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KOMMENTAR/117: Zucker - Gesundheitsvorwand Nährstoffkontrolle ... (SB)



"Ein Leben ohne Süßes ist möglich, aber sinnlos" (RTL.de).
"Hersteller plant Süßstoff-Revolution"(FOCUS)
"Sünde ohne Folgen - [...] Eine rheinische Firma will nun aber echten Zucker auf den Markt bringen, der nicht dick und krank macht." (WELT)
"Ein Ersatz, der geschmacklich und aufgrund seiner Eigenschaften Zucker den Rang ablaufen kann, ..." (diabetes-online.de),
Naschkatzen können es sicher kaum erwarten, dass es Allulose endlich zu kaufen gibt. Auch Abnehmwillige oder Anhänger einer kohlenhydratarmen Ernährung sehnen die Markteinführung herbei." (Bumfuzzled-Fitness)
"Diesen Weg der Natur haben wir uns zugänglich gemacht und ein Verfahren entwickelt, echten Zucker ohne Kalorien in großem Maßstab aus Rübenzucker herzustellen." (Timo Koch, Geschäftsführer Savanna Ingredients) [1]


Eine Zuckerrübenmiete (ein Riesenhaufen Rüben), die auf dem abgeernteten Feld auf den Abtransport wartet. - Foto: Axel Hindemith / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Agrarwirtschaftliches Auslaufmodell Zuckerrübe?
Ihr natürlicher Zucker gilt als ungesund und der für ihren Anbau geeignete, nährstoffreiche Boden wird knapp.
Foto: by Axel Hindemith / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Mit diesen und anderen einhellig unkritischen Vorschußlorbeeren begleiten und begrüßen Pressekommentare das Vorhaben eines kleinen rheinischen Start-Up-Unternehmens, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Entwicklungsprojekts "Neue funktionelle Kohlenhydrate" an der Herstellung eines Zuckersurrogats forscht, das keine Kalorien hat. In spätestens zwei Jahren will die Firma den Zucker, der bereits in den USA und einigen asiatischen Staaten unter dem Namen Allulose oder D-Psicose bekannt ist, auch europaweit auf den Markt bringen.

Dem gesellschaftlichen Konsens zufolge haben süße Speisen bzw. Zucker einen wichtigen Anteil an der menschlichen Lebensqualität, auf den niemand gezwungen werden sollte, zu verzichten. Gleichwohl wird der Konsum des gewöhnlichen hochkalorischen Haushaltszuckers von Medizinern und Krankenkassen nach dem Rauchen als einer der größten Risikofaktoren für beinahe alle denkbaren Zivilisationskrankheiten seit langem verteufelt. Die weltweite Zunahme von Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Krebs wird ihm, bzw. seinen vielen Kalorien, in Rechnung gestellt. Seit 2015 plädiert daher die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für einen fortschrittlichen und vernünftigen Umgang mit Zucker, d.h. für den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Süße und Verzicht, den sie bei 30 Prozent weniger Zucker für alle Rezepturen festgelegt hat. Dieser Vorgabe hat sich nun auch die Bundesregierung mit einer kürzlich beschlossenen Reduktions- und Innovationsstrategie angeschlossen. Interessanterweise wird von niemandem angezweifelt, daß zuviel Zucker in den meisten Lebensmitteln enthalten ist und weniger Zucker gesundheitliche Vorteile bringt. Auch die Zuckerhersteller stellen den Sinn der Offensive gegen Übergewicht nicht in Abrede, wünschen sich aber einen Weg, der ihre guten Absatzmärkte und Gewinne nicht angreift.

Doch Lebensmittel mit einem geringeren Zuckergehalt würden, so die "Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker", vom Verbraucher nicht akzeptiert. Viele würden 30 Prozent weniger Zucker, der in zahlreichen, verzehrfertigen Zubereitungen als Geschmacksverstärker fungiert, bereits als fade empfinden. Sie wären daran gewöhnt, daß Mayonnaisensalate, Salatdressings oder Ketchupsorten süß schmecken. In einer Pressemitteilung klagt der Interessenverband der Zuckerwirtschaft zudem darüber, daß eine Kalorienreduktion nicht allein durch die Senkung des Zuckergehalts zu bewerkstelligen sei und die Bundesregierung mit ihrer Strategie "Verbrauchern ein neues Geschmacksempfinden anerziehen" wolle. Ihr Vorhaben zur Zuckerdezimierung berücksichtige aber nicht, daß die individuelle Kalorienbilanz für Übergewicht viel wichtiger sei als die Fokussierung auf einzelne Nährstoffe wie Zucker. Tatsächlich haben Kohlenhydrate (wie Zucker) neben Eiweiß mit je 4 Kilokalorien pro Gramm (4 kcal/g) im Vergleich mit anderen essentiellen Nährstoffen nur halb so viel Kalorien wie Fett (9 kcal/g) und sogar deutlich weniger als Alkohol (7 kcal/g), deren Reduktion fraglos nicht mit der gleichen politischen Energie vorangetrieben wird.


Win-Win für die Zuckerindustrie

Der hier geforderten Konzentration auf Brennwerte scheint nun Savanna Ingredients mit ihrem "Zucker ohne Kalorien" entgegenzukommen. Ohnehin wird dieses Produkt als die zuckereierlegende Wollmilchsau für das vom Zuckerkonsumverzichts bedrohte Umfeld beworben. Analog zum alkoholfreien Bier, das immer noch bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten darf, sieht die Firma gute Chancen, den bedauerlicherweise doch noch 0,2 Prozent Kilokalorien enthaltenden Diät-Zucker als "kalorienfrei" auf den Markt bringen. Damit ließen sich laut Hersteller die gemeinhin versteckten Zuckerkalorien, ergo "Krank- und Dickmacher", aus Pizza, Gebäck, Fruchtjoghurt und Ketchup verdrängen, ohne daß der Verbraucher große geschmackliche Einbußen wahr- und hinnehmen brauche.

Da der nährwertfreie Zucker auch hinsichtlich Volumen, Konsistenz, Gewicht, Gar-, Bräunungs- und Backverhalten dem herkömmlichen Zucker mit seinen ähnlichen physikalischen Eigenschaften gleicht, wie ein Ei dem anderen, könnte er ohne weiteres in allen zuckerhaltigen Rezepten unbemerkt ausgetauscht werden. Etwa 98 Prozent der unverbesserlichen Süßfetischisten unter den Menschen könnten auf diese Weise geschmacklich getäuscht und zuckerfrei ernährt werden, ohne daß ein Absatzrückgang von Lebensmittel-, Convenience Food- oder von der Süßwarenindustrie befürchtet werden muß.


Die Strukturformeln (Fischer Projektion) von α-D-Glucose und ß-D-Fructose, die Bausteine der Saccharose - Grafik: by Procariota2 als CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons Die Strukturformel (Fischer Projektion) von Allulose (D-Psicose) bzw. von kalorienfreiem Zucker. - Grafik: by akane700 als CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Zucker vor und nach der biotechnologischen "Kalorienverkapselung".
Grafik links: by Procariota2 als CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons
Grafik rechts: by akane700 als CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Hoch angerechnet wird dem neuen Ersatzzuckerprojekt auch, daß keine anderen Rohstoffe für seine Herstellung nötig sind, als die bekannte Zuckerrübe, deren Zuckerbausteine mit einigen technischen Kniffen einfach chemisch umstrukturiert werden müßten. Das nennt der Hersteller "Kalorienverkapselung".

Zudem ist das Unternehmen sehr zuversichtlich, bald ein möglichst unaufwendiges Produktionsverfahren gefunden zu haben, mit dem es auch preislich den 59 Cent, die der Verbraucher gewöhnlich für ein Kilo Rübenzucker zahlen muß, nahe kommt. Andere Zuckerersatzstoffe schafften das nicht und kosteten oft zehnmal so viel wie Rübenzucker. Diese wären damit für einen großen Teil der Bevölkerung als kalorienarme Süßungsmittel indiskutabel.

Kurzum, auch Rübenbauern müssen bei einem Wechsel der Lebensmittelproduzenten von Saccharose zu Allulose keine Absatzeinbußen befürchten, es käme herstellungstechnisch für die Zuckerindustrie nur ein komplexer lebensmitteltechnologischer Umwandlungsprozeß dazu, an dessen Ende Allulose bzw. D-Psicose herauskommt. Ob dafür am Ende schwermetallhaltige Katalysatoren oder biotechnologisch bzw. gentechnisch gewonnene Enzyme verwendet werden sollen, für beide Verfahren liegen Patente vor, ist bislang noch nicht als gesundheitskritisches Gegenargument oder Frage gegen die Innovation aufgebracht worden. Und auch die Tatsache, daß Allulose nur 70 Prozent der Süßkraft aufweist wie die herkömmliche Saccharose (Rübenzucker), scheint angesichts der vielen Vorteile niemanden ernstlich zu stören. Kaum einer scheint bei dem allgemeinen Lobgesang nachzurechnen, daß mit einem eins zu eins Austausch von Zucker und Allulose ebenfalls ein Süßedefizit von 30 Prozent in Kauf genommen werden muß, das doch angeblich - laut Zuckerlobby - geschmacklich als "zu fade" empfunden und daher vom Verbraucher abgelehnt werden würde (s.o.).

Ohne eine Korrektur der Gesamtzuckermenge in allen fraglichen Rezepturen, kurz gesagt 30 Prozent mehr Allulose-Zucker, liefe es also bei der Umstellung aller zuckerhaltigen Lebensmittel auf den kalorienarmen Zucker ebenfalls auf eine geschmackliche Umgewöhnung des Verbrauchers an 30 Prozent weniger Süße hinaus. Da nun die Firma Savanna Ingredients mit ihrem Projekt zudem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wird, das eigenen Angaben zufolge im Rahmen ihrer Zuckerreduktionsstrategie 1,6 Millionen Euro für die Forschung an innovativen, nährwertlosen Zuckern zur Verfügung stellt, könnte diese klammheimliche Verbrauchertäuschung mittels kalorienfreiem Surrogat durchaus als beabsichtigte Umerziehungsmaßnahme zum unfreiwilligen aber dauerhaften Süßverzicht des Verbrauchers verstanden werden.

In jedem Fall käme ein 30 Prozent höherer Zuckerersatzverbrauch der Zuckerindustrie zugute, denn der Allulose-Hersteller - wen mag es noch wundern - ist ein Spin-Off-Unternehmen eines bekannten rheinischen Rübenzuckerproduzenten, so daß die Gewinne in der "Familie" bleiben. Diese ist ohnehin über ihre Interessenvertretung auch direkt über den Runden Tisch an der Grundsatzvereinbarung der Strategieziele beteiligt und weiß, daß sie keine wirklichen Verluste durch die Zuckerreduktion zu befürchten hat. [2]


Vollendete Tatsachen für widerständige Zuckersüchtlinge schaffen?

Die Umsetzung und Konkretisierung der Strategieziele - neben Zucker stehen auch gesundheitsschädliche Salz- und Fettgehalte in Lebensmitteln auf dieser Agenda - soll zudem von jährlichen Sitzungen des sogenannten Begleitgremiums zur Nationalen Reduktions- aund Innovationsstrategie flankiert werden. [3] In der Auftaktsitzung, die am 12. Februar 2019 unter dem Vorsitz von Bundesministerin Julia Klöckner stattgefunden hat, wurde u.a. darauf aufmerksam gemacht, daß eine der "wichtigsten Voraussetzungen dafür, die Aufklärung und Stärkung der Ernährungskompetenz der Verbraucherinnen und Verbraucher" sei. Vonseiten des BMEL wird die Strategie durch eine breit angelegte, die verschiedenen Zielgruppen adressierende Lehrkampagne begleitet. Das im Jahr 2017 neu gegründete Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) soll hierbei eine koordinierende Rolle übernehmen. Auch andere Akteure des Runden Tisches, zu denen Vertreter von Verbänden aus den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Lebensmittelwirtschaft gehören, darunter auch die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ), ebenso Verbraucherschutz und Wissenschaft oder Vertreter von Bundes- und Landesministerien, wollen dazu Beiträge beisteuern. [4]

Nun weiß man nicht, was der Runde Tisch des BMEL für Ernährungskompetenz hält. Die weiteren Pläne der Akteure um Ministerin Klöckner sprechen dafür, daß "zuckersüchtigen" Verbrauchern zumindest die Kompetenz abgesprochen wird, naheliegende Fakten der gesundheitlichen Bedrohung und ihre Risiken selbst zu prüfen und danach zu entscheiden, ob sie ihr Leben zuckersüß, pikant, mit oder ohne Kalorien gestalten wollen. Oder aus welch anderem Grund sollte "wer nicht hören will..." oder wer seinen inneren Schweinehund nicht bezwingen kann, durch entsprechende Förderprojekte dieser Runde, wie die Lancierung von Allulose, schlußendlich einfach vor vollendete, kalorienfreie Tatsachen gestellt werden? Gerade durch die geplante alternativlose und stillschweigende Umstellung auf weniger Kalorien und Süße, bei der das Einverständnis des Konsumenten ungefragt vorausgesetzt wird, drängen sich doch zahlreiche Fragen auf.

Angesichts der hohen EU-politischen Toleranz für den ungewollten Verzehr mancher toxischen Stoffe oder Agrarchemikalien (wie etwa das umstrittene Glyphosat, dessen generelles Einsatzverbot immer wieder herausgezögert wird [5]), die in landwirtschaftlich gewonnenen Nahrungsmitteln vorkommen können und dürfen, [6] wundert man sich vielleicht, wie giftig der seit Generationen verwendete Süßstoff wohl sein muß, wenn seine Entfernung aus den Lebensmitteln mit einer derart drastischen Entmündigung des Verbrauchers vorangetrieben wird. Oder sollen mit der Zwangsentwöhnung möglicherweise noch andere Interessen bedient werden, so daß die vermeintliche Sorge um das Wohl und die Gesundheit der Menschen nur ein kurzfristig vorgeschobener Grund ist?


Ein Plakat wirbt für den verstärkten Anbau von Zuckerrüben, um dem großen Bedarf in Kriegszeiten gerecht zu werden. - Grafik: National Archives at College Park (gemeinfrei)

Zucker war immer schon mehr als ein wichtiger Energielieferant.
Grafik: National Archives at College Park (gemeinfrei)

Schon immer war das weiße Gold Zucker Wirtschaftsfaktor und Politikum. Der Zuckermarkt wurde lange über strenge Quoten geregelt, um hohe und steigende Preise zu garantieren. Seit dem EU-weiten Fall der Quoten und dem damit einhergehenden Preisverfall könnte eine Marktlücke für ein kalorienfreies Rübenprodukt der hierauf vorbereiteten Zuckerindustrie Vorteile verschaffen.

Andere Gründe als ein Gesundheitsanliegen sind allein schon deshalb vorstellbar, weil bislang durchaus noch umstritten scheint, inwieweit der Brennwert von Kohlenhydraten, d.h. die Zuckerkalorien, der Auslöser der benannten Übel ist und auch die Frage, auf welche Weise Zucker seine gesundheitsschädliche Wirkung entfaltet, bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte. [7]

So appellieren immer wieder Forscher wie unlängst der Physiker und Journalist Gary Taubes im BMJ an die Wissenschaft: Der direkte gesundheitliche Schaden durch Zucker solle erneut untersucht und geklärt werden. [8] Taube vertritt die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von Haven Emerson und Louise Larimore von der Columbia Universität aufgebrachte Hypothese, daß beispielsweise nicht der Überschuß an Brennwert und der damit provozierte Fettgewebezuwachs, sondern die Struktur des Zuckers, d.h. der Saccharose, direkt für die "Diabetes- und Adipositas-Epidemie" verantwortlich ist.

Andere vertreten die Auffassung, daß bestimmte Stoffwechselprodukte des Zuckers - aber auch die verschiedenen Fettsäuren der Fette oder die Aminosäuren der Eiweiße - nur in ganz bestimmten Darmabschnitten eine gesundheitsschädliche, hormonelle Stoffwechselreaktion auslösen. Geschehe der Aufschluß der fraglos wichtigen Nährstoffe erst in anderen Darmabschnitten, blieben die unangenehmen Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen aus. Danach wären weder Zucker noch Kalorien, sondern der bislang kaum erforschte, sogenannte glykämische Index des fertigen Nahrungsmittels für diesen Funktionskreis relevant. Es ginge dann um die Frage, wie schnell dieses seine verdaulichen Bausteine aufspaltet und ins Blut abgibt.

Diese wissenschaftlichen Ungereimtheiten scheinen den geplanten Austausch des alten Zuckers mit einem sich hieraus ableitenden, aber bisher völlig unbekannten und unerforschten Stoff, über dessen gesundheitliche Auswirkungen keine Erfahrungen vorliegen, in keiner Weise zu rechtfertigen. Denn zum einen muß sich Allulose angesichts der Tatsache, daß bislang noch jeder gängige Zuckerersatz, siehe Sorbit, Xylit (Birkenzucker), Stevia und Erythrit, unangenehme Begleiterscheinungen gezeigt hat [9], die Frage gefallen lassen, ob der kalorienfreie Zucker tatsächlich harmlos ist. Und zum anderen bleibt fraglich, ob sich mit Allulose, die echtem Zucker in so vielem ähnlich ist, eine zuckerinduzierte Stoffwechselerkrankung überhaupt verhindern läßt. Wie bekömmlich die verhinderte Zufuhr an verstoffwechselbaren und lebenserhaltenden Kohlenhydraten für den menschlichen Körper ist, sei dahingestellt.


Bundesministerin Klöckner mit den Empfängern der Förderbescheide, u.a. Dr. Timo Koch (rechts von ihr) für die Entwicklung von Cellobiose und Allulose. [2] - Foto: BMEL / Ute Grabowsky / photothek.net

Vollendete Tatsachen schaffen.
Projekte für nährwertfreie Zucker werden im Rahmen der Zuckerreduktionsstrategie der Bundesregierung staatlich gefördert.
Foto: BMEL / Ute Grabowsky / photothek.net


Nährstoffvernichtung in einer hungrigen Welt ?

Sollte hinter kalorienfreier Surrogaten, die nur schmecken, aber keine natürliche Funktion außer einer vorübergehenden Darmstimulation erfüllen, angesichts zunehmender globaler Probleme der Ernährungssicherung vielleicht sogar mehr stecken, als ein aus dem Überfluß generierter Schildbürgerstreich? Denn wie anders sollte man den landwirtschaftlichen Flächenverbrauch bezeichnen, um zwei Milliarden an Übergewicht leidenden Wohlgenährten in den Industrieländern minimalinvasiv eine passive Gewichtsabnahme ohne Verhaltensänderung und Genußverzicht zu verordnen, die aber durch einen entsprechend kompensatorischen Fett- und Alkoholkonsum nur von marginalem Wert sein könnte, während es in den Ländern des ärmeren Südens beinahe der gleichen Menge an mangelernährten oder hungernden Menschen an elementaren Nährstoffen wie Zucker fehlt?

Neben dem politischen Gerangel um Zuckerrübenquoten und den Sorgen der Zuckerindustrie um ihre Umsätze ist die Zuckerrübe mit ihrer hohen Anfälligkeit gegenüber Pilzerkrankungen, mit ihrem immensen Bedarf an gutem, nährstoffreichem Boden, Dünger, Wasser und Pflege eine der anspruchsvollsten Ackerpflanzen, [10] was ihren Anbau und ihre wirtschaftliche Verwertung im Zuge des globalen Wandels in Zukunft unattraktiv werden lassen könnte. In Zeiten zunehmender globaler Erwärmung könnte man die Rübe tatsächlich als landwirtschaftliches Auslaufmodell bezeichnen. Und sollte deshalb der ganze Rummel um Allulose und weniger Zucker vielleicht am Ende doch als ungebetene Umerziehung des Geschmacks auf künftig nährstofflose, hungrige Zeiten verstanden werden, die dann nicht mehr allein die Länder des armen Süden treffen?


Anmerkungen:

[1] https://www.rtl.de/cms/allulose-dieser-zucker-hat-fast-keine-kalorien-4191442.html
https://www.focus.de/gesundheit/gesund-leben/ernaehrung-kalorienfreier-zucker-hersteller-plant-suessstoff-revolution_id_9207409.html
https://www.welt.de/regionales/nrw/article181381460/Suende-ohne-Folgen-Echter-Zucker-ohne-Kalorien.html
https://www.diabetes-online.de/salate_gemuese/a/praktisch-zucker-kalorienfrei-allulose-suesse-alternative-1957610
https://bumfuzzled.de/allulose-zucker-ohne-kalorien/
https://www.kocaonline.de/nachrichten/innovation-zucker-ohne-kalorien,7069309046.html

[2] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/GrundsatzvereinbarungReduktion.pdf?__blob=publicationFile

[3] https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/_Texte/Begleitgremium_Reduktions-Innovationsstrategie.html

[4] https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/_Texte/FAQ-ReduktionsstrategieZuckerSalzFette.html

[5] https://www.agrarheute.com/politik/bundestag-weist-mehrere-antraege-glyphosat-zurueck-551706
und
https://www.agrarheute.com/wochenblatt/politik/glyphosat-zeitmangel-wurde-zulassung-um-jahr-verlaengert-550224

[6] https://www.greenpeace-magazin.de/wie-viel-glyphosat-steckt-unseren-lebensmitteln-und-wie-gefaehrlich-ist-das
und
https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zur_bewertung_des_gesundheitlichen_risikos_von__glyphosat-127823.html

[7] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/87358/Zucker-Mehr-als-nur-leere-Kalorien

[8] https://www.bmj.com/content/360/bmj.j5808

[9] https://www.biokrebs.de/therapien/patienten-fragen/77-ernaehrung/1882-gesunde-suesse

[10] https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/lavita/lavita-ruebenernte-anbau100.html


5. Februar 2019


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