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ORNITHOLOGIE/117: Neue Vogelart im Südwesten Chinas entdeckt (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009

Neue Vogelart im Südwesten Chinas entdeckt

Von Anita Schäffer


Wieder einmal konnten Vogelkundler die Entdeckung einer neuen Art feiern: In der Provinz Guangxi in Südwestchina wurde eine Timalienart nach ihrem Vorkommensgebiet mit dem vorläufigen lateinischen Artnamen Stachyris nonggangensis bezeichnet. Der aufregende Fund könnte bedeuten, dass China noch weitere Überraschungen für Ornithologen bereithält.

Wissenschaftler der Universität Guangxi beobachteten die neue Vogelart aus der Familie der Timalien erstmals im Jahr 2005 und bestätigten die Vögel im darauffolgenden Jahr als unbestimmtes Taxon - noch ist nicht geklärt, ob es sich tatsächlich um eine eigene Art oder vielleicht die Unterart einer anderen Timalie handelt. Timalien sind eng mit den Grasmückenartigen verwandt und werden manchmal sogar mit ihnen zusammengefasst. Die genaue Abgrenzung einiger Gattungen und Arten ist umstritten.

Die Vögel sind mit kurzen, abgerundeten Flügeln und langen, kräftigen Beinen bestens an das Leben im Unterholz und am Boden der tropischen Wälder Afrikas und Südasiens angepasst. Hier suchen die Tiere in kleinen Gruppen nach Insekten, Beeren oder Früchten. Mit lauten, abwechslungsreichen Rufen halten die Vögel während der Nahrungssuche untereinander Kontakt.

Fest steht, dass die neue Timalienart eng mit der Laos-Buschtimalie (Stachyris herberti) verwandt ist. Im Gegensatz zur Laos-Buschtimalie ist S. nonggangensis jedoch größer und mit weißen Halbmonden unterhalb der Ohren sowie dunkler Fleckung entlang von Brust und Hals gezeichnet. Eine ausführliche Beschreibung der Art wurde jüngst in einer Ausgabe der ornithologischen Zeitschrift The Auk abgedruckt.

Im Verhalten ähnelt die neue Timalienart denen der Gattung Napothera, da sich die Vögel eher laufend als fliegend fortbewegen und scheinbar die meiste Zeit am Boden zwischen Felsen und unter Blättern nach Insekten jagen. Diese Verhaltensweise steht in starkem Kontrast zu der anderer nah verwandter Arten, die ihre Nahrung hauptsächlich im Unterwuchs sowie den unteren Ästen von Bäumen suchen und selten auf den Boden kommen. Bisher konnten von den etwa 100 festgestellten Brutpaaren von S. nonggangensis keine Nester gefunden werden.

Das Gebiet, in dem die neue Timalienart entdeckt wurde, liegt in einem größeren Schutzgebiet. Die Art könnte jedoch ebenso gut im umliegenden Karst-Regenwald vorkommen, wo Abholzung und Holzkohleproduktion den Lebensraum gefährden. Die Kalksteinzone im Südwesten von Guangxi gehört zum vom Naturschutzverband Conservation International identifizierten globalen Biodiversitätsschwerpunkt "Indo-Burma" (global biodiversity hotspot) sowie zum Endemic Bird Area "Südostchinesisches Gebirge" und ist eine der typischsten Karstregionen der Welt. Durch die Anfälligkeit dieses Ökosystems sowie die fortschreitende Zerstörung durch Menschenhand ist die bloße Existenz der neuen Vogelart schon jetzt stark gefährdet.

Die Arbeitsgruppe Taxonomie von BirdLife International wird sich in Kürze mit der Frage befassen, ob es sich bei S. nonggangensis tatsächlich um eine eigene Art handelt. Sollte dies der Fall sein, wird BirdLife International den Schutzstatus der Art festlegen und ggf. entscheiden, in welche Kategorie der Roten Liste weltweit bedrohter Vogelarten S. nonggangensis aufgenommen werden muss.

Quelle: www.birdlife.org/news/news/ 2009/01/nonggang_babbler.html


Wie erhält eine neu entdeckte Vogelart eigentlich einen deutschen Namen?
Im deutschsprachigen Raum ist für die Benennung neuer Arten die "Kommission für Deutsche Vogelnamen" zuständig. Diese wurde vom International Ornithological Congress 2006 durch Prof. Walter Bock eingesetzt, zu den Mitgliedern der Kommission gehören: Einhard Bezzel, Renate van den Elzen, Christoph Hinkelmann, Frank Steinheimer und als Vorsitzender Peter Barthel. Wir werden in einem der nächsten Falke-Hefte den deutschen Namen von Stachyris nonggangensis und die Überlegungen, die zur Namensvergabe geführt haben, vorstellen.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009
56. Jahrgang, März 2009, S. 116
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009