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RATGEBER/207: Wie giftig grüne Kartoffeln sind (SB)


Schluß mit dem Gerücht, ...

...daß grüne Kartoffeln einfach ungenießbar sind

und warum die grüne Farbe und ein bitterer Geschmack dennoch etwas über die Verträglichkeit aussagen können


Wer Kartoffeln noch selbst schält und zubereitet, der stößt hin und wieder auch an grüne Stellen an einer Seite des weißen bzw. gelben Fruchtfleisches. Während unsere Großmütter noch genau wußten, wie mit solchen Kartoffeln zu verfahren war, sind die heutigen qualitätsverwöhnten Verbraucher meist verunsichert.

Nun hat sich bei vielen, die gerüchteweise das eine oder andere gehört haben oder erinnern, aber nichts genaues wissen, der Verdacht erhärtet, daß grün angelaufene Kartoffeln ebenso wie grün verschimmeltes Brot schlicht ungenießbar bzw. giftig sind. Die Intensität des Grüns wird dann meist als Hinweis für die Menge an Gift angesehen. Da aber niemand genau weiß, um was für ein Gift es sich handelt und wie schädlich es für den menschlichen Organismus ist, schmeißt man angegrünte Kartoffeln lieber gleich in den Müllschlucker.

Andere halten diese Verhaltensweise dagegen für maßlos übertrieben und die Gerüchte um grüne Kartoffeln für eine Legende, die heutzutage gar nicht mehr wahr ist. Da zudem Grünes (von Schimmel einmal abgesehen) gemeinhin als gesund gilt, scheren sie sich nicht um solche äußeren Merkmale.

Bestärkt werden letztere durch zahlreiche Neuzüchtungen bzw. sogenannte Lifestyle-Kartoffeln in allen möglichen Farben und Formen, die nicht nur seltsam aussehen, sondern auch noch besonders teuer sind und trotzdem gut schmecken.

Angesichts steigender Lebensmittelpreise könnte es jedoch auch wieder nötig werden, über die Verzehrbarkeit von Kartoffeln genau bescheid zu wissen und wie man grün angelaufene Kartoffeln am sinnvollsten behandelt.

Tatsächlich ist die Sache mit dem Gift kein Gerücht. Grüne Kartoffeln enthalten höhere Konzentrationen eines bestimmten Toxins (Giftstoffes), das sogenannte Solanin, das für Übelkeit, Kopfschmerzen und leichtere neurologische Beschwerden verantwortlich gemacht werden kann.

Die Pflanze wehrt sich mit einer geringen Konzentration des Giftes, das im übrigen in allen Kartoffeln enthalten ist, gegen ihre Freßfeinde, d.h. vor allem kartoffelliebende Insekten, aber letztlich auch den Menschen. Sobald dieser der beliebten, unterirdisch wachsenden Knolle habhaft wird, sie also aus ihrer natürlichen, erdigen Umgebung ausbuddelt, Tageslicht und Wärme aussetzt, steigt die normale Konzentration an Solanin weiter an.

Die grüne Farbe hat dabei genau genommen überhaupt nichts mit dem Gift zu tun. Sie entsteht durch die plötzliche Produktion von Chlorophyll, mit der die Knolle auf Sonnenlicht reagiert. Und das ist eine ausgesprochen normale und für alle Pflanzen typische Reaktion.

Tatsächlich ist die Intensität des Grüns ein Hinweis auf die Konzentration von Solanin, da mit der Chlorophyllproduktion auch alle anderen Stoffwechselprozesse der Pflanze, einschließlich der Solaninproduktion, angekurbelt werden.

Was nun die Giftigkeit angeht, so lassen sich die leichten Befindlichkeitsstörungen, die grüne Kartoffeln auslösen können, kaum von den normalen streß- und alltagsbedingten Beschwerden unterscheiden. Es gibt aber inzwischen sogar wissenschaftliche Untersuchungen über verträgliche Grenzwerte.

Laut Professor Alexander Pawlista von der Universität Nebraska, Lincoln, kann ein 45 Kilo schweres Leichtgewicht etwa 450 Gramm einer durch und durch grünen Kartoffel essen, ehe ihm schlecht wird. Das ist ein knappes Pfund, was etwa einer Tagesration an Kartoffeln entspricht, die aber normalerweise nie vollständig grün ist. Noch einmal: Pro Kilogramm Körpergewicht werden im Durchschnitt 10 Gramm total grüne Kartoffel vertragen. Bei einem Normalgewicht von 70 Kilo macht das schon 700 g aus. Der Mensch verträgt also recht viel von diesem Giftstoff.

Gemeinhin achten Kartoffelbauern und -händler darauf, daß sich unter ihrer Ware nichts Grünes befindet. Angegrünte Kartoffeln werden schon beim Abwiegen auf den Müll geworfen. Wer dennoch Grünliches an seinen Kartoffeln findet, der hat sie meist falsch gelagert:

Kartoffeln sollen an einem kühlen, dunklen Ort, wie das Erdreich, aus dem sie kommen, aufbewahrt werden. Deshalb wurden Kartoffelvorräte früher "eingekellert", d.h. in einen gut gelüfteten, aber dunklen Kartoffelkeller verfrachtet.

Um schließlich ganz sicher zu gehen, sollte man die grünen, solaninhaltigen Teile der Kartoffel beim Schälen einfach mit abschneiden. Dann kann man den übrigen Teil der Kartoffel durchaus unbesorgt essen.

Eine weitere wichtige und oft vergessene Faustregel: Finger weg, wenn etwas bitter schmeckt! Und das gilt nicht allein für Kartoffeln sondern auch für alle anderen Lebensmittel. Der bittere Geschmack ist gewissermaßen die Warnung für alle Freßfeinde des jungen Gemüses und heißt übersetzt: Achtung, ich wehre mich mit Pflanzengift!

Zusammengefaßt läßt sich sagen: Grüne Kartoffeln enthalten einen pflanzliche Giftstoff, der Übelkeit auslösen kann. Diesen kann man jedoch unschädlich machen, indem man die grünen Stellen der Kartoffel ausschneidet. Die Kartoffel bleibt dann genießbar.

10. Juli 2007