Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

LABOR/015: Raffinierte Ostergrüße à la 007 · Geheimbotschaften im Ei (SB)


SCHABERNACK UND EXPERIMENTE FÜR HOBBYALCHIMISTEN

Raffinierte Ostergrüße à la 007

Geheimbotschaften im Ei


Da schlägt einer - in einem kleinen, unscheinbaren Londoner Hotel - nichtsahnend sein harmlos aussehendes Frühstücksei auf, pellt vorsichtig die zerbrechliche Eierschale ab und zieht langsam und in genüßlicher Vorfreude das dünne Häutchen von dem festen Eikörper. Plötzlich wirkt der Frühstücksgast wie vom Donner gerührt. Gebannt starrt er auf sein Ei, als habe er noch nie in seinem Leben ein solches in der Hand gehabt. Dann, verstohlen nach links und rechts blickend, als wolle er zufällige Beobachter ausschließen, verschlingt er das Ei mit unvorstellbarer Gier, verzieht kurz das Gesicht und stürzt dann hastig davon, ohne sein Frühstück zu beenden. Die frisch eingeschenkte, dampfende Kaffeetasse und das gerade fertig bestrichene Marmeladenbrötchen bleiben verwaist und mit leisem Vorwurf zurück - die einzigen Zeugen dieser seltsamen Szene.

Abgesehen von der Tatsache, daß es sich an diesem Morgen um den Ostersonntag handelt und der so abrupt in seinem Frühstück Unterbrochene vielleicht nur einen Strauß Narzissen oder ein Nougatei für seine Mutter oder seine Frau besorgen mußte, was recht unwahrscheinlich scheint - was mag wohl wirklich geschehen sein, an jenem Ostermorgen und wer war der eilige Fremde, der so gehetzt sein Ei verdrückte?

Nun, viele wissen, daß dem Ei gerade zu Ostern eine besondere Bedeutung und Symbolkraft zukommt, die sich in dem ursprünglichen Glauben an darin enthaltene magische Kräfte, in der Möglichkeit der Orakelfindung oder in der Tradition alter germanischer Fruchtbarkeitsriten begründet. Doch nur wenige kennen das Ei als Übermittler geheimer Botschaften wie es in Geheimdienstkreisen verwendet wird. Auch wenn dem Ei äußerlich nichts anzumerken war, enthielt es für seinen Empfänger, den unbekannten Gast des kleinen Londoner Hotels, eine entscheidende, alarmierende Nachricht. In hellgelber Schrift stand auf dem Eiweiß zu lesen:

"Frohe Ostern, James".

Der Unbekannte war kein geringerer als James Bond persönlich, besser bekannt als Geheimagent 007, und ganz offensichtlicht wußte das außer ihm auch der unbekannte Eierkoch. Seine Tarnung war aufgeflogen. Genug Gründe also, nicht das Frühstück, sondern sich selbst zu verdrücken. Was er dann ja auch tat.


*


Einen solchen Ostergruß à la 007 selbst herzustellen, ist gar nicht schwer. Allerdings sollte man nicht dem obigen Beispiel folgen und das Ei anschließend tatsächlich noch essen. Die verwendeten Chemikalien für diesen Hobbyalchimistenschabernack sind zwar keinesfalls giftig, verleihen dem Ei jedoch einen unangenehmen Geschmack, was an den leicht verzerrten Gesichtszügen des Geheimagenten nur unschwer zu erkennen war. Geheimdienstler vernichten jedoch aus reiner Gewohnheit automatisch alle an sie gerichteten Nachrichten, wobei das Verbrennen im Aschenbecher, die Klospülung oder das gründliche Kauen und Herunterschlucken - zumindest in den entsprechenden Filmen - die gebräuchlichsten Vernichtungsmethoden darstellen, ganz gleich auf welchem Trägermaterial (Papier oder Mikrofilm) sie vermittelt werden.


Wie kommt die Botschaft auf das Ei?

Zunächst mischt man dazu einen Teelöffel gepulvertes Alaun und einen Teelöffel feste Gerbsäure (Tannin), die beide in Apotheken bezogen werden können, mit einem Teelöffel normalem Tafelessig. Dies ist die Spezialtinte, mit der man einen Gruß mit Hilfe eines spitzen Holzstäbchens, z.B. einem Zahnstocher, auf die harte Schale des rohen Eies schreibt. Anschließend wird das so präparierte Ei vier Tage in eine Salzwasserlache entwickelt, die man aus 100 ml Wasser und 2 gehäuften Eßlöffeln Kochsalz zubereitet. Danach wird es nur noch 10 Min lang gekocht. Wenn man die Schale entfernt, kann man auf dem Eiweiß die Botschaft lesen.

Während das Ei in der Kochsalzlache liegt, kann die aufgetragene Spezialtinte aus Alaun, Gerbsäure und Essig durch die poröse Kalkschale bis zum Eiweiß dringen und dieses gerinnen lassen. Gleichzeitig entsteht eine dauerhafte gelbliche Verfärbung. Anstelle von Gerbsäuren lassen sich auch der Saft aus Galläpfeln, die man im Herbst an Rosen oder Eichen findet, verwenden. Dieser enthält Gallussäure, die ebenfalls ein starker Gerbstoff ist.


Und hier noch einmal sämtliche Zutaten:

Ostergrüße à la 007

- 1 Teelöffel Kalium-Aluminiumsulfat (Alaun) (KAl(SO4)2—12 H2O)
- 1 Teelöffel feste Gerbsäure (Tannin oder Gallussäure)
- 1 Teelöffel Tafelessig
- 2 Eßlöffel Kochsalz
- 1 Glas mit 100 ml Wasser


- Holzstäbchen, Zahnstocher
- ein Hühnerei

Erstveröffentlichung 14. März 1996

5. April 2007