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ORNITHOLOGIE/279: Singvögel - Erkennen des Nestgeruchs ist Lernsache (idw)


Universität Bielefeld - 03.06.2013 10:24

Singvögel: Erkennen des Nestgeruchs ist Lernsache

Biologen der Universität Bielefeld beweisen, dass Fähigkeit nicht angeboren ist


Foto: © Universität Bielefeld

Klein und flusig: Wenige Stunden alte Zebrafinken recken ständig ihre Hälse, weil sie nur Fressen im Sinn haben. Ganz nebenbei lernen sie, ihr Nest am Geruch zu erkennen, sagen die Bielefelder Biologen.
Foto: © Universität Bielefeld

Singvögel können riechen und nutzen ihren Geruchssinn, um das eigene Nest nach dem Ausfliegen wiederzufinden. Das zeigten die Verhaltensforscher Dr. Tobias Krause und Dr. Barbara Caspers von der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld in früheren Studien. Doch ist die Fähigkeit, das eigene Nest geruchlich zu erkennen, angeboren oder wird sie nach dem Schlüpfen entwickelt? Das war bislang unklar. In ihrer neuen Studie zeigen die Forscher: Singvögel erlernen diese Fähigkeit - und zwar schon in den ersten Lebensstunden nach dem Schlüpfen. Die Studie ist am Freitag, dem 31. Mai, in "Animal Behaviour" erschienen, einem der weltweit führenden Fachjournale zur Verhaltensforschung.

Um herauszufinden, ob die Fähigkeit zur Wiedererkennung angeboren oder erworben ist, haben Krause und Caspers in einem Experiment die Bedingungen verändert, unter denen die Vögel schlüpfen. Sie haben Eier aus den Nestern der biologischen Eltern in fremde Nester gelegt. Die Zieheltern bebrüteten die Eier und zogen die geschlüpften Jungtiere auf, als wären es ihre eigenen. Nach dem ersten Ausfliegen wurden diese Küken getestet: Sie hatten die Wahl zwischen dem Geruch des Nestes ihrer Pflegefamilie und dem Geruch des Nestes ihrer biologischen Familie. Dafür wurden sie vor zwei verschiedene Nistgerüche gesetzt. Der eine Nestgeruch bestand aus Material (Kokosfasern und Kot) vom Nest der Verwandten, der andere bestand aus Material des Nestes, in dem das Küken aufgezogen wurde. Das Ergebnis war eindeutig: Die Jungtiere zogen das Nest der Pflegeeltern dem der biologischen Eltern vor.

"Für Jungvögel stellt das eigene Nest einen Ort des Schutzes dar, in dem sie auch nach dem Ausfliegen noch von ihren Eltern gefüttert werden", sagt Barbara Caspers. "Deswegen ist es wichtig, dass sie ihr Nest auch nach dem Ausfliegen wiedererkennen."

In einer früheren Studie belegten die Verhaltensforscher, dass Küken, die kurz nach dem Schlüpfen in ein fremdes Nest getauscht wurden, das Nest ihrer Herkunftsfamilie bevorzugten. Die neue Studie beweist, dass diese Vögel den Geruch des Herkunftsnests wenige Stunden nach dem Schlüpfen gelernt haben müssen. "Im Gegensatz dazu gibt es mitunter Säugetiere, die den Geruch der Mutter schon während der Zeit der Schwangerschaft lernen", sagt Tobias Krause.

Die Forscher gehen davon aus, dass das Wissen darüber, welches Nest fremd und welches das eigene ist, nicht alleine zum Wiederfinden von Nestern genutzt wird. "Schon vor unserer Studie war klar, dass Singvögel wie andere Tiere auch Inzucht vermeiden", sagt Krause. "Es ist also durchaus möglich, dass die Information über den Familiengeruch genutzt wird, um später bei der Suche nach einem geeigneten Partner, Verwandte von Nicht-Verwandten zu unterscheiden." Dieser Frage wollen die Wissenschaftler in künftigen Untersuchungen nachgehen.

Die Studie ist erschienen in:
Animal Behaviour online vom 31.05.2013
http://dx.doi.org/10.1016/j.anbehav.2013.04.015

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution56

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bielefeld, Ingo Lohuis, 03.06.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2013