Chemie im Einsatz, wo die Sternenstaubforschung seit vielen Jahren etabliert ist. Die NanoSIMS hat es uns ermöglicht, Isotopenmessungen auf Proben im Submikrometerbereich auszudehnen. Dies hat sich als außerordentlich wichtig herausgestellt, konnten dadurch doch neue Typen an Sternenstaub entdeckt werden.

Etwa ein bis zwei Prozent des SiC-Sternenstaubs stammt aus Supernova-Explosionen. Erst kürzlich entdeckten wir dank des Einsatzes der NanoSIMS-Ionensonde eine Population von SiC-Körnern mit isotopisch schwerem Silizium (siehe Bild). Wir nennen sie auch U/C-Körner (von englisch: unusual type C). In ihnen sind die schweren Silizium-Isotope im Vergleich zu ihren solaren beziehungsweil terrestrischen Häufigkeiten angereichert. Diese Partikel sind äußerst selten. Es findet sich nämlich unter 100 Millionen Mineralkörnern in einem Meteoriten nur ein SiC-Korn dieses Typs. Man sucht also nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Wie detaillierte Untersuchungen an U/C-Körnern aus dem Murchison-Meteoriten belegen, enthalten diese Körner das Zerfallsprodukt des radioaktiven Titanisotops mit der Massenzahl 44. Das beweist den Supernova-Ursprung dieser Körner, kann dieses radioaktive Titanisotop doch nur in den inneren Zonen einer Supernova erzeugt werden.

Vor der Explosion besitzt eine Supernova vom Typ II eine zwiebelschalenförmige Struktur. Im Wesentlichen lassen sich acht Zonen unterscheiden, die unterschiedliche Phasen des nuklearen Brennens durchlaufen haben, und durch spezifische Element- und Isotopenzusammensetzungen charakterisiert sind. Schweres Silizium, die Signatur der U/C-Körner, findet sich in den mittleren, sauerstoffreichen Zonen. Gemäß gängiger Supernova-Mondellrechnungen zeigt der Schwefel ähnliche Isotopenverteilungen wie Silizium: In Zonen mit isotopisch normalem Silizium, also mit solaren und terrestrischen Häufigkeiten, findet sich normaler Schwefel. In solchen Zonen mit schwerem Silizium findet sich schwerer Schwefel und in solchen mit leichtem Silizium findet sich leichter Schwefel (siehe Grafik unten).

Silizium- und Schwefel-Isotopenmessungen an U/C-Körnern haben nun jedoch ein paradoxes Resultat zu Tage gefördert: Wir entdeckten schweres Silizium zusammen mit leichtem Schwefel - eine Kombination, die mit simplen Supernova-Mischrechnungen nicht zu erklären ist. Offensichtlich gibt es eine Fraktionierung zwischen Silizium und Schwefel aus den verschiedenen Supernovazonen. Modelle zur Molekülchemie in den Überresten von Supernovae sagen die Bildung einer Vielzahl von Molekülen voraus. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Molekül Siliziumsulfid SiS, das sich in signifikanten Mengen in Materie aus der inneren silizium- und schwefelreichen Zone einige Monate nach der Explosion bildet. Das Molekül SiS spielt beim Wachstum von SiC-Kristallen eine wichtige Rolle. Die wachsenden SiC-Kristalle bestehen zwar vorwiegend aus Materie aus den weiter außen liegenden Zonen der Supernova. Wird nun aber ein kleiner Teil der SiS-Moleküle nach außen gemischt und wird Schwefel bevorzugt über das Molekül SiS in die wachsenden SiC-Körner aufgenommen, so ist es möglich, SiC mit schwerem Silizium und leichtem Schwefel zu erzeugen.

Astronomische Beobachtungen von Supernova-Überresten wiesen bisher eindeutig nur die Moleküle Kohlenmonoxid CO und Siliziumoxid SiO nach. Die Resultate der Messungen an meteoritischen SiC-Körnern geben nun einen ersten starken Hinweis darauf, dass sich auch schwefelhaltige Moleküle in Supernova-Überresten bilden. Schwefel-Molekülchemie spielt sich demnach nicht nur in vergleichsweise kühlen Umgebungen ab, sondern auch bei Temperaturen von einigen 1000 Grad in der unwirtlichen Umgebung einer Supernova-Explosion.


Peter Hoppe forscht am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Dessen Abteilung Partikelchemie befasst sich mit der Untersuchung von Partikeln extraterrestrischen und irdischen Ursprungs.


Literaturhinweise

Ott, U., Hoppe, P.: Sternenstaub im Labor - (Nicht nur) Edelsteine aus dem All. In: Sterne und Weltraum 9/2005, S. 38-45

Hoppe, P. et al.: Sulfur molecule chemistry in supernova ejecta recorded by silicon carbide stardust. In: Astrophysical Journal Letters 745, 26, S. 1-5, 2012

Cherchneff, I., Dwek, E.: The chemistry of population III supernova ejecta. I. Formation of molecules in the early universe. In: Astrophysical Journal 703, S. 642-661, 2009

Rauscher, T. et al.: Nucleosynthesis in massive stars with improved nuclear and stellar physics. In: Astrophysical Journal 576, S. 323-348, 2002

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Das WiS-Material »Supernovae und ihre Überreste« betrifft den Beitrag »Meteorite und die Chemie von Supernovae«. Obwohl uns Supernovae so gewaltig erscheinen, betrifft ihre Physik zu einem großen Teil die kleinsten Bausteine der Materie. Anhand des Beitrags lässt sich eine Vorstellung für das Geschehen einer Supernova im Ganzen entwickeln. Dabei werden kernphysikalische Inhalte behandelt. (ID-Nummer: 1051528)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 26:
In Supernova-Überresten wie hier Cassiopeia A bilden sich auch Minerale, zum Beispiel Siliziumkarbid, SiC.

Abb. S. 27 oben:
Das Siliziumkarbidkorn aus dem Murchison-Meteoriten ist nur etwa einen Mikrometer groß und in den Überresten einer Supernova kondensiert.

Abb. S. 27 unten:
Die Grafik zeigt die Verhältnisse von Silizium- und Schwefelisotopen im Innern eines Bereichs bis zu fünf Sonnenmassen einer Supernova vom Typ II mit 15 Sonnenmassen. Die Isotopenverhältnisse sind normiert auf die Werte im Sonnensystem. Die acht Fusionszonen sind am oberen Rand bezeichnet. Werte größer als eins repräsentieren schweres Silizium und schweren Schwefel, Werte kleiner als eins stehen für leichtes Silizium und leichten Schwefel.

© 2012 Peter Hoppe, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 7/12 - Juli 2012, Seite 26 - 28
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2012