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FORSCHUNG/145: Molekulare Details der Pflanzenabwehr enthüllt (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 14. Februar 2008

Aller guten Dinge sind drei

Max-Planck-Wissenschaftler enthüllen molekulare Details der Pflanzenabwehr


Pflanzen müssen sich tagtäglich gegen Angriffe von Krankheitserregern wie Pilze, Bakterien oder Viren wehren. Dabei muss das pflanzliche Immunsystem zwischen Eigen- und Fremdproteinen unterscheiden, um den Angreifer überhaupt erkennen zu können. Viele Erreger werden schon an der Pflanzenoberfläche abgewehrt. Dieser für die Pflanze überlebenswichtige Mechanismus war bisher kaum erforscht. Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln fanden in Experimenten heraus, dass die Pflanze drei Protein-Bausteine benötigt, um einen an der Zellmembran sitzenden Abwehrkomplex zu bilden, der den Angreifer durch gezieltes Ausscheiden von wahrscheinlich giftigen Stoffen abwehrt (Nature, Online-Ausgabe vom 14. Februar 2008).


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Das pflanzliche Immunsystem benutzt verschiedene Waffen im Kampf gegen potenzielle Krankheitserreger. Eine frühe Waffe mit breiter Wirksamkeit wird sofort nach dem ersten Kontakt mit dem Angreifer aktiviert und verhindert ein Eindringen in die Pflanze. Jetzt konnten Kölner Max-Planck-Forscher um Chian Kwon in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Großbritannien und Deutschland zwei weitere molekulare Puzzlesteine identifizieren, die bei dieser Form der Abwehr wichtig sind.

In Experimenten an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) fanden die Wissenschaftler insgesamt drei verschiedene Proteine, die den so genannten SNARE-Komplex bilden, der über Tod oder Leben der Pflanzen nach Pilzbefall entscheidet. Es ist schon seit längerem bekannt, dass SNARE-Proteine im Inneren der Zelle den Transport von Stoffen mit Hilfe von kleinen Transportbehältern, den so genannten Vesikeln, steuern. Tausende solcher Vesikel ermöglichen eine beständige und geordnete Kommunikation zwischen verschiedenen Kompartimenten einer Pflanzenzelle. Die Stoffe werden durch Verschmelzen der Vesikel mit der Zellmembran frei gegeben. Neue Untersuchungen der Kölner Forscher haben ergeben, dass der SNARE-gesteuerte Vesikeltransport auch für die Abwehr von potenziellen Krankheitserregern genutzt wird. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich in den Vesikeln ein Gift befindet, mit dem der Angreifer getötet wird.

Das SNARE-Protein PEN und dessen Funktion bei der Abwehr waren den Forschern schon bekannt. Durch Experimente mit Mutanten der Ackerschmalwand, denen jeweils spezifische Proteine fehlten, fanden die Forscher zwei weitere Proteine - SNAP und VAMP -, die zusammen mit dem PEN-Protein den dreiteiligen SNARE-Abwehrkomplex bilden. Die große Überraschung: Fällt das VAMP-Protein aus, kann es durch ein chemisch ähnlich gebautes "Ersatz-VAMP" ausgetauscht werden. "Das ist ein zusätzlicher, bisher unbekannter Zellmechanismus", sagt Chian Kwon

Die beiden austauschbaren VAMP-Proteine erfüllen wichtige Funktionen in einem weiteren Prozess, der das Wachstum von Pflanzenzellen steuert. Offenbar benutzt die Zelle die gleichen Vesikel, in deren Hülle VAMP-Proteine sitzen, für zwei unterschiedliche Zwecke: zum einen für die normalen Transportwege während der Zellstreckung und zum anderen, im Falle des Angriffs von Krankheitserregern, für eine gezielte Abwehr. "Wahrscheinlich wird nur die Fracht der Vesikel für die Abwehrreaktion ausgetauscht", so der Biologe.

Interessanterweise kann man SNARE-Proteine auch bei Tieren finden, wo sie ganz ähnliche Aufgaben bei der Steuerung des Vesikeltransports zu erfüllen haben. Dass sich Tier und Pflanze in diesem grundlegenden Abwehrmechanismus so ähnlich sind, überraschte die Forscher am meisten. Sie erwarten, dass man in Zukunft noch weitere Parallelen zwischen dem Immunsystem von Tier und Pflanze finden wird.
[CV/CB]


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Originalveröffentlichung:
Chian Kwon, Christina Neu, Simone Pajonk, Hye Sup Yun, Ulrike Lipka, Matt Humphry, Stefan Bau, Marco Straus, Mark Kwaaitaal, Heike Rampelt, Farid El Kasmi, Gerd Jürgens, Jane Parker, Ralph Panstruga, Volker Lipka, and Paul Schulze-Lefert
Co-option of a default secretory pathway for plant immune responses
Nature, DOI 10.1038/nature06545 (2008)


Weitere Informationen erhalten Sie von:
Paul Schulze-Lefert und Ralph Panstruga
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln
Tel.: +49 221 5062-350
Fax: +49 221 5062-353
E-Mail: schlef@mpiz-koeln.mpg.de; panstrug@mpiz-koeln.mpg.de

Dipl.-Biol. Claudia Vojta (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln
Tel.: +49 221 5062-672
Fax: +49 221 5062-674
E-Mail: vojta@mpiz-koeln.mpg.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Angreifer haben keine Chance, denn sie treffen auf ein hochkomplexes Immunsystem der Pflanze, das den Angreifer schon nach dem ersten Kontakt heftig abwehrt. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Pilzspore, die versucht, in die Pflanze einzudringen.


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Quelle:
MPG - Presseinformation PRI B / 2008 (14), 14. Februar 2008
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hofgartenstraße 8, 80539 München
Tel.: 089/21 08-0, Fax: 089/21 08-12 76
E-Mail: presse@gv.mpg.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2008