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LABOR/061: Bengalische Lichter und Assyrische Fackeln (SB)


SCHABERNACK UND EXPERIMENTE FÜR HOBBYALCHIMISTEN

Flammenfärbungen

und chemische Spielereien in der Silvesternacht


Streut man versehentlich ein wenig Kochsalz, Soda oder Natron in die Gasflamme, das weiß jeder Koch, so wird diese vorübergehend intensiv gelb. Das ist auch der Fall, wenn man die gleichen Stoffe in ein Kohlefeuer wirft. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man sogar dem Eindruck erliegen, die eingestreuten Verbindungen hätten auf die Verbrennungsprozesse eine irgendwie geartete beschleunigende oder fördernde Wirkung. Tatsächlich wurden noch vor etwa hundert Jahren Mogelpackungen verkauft, die den Verbrauchern mit der Aufschrift "Zur Förderung der Verbrennung und zur Kohleersparnis" optimale Energieausnutzung versprachen und angesichts des teuren und raren Heizmaterials in den kargen Nachkriegszeiten reißenden Absatz fanden.

Das war ausgesprochen gemein, denn die zumeist in Not geratenen Leute, die dem Schwindel aufsaßen, erhielten nur billiges Salz oder Soda zu überteuerten Preisen. Sie hätten besser noch mehr Kohle gekauft. Genaue Messungen hatten längst ergeben, daß weder Kochsalz noch Soda die Verbrennung fördern, sondern einfach nur die Flamme durch aufsteigende, verdampfende Natriumverbindungen färben.

Die Chemiker nutzten die Flammenfärbung beispielsweise zum Nachweis von Natrium in einer Verbindung. Da alle Natriumverbindungen selbst das reine metallische Natrium die Bunsenbrennerflamme gelb färben, ist die gelbe Flamme immer schon ein erster Hinweis, daß in einer unbekannten Substanz zumindest schon einmal Natrium enthalten ist. Aber auch andere Elemente geben typische Flammenfärbungen.

Das Problem dabei ist nur, wie bekommt man etwas von der unbekannten Substanz in die Flamme. Ein Glasstab enthält nämlich selbst Natrium (aus der Glasherstellung mit Soda und Glaubersalz), eine Stricknadel oder ein Löffel färbt die Flamme wieder anders und würde zudem korrodieren. Tatsächlich gibt es nur zwei Materialien, die sich in der Flamme relativ neutral verhalten: Die eine, Platin, ist zu teuer, die andere ist das, was jeder Chemiker heutzutage verwendet, ein Magnesiastäbchen. Diese weißen Stäbchen bestehen aus Magnesiumoxid, verflüchtigen sich auch nicht in den heißesten Bezirken der Leuchtgasflamme (bis zu 1800°C) und färben die Flamme höchstens in ganz belanglosem Umfang.

Für die Flammenprobe wird so ein Stäbchen zunächst in der heißen Flamme ausgeglüht und dann glühend in die Probe gesteckt. Dabei schmilzt etwas von der Probe am Stäbchen fest. Schließlich hält man es erneut in die Flamme und beobachtet mögliche Verfärbungen.

Wie schon gesagt: Nicht nur Natrium färbt die Flamme, obgleich es viele andere Elemente mit seinem kräftigen Gelb dominiert. Kalium ergibt eine violette Flammenfärbung (durch Kobaldglas, das Gelb absorbiert, von Natrium zu unterscheiden). Calcium ergibt eine deutliche, rasch vorübergehende ziegelrote Flammenfärbung (z.B. wenn man Kalk (Calciumcarbonat) mit Salzsäure anlöst und in Calciumchlorid (CaCl2) umwandelt).

Die flüchtigen Bariumverbindungen geben grüne bis gelbgrüne, die Strontiumverbindungen rote, längere Zeit anhaltende Flammenfärbungen. Kupferverbindungen färben die Flamme grün, oft auch bläulich.

Wie man die Flammenfärbung im praktischen Leben anwenden kann, zeigte eins der Chemiker R.W. Wood. Er pflegte sein Essen in einer kleinen Pariser Pension einzunehmen. Nun mag man über die französische Küche im allgemeinen und die Pariser Restaurants im besonderen gespaltener Meinung sein, spätestens wer zufällig das autobiographische Buch von George Orwell "Down and Out in Paris and London" gelesen hat (oder die Hörfunkversion im Radio hören konnte) wird nicht mehr allzu viel von den Praktiken in kleinen Pariser Pensionen halten. Auch R.W. Wood schien hier skeptisch zu sein, denn als eines Tages Geflügel serviert wurde, bestreute er zum Staunen seiner Tischnachbarn die Knochenreste auf den Tellern mit einem weißen Pulver. Am nächsten Tag hatte er einen kleinen Spiritusbrenner mitgebracht und träufelte etwas von der Suppe in die Flamme. Als die sich daraufhin rot färbte, nickte er ganz zufrieden mit dem Kopf. "Das dachte ich mir", erläuterte er den verwunderten Gästen, "ich wollte nur wissen, ob die Knochen nochmals zur Suppe kommen. Darum habe ich sie gestern mit Strontiumchlorid bestreut ..."

Es gibt allerdings noch eine weitere Anwendungsart der Flammenfärbung im praktischen Leben, wenn sie auch "alle Jahre wieder" nur einmal im Jahr zum Jahreswechsel ausgeübt wird. Die Silvesternacht wird gewöhnlich mit allerlei pyrotechnischem Zauber, bengalischen Lichtern und Fackeln verschönt, eine Tradition, mit der schon die alten Assyrer und ihren schlichten Fackeln aus in Pech, Asphalt oder Harz getauchten Holzstäben im 9. Jahrhundert vor Christus bei Festlichkeiten begonnen hatten.

Es müssen ja nicht immer gleich laute Knaller und teure Raketen sein, bunte Lichter lassen sich recht einfach im heimischen Labor produzieren und verursachen noch genügend Nervenkitzel bei der Zubereitung und ob es auch wirklich funktioniert. Sie bestehen in der Regel aus einem Brennsatz von Kaliumnitrat und Schwefel, oft ist auch noch etwas Kohle beigemischt und einem flammenfärbenden Zusatz. Dafür eignet sich wasserfreies Soda (gelb), Bariumchlorid (grün), Bariumnitrat (grün), Borsäure (grün), Strontiumchlorid (rot), Strontiumnitrat (rot), Calciumchlorid (rot), Kupferoxidammoniak (blau) u.dgl.

Hygroskopische und kristallwasserhaltige Zusätze sind vor dem Mischen scharf zu trocknen, da sonst das Gemenge nicht gut brennen würde. Wenn als Zusätze sauerstoffreiche Nitrate (Bariumnitrat, Strontiumnitrat) verwendet werden, kann man gleichzeitig an Kaliumnitrat sparen oder ganz darauf verzichten.

Doch Vorsicht! Um Explosionen zu vermeiden sollte man das leicht entzündliche Kaliumnitrat erst ganz zuletzt mit Hilfe einer Vogelfeder zu dem feinen,gleichmäßigen Gemenge der übrigen Bestandteile geben und vermischen. Außerdem nie viel mehr als ungefähr ein Gramm der einzelnen Gemische herstellen und nach Herstellung möglichst sofort auf einem Blechdosendeckel oder einer Porzellanscherbe im Freien verbrennen, keine brennbaren Gemische in Papiertütchen abfüllen und aufheben!!!!!

Bestenfalls kann man die fertigen Mischungen luftdicht einzeln in Marmeladengläsern, Metalldosen oder ähnlichem kurze Zeit aufheben, wenn man sie erst in der Nacht verbrennen möchte.

Und: Auch wenn es sich noch um relativ harmlose Versuche handelt, sollte man auf jeden Fall alle Schutzmaßnahmen für chemische Versuche beachten. D.h. man setzt sich eine Schutzbrille auf und sorgt für ausreichende Löschmöglichkeiten (Eimer Wasser, nasser Feudel, Brandschutzdecke usw.)

Hier nun die bewährten Mischungen:

Bengalische Lichter

Gelbfeuer:
* 0,6 g Schwefel,
* 0,3 g trockene wasserfreie Soda
* 0,5 g Natriumnitrat,

Grünfeuer:
* 0,3 g Schwefel,
* 0,04 g Holzkohle
* 1,2 g Bariumnitrat,

Rotfeuer:
* 0,6 g Schwefel,
* 0,04 g Holzkohle
* 1,8 g Strontiumnitrat,

Blaufeuer:
* 0,5 g Salmiak
* 1,0 g Kupfersulfat

Die einzelnen Bestandteile werden abgewogen, vorsichtig mit einer Vogelfeder auf einer Porzellanscherbe oder einem Blechdeckel gemischt und angezündet.

Noch einfacher geht es folgendermaßen:

Man stopft in mehrere leere Konservendosen etwas Watte, übergießt diese mit 10 ml Brennspiritus, in dem jeweils a) etwas Kochsalz, b) etwas Borax, c) Kupfercarbonat oder d) Strontiumnitrat gelöst wurde, und entzündet den Inhalt der Dosen im Freien auf einer feuersicheren Unterlage.

Auch hier ist höchste Vorsicht geboten, denn Spiritus (Alkohol) ist eine hochentzündliche Flüssigkeit. Geht etwas an falscher Stelle daneben oder bekommt man etwas davon auf die Kleidung, kann der Betreffende schon durch einen Funken in Sekundenschnelle in Flammen stehen. Von Experimenten im angetrunkenen oder auch nur beschwippsten Zustand sei ganz abgeraten.

Noch eine Anmerkung zu den verwendeten Chemikalien:

Aufmerksame Leser werden vielleicht das Hantieren mit Strontium oder Barium bedenklich finden. Bariumcarbonat ist ein bekanntes Rattengift, Bariumnitrat ist das nicht, trotzdem ist es ein Stoff, der die Schleimhäute reizt und aus Versehen eingenommen gesundheitsschädlich wirkt (siehe auch UMWELTLABOR/204). Zudem gibt es sowohl von Strontium als auch von Barium radioaktive Isotope (114-Ba, 153-Ba, 90-Sr), die einem meistens als erstes in den Sinn kommen, wenn von diesen Elementen gesprochen wird. Gerade Strontium-90 ist als ein zu fürchtendes radioaktives Gift bei nuklearen Fallouts viel diskutiert worden. Hier haben wir es aber nicht mit den radioaktiven Substanzen, sondern ihren stabilen Varianten zu tun.

Bei den für chemische Versuche verwendbaren Salzen, die sich auch problemlos erwerben lassen und u.a. in Chemiebaukästen für Kinder zu finden sind, soll es sich immer um stabile, natürlich vorkommende Isotope handeln. Außerdem sind die hier vorgeschlagenen Mengen bewußt so klein gewählt, daß das Risiko, sich daran zu vergiften, sehr gering ist. Dennoch sollte man mit allen chemischen Substanzen grundsätzlich vorsichtig umgehen, so daß sie nicht versehentlich verschluckt oder mit Nahrungsmitteln aufgenommen werden können. Die verbrannte Asche sollte zur sachgerechten und umweltgerechten Entsorgung, soweit es geht, eingesammelt und in einem verschlossenen Gefäß (Marmeladenglas) zu einer Entsorgungsstelle oder Apotheke gebracht werden. Schüler können möglicherweise die Reste ihrer Experimente im Sammelbehälter der Schule unterbringen, wenn der Chemielehrer damit einverstanden ist.

Um sich auch in Zukunft die Freude an chemischen Experimenten zu erhalten, ist es wichtig, nicht gedankenlos mit Chemikalien umzugehen und möglichst vor dem Experiment auch an die Entsorgung hinterher zu denken. Das gilt aber eigentlich genauso für die Böller, Raketen und Silvesterscherze, die man in diesen Tagen überall im Handel erwerben kann. Denn darin ist auch nichts anderes, als die oben erwähnten Substanzen.

In diesem Sinne kommen Sie alle gut und unversehrt ins Neue Jahr!

31. Dezember 2007