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RATGEBER/224: Kinderfragen (22) Wenn Wasser nach Fisch riecht... (SB)


KINDERFRAGEN 22

Was geschieht mit Wasser, das eklig nach Fisch stinkt?

Und wie Forscher dieses Wissen zur Nahrungs- und
Trinkwasseraufbereitung nutzen


Auf manche Fragen, die man sich schon als Kind stellte, bekommt man - wenn überhaupt - erst nach vielen Jahren eine Antwort. Wenn Trinkwasser oder Fisch nach gammeligem Muff riecht oder nach gärendem Schlamm, dann läßt man schnell die Finger davon. Der Geruch ist gewissermaßen die Warnung für alle Lebewesen, daß diese Dinge nicht mehr zum Verzehr geeignet sind. Spätestens seit Robert Koch wissen wir, daß für derart abstoßende Gerüche wie auch für Wohlgerüche meist Bakterien oder andere Mikroorganismen verantwortlich sind.

Was den gammeligen Geruch von Wasser angeht, so veröffentlichten unlängst Forscher der TU Braunschweig eine Studie, in der sie die chemische Ursache des vermeintlichen Übels bei den Wurzeln packten: Methylisoborneol.

Hinter diesem für Nicht-Chemiker unaussprechlichen und unmerkbaren Begriff versteckt sich der Stoff, der für den abstoßenden Geruch von Fisch und Trinkwasser verantwortlich ist. Wie er im Organismus von Bakterien produziert wird, entschlüsselten die Forscher und veröffentlichten ihre Ergebnisse in dem Fachjournal "Angewandte Chemie" ("Biosynthesis of the Off-flavor 2-Methylisoborneol by the Myxobacterium Nannocystis exedens" in: Angewandte Chemie 2007, 119, S. 8436-8439 (Deutsch) und Angewandte Chemie International Edition 2007, 46 S. 8287-8290 (Englisch)). Eine leichter verständliche Kurzzusammenfassung gab kurz darauf der Informationsdienst Wissenschaft (idw) heraus, in der u.a. klar wird, warum wir gerade diesen Geruch so schnell wahrnehmen. Nur winzige Spuren reichen schon, um unsere Geruchssinneszellen zu alarmieren:

Mal riecht es nach frischer Erde, mal gammelig, muffig und unangenehm: Methylisoborneol. Die Substanz kann sich außer in der Erde auch im Trinkwasser und in Speisefischen anreichern. Schon in geringsten Konzentrationen von nur zehn Nanogramm pro Liter wird sie von unseren Nasen erschnuppert. Die chemische Verbindung wird ausschließlich von Bakterien produziert. Jetzt hat die Arbeitsgruppe von Prof. Stefan Schulz am Institut für Organische Chemie der Technischen Universität Braunschweig erstmals nachgewiesen, wie die Mikroorganismen den Duftstoff herstellen.
(idw, 15. November 2007)

Trotz der abschreckenden Wirkung, die dieser Geruch auf uns hat, sei die Substanz selbst für den Menschen nicht schädlich, heißt es weiter. Der Mensch reagiert auf diesen Geruch aber derart empfindlich, daß er nicht einmal frisches Wasser trinken würde, sobald er nur einen Tropfen des reinen Methylisoborneols darin wahrnehmen kann.

Diese natürliche Hemmung, muffiges Wasser oder schlammigfauligen Fisch zu sich zu nehmen, hat auch seinen guten Grund. Viele der Bakteriern, die Methylisoborneol in ihrem Metabolismus produzieren, können gleichzeitig auch gefährliche Toxine von sich geben, die für den Menschen hoch giftig sind. Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt und in stehenden Gewässern vorkommend, können beispielsweise solche Bakterientoxine herstellen, die der Mensch nicht riechen kann. Möglicherweise bedeutete es für die menschliche Gattung einen geringfügigen evolutionären Vorteil im Verlauf unserer Entwicklungsgeschichte, den penetranten Geruch als Warnsignal zu verstehen und zu befolgen.

Ehrlich gesagt sollte man auch heute auf diese Ur-Warnung hören. Wissen wir doch auch über die Wirkung oder Verträglichkeit von anderen Mikroorganismen in unserem Körper sehr wenig. Der Geruch von Methylisoborneol weist aber definitiv zunächst auf eine Bakterienansammlung hin.

Daher ist auch die Schlußfolgerung der Braunschweiger Forscher und das Interesse der Lebensmittelindustrie, die sich für diesen Stoff laut Aussage des idw sehr interessiert, aus unserer Sicht nur bedenklich. So heißt es hier zum einen:

Aus diesem Grund ist die Isolierung des Geruchsstoffs für die Brauchwasserzubereitung von großer Bedeutung.

Versorgungsbetriebe entfernen dies daher bei der Trinkwasseraufbereitung mit hohem Aufwand. Auch in Fischen kann sich der flüchtige Stoff anreichern, die dann aufgrund des typischen "Schlammaromas" als ungenießbar gelten. Die Lebensmittelindustrie ist an Forschungsergebnissen entsprechend interessiert.
(idw, 15. November 2007)

Warum - so fragen sich diese Forscher allen Ernstes - soll der Mensch den nährstoffreichen Fisch oder gebrauchtes Trinkwasser nicht zu sich nehmen, solange es gesundheitlich unbedenklich ist. Um also Trinkwasser mit weniger hochwertigem Wasser zu strecken oder die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verlängern, muß man nur das Warnsignal für den Menschen neutralisieren. Das heißt, entweder den Geruch entfernen oder die Sinnesorgane des Menschen desensibilisieren und schon halten knappe Ressourcen wieder ein wenig länger. Entsprechende Forschung in diese Richtung ist schon längst etabliert, wie der idw einräumt:

Auf der Basis der Ergebnisse, die das Institut für Organische Chemie gemeinsam mit Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und an der Universität Saarbrücken erarbeitet hat, können Forscher nun nach den Genen suchen, die für die Synthese von Methylisoborneol verantwortlich sind, und später zum Beispiel die entsprechenden Produktionsmechanismen in den beteiligten Bakterien hemmen.
(idw, 15. November 2007)

Soweit - so schlecht! Muß sich der kritische Leser doch fragen, was bei den genmanipulierten Bakterien letztlich herauskommen soll. Wo werden sie eingesetzt, damit Wasser nicht mehr gammelig und Fisch nicht mehr nach Fisch stinkt. Um natürliche Methylisoborneol- produzierende Bakterien zu verdrängen, müßten die neuen GM- Bakterienstämme so stark sein und sich so schnell verbreiten, daß die natürlichen Stinkstoffproduzenten keine Chance mehr haben. Derartige Wettbewerbsvorteile verbreiten sich im Mikrokosmos von Bakterie zu Bakterie bekanntlich schnell, so daß wir zwar über kurz oder lang in einer wohlriechenden Welt leben werden, in der auch giftige Bakterien kein Methylisoborneol mehr produzieren, in der man aber nicht mehr sagen kann, ob das frische klare Wasser tödliche Gifte oder nur eiweißkonzentrierte Verfalls- und Stoffwechselprodukte ohne Geschmack enthält.

29. November 2007