Universität Konstanz - 23.02.2017
Alge im Eismeer
Konstanzer Biologen waren bei der Entschlüsselung des Genoms einer antarktischen Meeresalge und damit an neuen Einblicken in ihre Anpassung an das Leben im Südpolarmeer beteiligt
Das Südpolarmeer umgibt den antarktischen Kontinent und beheimatet trotz
seiner scheinbaren Lebensfeindlichkeit eine erstaunliche Vielfalt von
Lebensformen, von winzigen Einzellern bis hin zum größten Tier der Welt,
dem Blauwal. Die Grundlage dieser Ökosysteme bilden photosynthetische
Algen. Ein besonders relevanter Vertreter dieser Gruppe ist die Kieselalge
Fragilariopsis cylindrus. Diese Alge wächst sowohl in gefrierendem
Seewasser bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt als auch als
Plankton im Freiwasser. Einem internationalen Konsortium von 44
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus sechs verschiedenen Ländern
unter Beteiligung der Konstanzer Algenforscher Dr. Ansgar Gruber und Prof.
Dr. Peter Kroth ist es nun gelungen, das Genom dieser Kieselalge zu
entschlüsseln. Die Ergebnisse des Projekts wurden im Januar in dem
renommierten Wissenschaftsjournal Nature publiziert und bieten Einblick in
die umfangreichen Anpassungen der Alge an das Leben im Eismeer. Online
sind sie nachzulesen unter:
http://dx.doi.org/10.1038/nature20803
Fragilariopsis cylindrus besitzt beispielsweise eisbindende Proteine, die die Struktur entstehender Eiskristalle verändern können, oder viele Kupfer- beziehungsweise Zink-bindende Proteine, die unter den im Südpolarmeer herrschenden Eisenmangelbedingungen eisenbindende Proteine ersetzen können. Besonders überraschend ist die Beobachtung der Forscher, dass das Genom zwar, wie alle bisher bekannten Kieselalgen-Genome, in zweifacher Kopienzahl vorliegt (entsprechend den mütterlich und väterlich ererbten Teilen des menschlichen Genoms), die beiden Kopien (Allele) aber in vielen Fällen deutlicher voneinander verschieden sind als bei anderen Organismen.
Hinzukommt, dass die Funktion der ungleichen Gen-Paare auch unterschiedlich reguliert wird, und zwar umso unterschiedlicher je verschiedener die beiden Allele sind. Da sich die Kieselalgen einerseits in der Regel als identische Kopien der Mutterzelle (klonal) vermehren, andererseits aber in jeder Runde der auch vorkommenden geschlechtlichen Fortpflanzung die Gen-Paare neu rekombiniert werden, zeigt diese Entdeckung auch einen Weg auf, wie die Fähigkeit zu genetischer Anpassung in einem einzelligen Organismus vererbt werden kann.
Diese Erkenntnis der Forscher ist von besonderem Interesse, da sich aufgrund des weltweiten Klimawandels die Lebensbedingungen in den Polarmeeren derzeit stark verändern. Wie Kieselalgen auf diese Veränderungen reagieren, wird von entscheidender Bedeutung für die Ökosysteme der Ozeane sein - und damit nicht zuletzt auch für die Zukunft der Menschheit.
Originalveröffentlichung:
Mock, T. et al. (2017): Evolutionary genomics of the cold-adapted diatom
Fragilariopsis cylindrus. Nature 541, 536-540, 26 January 2017.
http://dx.doi.org/10.1038/nature20803
- uni.kn
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1282
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Julia Wandt, 23.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2017
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