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KOMMENTAR/091: Kalorie - Brennwert nach Ernährungslage auslegbar (SB)


Eine Kalorie ist eine Kalorie, oder auch nicht

oder

Wem es nützt, wenn ein Naturgesetz am menschlichen Organismus scheitert


In der Physik gibt es den ersten Hauptsatz der Thermodynamik, wonach "die Gesamtenergie" in einem geschlossenen System immer konstant bleiben soll. Dieses Naturgesetz droht am menschlichen Körper zu scheitern. Dieser bietet allerdings auch die schlechtesten Voraussetzungen für die Überprüfung eines solchen Leitsatzes, denn man kann einen lebenden Organismus wohl kaum als wirklich geschlossenes System bezeichnen.

Doch genau von dieser Voraussetzung scheinen Mediziner und Ernährungswissenschaftler auszugehen, wenn sie sich darum streiten, ob dem Organismus beim Verbrennen von Eiweiß weniger Energie zur Verfügung steht, als bei der Verwertung von einer kalorisch gerechnet gleichen Menge an Kohlenhydraten.

Schon 2004 wurde nämlich von Physikern bestätigt, daß beim Essen tatsächlich nicht alle Kalorien gleich vom Körper verwerten werden:

"London (ddp). Für den Körper ist Kalorie tatsächlich nicht gleich Kalorie: Obwohl der Energiegehalt von Eiweiß und Kohlenhydraten gleich ist, steht dem Organismus beim Verbrennen von Eiweiß weniger Energie zur Verfügung als bei der Verwertung von Kohlenhydraten. Das schließen amerikanische Wissenschaftler aus thermodynamischen Berechnungen. Damit stützen sie das Credo der Befürworter kohlenhydratarmer, eiweißreicher Diäten wie der Atkins-Diät."
(ddp, 17. August 2004)

Daß dieser Effekt dann aber auch in entsprechend ausgerichteten Diäten (z.B. Atkins) zum Tragen kommen und tatsächlich ein schnelleres Abnehmen nach sich ziehen könne, bleibt weiterhin umstritten.

Physikalisch betrachtet gibt es keinerlei Diskussionen: Eine Kalorie ist eine Kalorie und damit eine definierte Menge Brennwert (Verbrennungsenergie) - ganz gleich, wo sie herkommt oder hin soll.

Das sehen viele Kritiker der Atkins-Diät genauso. Sie berufen sich dabei auf den ersten Hauptsatz der Thermodynamik. Danach kann die Energie beim Verbrennen von Nährstoffen nicht einfach verschwinden, so daß es demnach egal wäre, ob der Körper sie aus Fetten, Eiweißen oder Kohlenhydraten bezieht.

Die Befürworter der Atkins-Diät sind dagegen der Ansicht, die verschiedenen Nährstoffe lieferten dem Körper trotz gleichen Kaloriengehalts unterschiedliche Energiemengen.

Und genau das soll auch durch die Berechnungen von Richard Feinman von der Staats-Universität in Brooklyn und seinem Kollegen Eugene Fine bestätigt worden sein. Die Forscher stützen sich ebenfalls auf die Physik, nur diesmal auf den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, wonach sich Energie spontan verteilt, wenn sie nicht daran gehindert wird. Und beim Verbrennen verschiedener Nährstoffe verteile sie sich eben sehr unterschiedlich, behaupten die Wissenschaftler. So werde beim Verbrennen von Eiweißen viel mehr Energie in Wärme überführt als bei dem von Kohlenhydraten und stehe daher dem Körper nicht mehr zur Verfügung. Kohlehydrate müßten logischerweise dann direkt in chemische Energie, sprich Fettreserven, umgesetzt werden.

Da diese Sichtweise nur gültig ist, wenn man jeden Nährstoff in seine Grundeinheiten und schließlich seinen kalorischen Brennwert zerlegt und diesen dann im vermeintlich geschlossenen System Körper wieder neu verteilt, wird sie in dem Moment belanglos, in dem der Organismus nicht mehr als geschlossenes Gefäß betrachtet wird. Und das wird er auch von den Wissenschaftlern schon in dem Augenblick nicht mehr, wenn sie von einer Wärmeabgabe ausgehen, die dem Körper nicht mehr zur Verfügung steht.

Neben der aus Teilen und Zählen zusammengesetzten Ordnung lassen sich auch Stoffwechselwege denken, die für verschiedene Ausgangsnährstoffe - d.h. nicht nur Fett, Protein und Kohlenhydrate, sondern auch für die chemisch und strukturell verschiedenen Gemüse- oder Fleischkomplexe und ihrer Entsprechungen im menschlichen Körper - individuelle Wege der Verdauung beschreiten, so daß manche Nahrungsmittel dick machen und andere eben nicht bzw. manche Menschen von manchen Nahrungsmitteln dick werden und andere überhaupt nicht. Diese Erfahrung haben wir alle schon machen können, auch wenn sie nicht in die Vorstellungen der Medizin oder Ernährungsphysiologie paßt. Letztere bezichtigt den Betroffenen dann mit Erklärungskonzepten wie "Heimlichessen" im Bedarfsfall sogar der Lüge, nur um nicht von dem zuvor beschriebenen Regelwerk der Thermodynamik abweichen zu müssen.

Mangelnder Brennwert ist eine Ausrede, die Fleischproduktion zu reduzieren

Die einseitige fett- und eiweißreiche Nahrung zum Beispiel einer Atkins-Diät kann dem Körper gar nicht alle Nährstoffe und Vitamine in ausreichender Menge bieten. Abgesehen davon ist auch mit einem eiweißreichen Speiseplan wie mit allen anderen Diätvorschriften statistisch gesehen keine langfristige Gewichtsreduktion möglich. So kam eine Umfrage an 4.000 Personen nur auf die hier verallgemeinerte und verkürzte Aussage: Diäten machen dick!

Die unterschiedliche Energiezuordnung bei verschiedenen Nährstoffen und besonders der energetisch niedrigere Stellenwert für Eiweiß passen allerdings ausgezeichnet zu dem neuen, fleischlosen Ernährungskonzept, das den Menschen aus vielerlei Gründen (nur nicht ihrer Gesundheit zuliebe) weltweit schmackhaft gemacht werden soll:

Wenn dem Körper, wie hier behauptet wird, durch die Verbrennung von Eiweiß weniger Energie zur Verfügung steht, macht das die Eiweiß- bzw. Fleischernährung angesichts des zunehmenden Mangels an Nahrungsmitteln auf der Welt ernährungstechnisch noch weniger ökonomisch, als sie ohnehin schon ist. Und das liegt ganz auf der Linie derjenigen, die die Fleischproduktion generell reduzieren wollen, weil Viehhaltung mit den vorhandenen Wasserreserven nur noch für eine elitäre und entsprechend zahlungsfähige Minderheit aufrechterhalten werden kann.

Nur einen Tag vor besagter ddp-Meldung erschien im Internet folgender Bericht über die Konferenz World Water Week, die vom schwedischen Wasserinstitut SIWI unter dem Motto: "Mehr Nahrung pro Tropfen" veranstaltet wird:

Hungrige Welt soll weniger Fleisch essen -
Ernährung der Industriestaaten beutet Wasserreserven extrem aus

Stockholm (pte) - Die derzeitigen Wasserreserven werden bei den derzeitigen Ernährungsgewohnheiten der industrialisierten Welt aller Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen. Zu diesem Schluss kommen Experten bei der derzeit stattfindenden World Water Week in Stockholm. Tiere verbrauchen wesentlich mehr Wasser als Getreide, daher spart vegetarische Ernährung das "kühle Nass". Mit derselben Menge Wasser können nach Meinung der Fachleute dadurch mehr Menschen ernährt werden.
(pte, 16. August 2004)

Nach Angaben des Pressetext.de vom 16.08.2004 leiden etwa 840 Millionen Menschen an Unterernährung oder "Mangel an sicheren Lebensmitteln". Nach groben Schätzungen könnten es 2025 sogar zwei Milliarden oder noch mehr sein.

Jüngsten Recherchen des Schattenblick zufolge [s.a. im Fachpool Politik/Redaktion/WELTORDNUNG/591: Nahrungsversorgung der Menschheit am Scheideweg (SB)] berichtete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), daß die Zahl der Hungernden in der Welt um 75 Millionen auf rund 925 Millionen gestiegen sei. Das Millenniumsziel der Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015 sei somit kaum noch zu erreichen, hieß es.

In einer Broschüre argumentieren die Experten damit, daß es mehrere Jahrzehnte gegeben habe, in denen die Lebensmittelherstellung größer war als das Bevölkerungswachstum. In der Zwischenzeit sei es jedoch genau umgekehrt, so daß man sich die wasserintensive Viehaltung wie auch die Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Käse nicht mehr leisten kann.


*


Noch einmal zusammengefaßt: eine Kalorie stammt von dem lateinischen Wort "calor" und bedeutet Wärme. Eine Kilokalorie ist jene Energiemenge, die notwendig ist, um 1 Liter Wasser um ein Grad zu erwärmen und das waren schon immer unterschiedliche Mengen an unterschiedlichen Brennstoffen. Für Eiweiße und Kohlehydrate waren die Brennwerte immer schon gleich:

1 g Eiweiß           
1 g Kohlehydrate     
1 g Fett             
1 g Alkohol          
1 g Essig            
1 g Sorbit           
(Zuckeraustauschstoff)
liefert






4 kcal
4 kcal
9 kcal
7 kcal
3 kcal
2,4 kcal

erhitzt 1 l Wasser um






4°C
4°C
9°C
7°C
3°C
2,4°C

Diese Vergleichswerte lassen sich mit einem Kalorimeter ermitteln, d.h. einem physikalischen Aufbau, der nichts mit dem menschlichen Körper zu tun hat. Mehr steckt nicht dahinter und das war schon immer so. Und so wird auch in Zukunft und in diesem Sinne eine Kalorie eine Kalorie bleiben. Da muß man sich gar nicht beirren lassen...

Erstveröffentlichung 9. September 2004
Neue überarbeitete Fassung

26. September 2008