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RATGEBER/230: Enzyme - Kur oder Tortur für verblichene Wäsche (SB)


Von Apfelessig bis Zitrone - Bewährte und neue Hausmittel, einfach erklärt

Die Enzymkur für verblichene Wäschestücke


Wie schade, wenn das vielgetragene Lieblings-T-Shirt in die Jahre kommt, abgenutzt, verblichen oder grau aussieht. Da leuchtet einem der Werbespot eines bekannten farbenauffrischenden Buntwaschmittels so richtig ein, in dem Menschen gezeigt werden, die den Grauschleier ihrer Oberbekleidung wie eine zweite Haut abziehen... Nur daß in diesem Fall ein konventionelles Buntwaschmittel nicht mehr viel nützt, denn der leichte Schimmelschimmer auf schwarzem und buntem Gewebe hat im Gegensatz zum Graufilm nicht ausschließlich etwas mit falschen Waschgewohnheiten zu tun. Er ist vielmehr in der Besonderheit der Baumwollfaser selbst begründet.

Frisch gesponnene Baumwolle, aber auch die einzelne frische Zellulosefaser (denn daraus besteht Baumwolle), ist so glatt, daß sie, in einem Gewebe verarbeitet, regelrecht glänzt. Je mehr die Fasern gegeneinanderreiben, was bei Gebrauch einfach nicht auszuschließen ist, umso rauher wird das gesamte Gewebe. Feinere Anteile der Faser spleißen sich ab und legen sich wie ein zartes Fell auf das bunte T-Shirt, und da diese zarten Fasern aus dem Innern des Garns meistens nicht gefärbt sind oder auch schneller ausbleichen, wirken sie wie ein weißer oder grauer Schleier.

Waschmittel, die nun explizit das Abstreifen dieses Schleiers versprechen, werden diesem Versprechen meistens nicht gerecht, es sei denn, sie enthielten in ihrer Rezeptur ein Enzym, das eigentlich, wegen seiner problematischen Anwendung und möglicher Schäden durch unsachgemäßen Gebrauch, nicht in industriellen Waschmitteln eingesetzt werden sollte. Da aber ohnedies andere Enzymzusätze in Universalwaschmitteln vorkommen und ihre Verpackungsmöglichkeit in sogenannten Nanocontainern, die sich nur bei bestimmten Temperaturen öffnen, inzwischen auch technisch möglich wäre, läßt sich ihr Einsatz in normal käuflichen Produkten nicht mehr ausschließen. Allerdings halten sich die Hersteller im Rahmen des Patenschutzes über den Einsatz solcher Zusatzmittel bedeckt.

Man kann das Mittel aber immer noch einzeln in einigen alternativen Hobbymärkten, Drogerien oder im Chemikalienhandel beziehen.

Bei diesem Wundermittel, ein Jungbrunnen für die Wäsche nahezu, handelt es sich schlicht um einfache Zellulase, die bei entsprechend begrenzter Anwendung gerade die feinen, leicht erreichbaren Härchen auflösen soll, so daß das auf diese Weise geglättete Gewebe wieder in altem Glanz und gewohnter Farbe erstrahlt. Sogar festsitzende Flecken wie Tusche sollen durch diese Kur vollkommen verschwinden. Die Wäsche wird also wie neu?

Wie jedes Enzym wird Zellulase während dieses Vorgangs nicht verbraucht. Deshalb werden Enzyme ja oft auch Biokatalysatoren genannt, weil sie ebenso wie ein Katalysator aus der Chemie eine sogenannte Reaktion in Gang setzen, ohne dabei selbst verändert zu werden. Das kann sich bei diesem Wundermittel fatal auswirken. Wenn man sein Lieblingshemd in besagter enzymatischer Lösung vergißt, wird man im schlimmsten Fall nur noch eine Traubenzuckerlösung vorfinden. Denn das ist gewissermaßen der Grundbaustein der Zellulosefaser, in die jedes Baumwoll- oder Zellulosegewebe durch Zellulase wieder zerlegt wird. Dabei geht die Zellulase oberflächlich an die Faser heran und zerstört zunächst die kleinen, abgeschabten Härchen, anschließend greift sie jedoch auch den Hauptstrang an.

Bei der Renovierung von Baumwollsachen muß man sich deshalb, wenn man sich überhaupt dafür entscheidet, genau an die Anleitung halten. Empfohlen werden 2,5 ml Zellulase als Zusatz in den normalen 40 Grad Waschgang. Außerdem sollte diese Kur bei einem Wäschestück bestenfalls fünfmal angewendet werden. Längeres oder heißeres Waschen und mehrfache Wiederholung sind garantiert schädlich. Auf jeden Fall sollte man das behandelte Gewebe abschließend besonders gründlich in klarem Wasser spülen, da die Enzyme, wie gesagt, ihre Wirksamkeit nicht verlieren.

Eine weitere Sicherheitsmaßnahme besteht darin, daß man nur mit einer stark verdünnten Enzymlösung arbeitet, und diese lieber häufiger wiederholt, wenn nicht beim ersten Mal der erwünschte Effekt eintritt. Eine konzentrierte Lösung kann u.U. und vor allem in älteren Kleidungsstücken Löcher hinterlassen.

Im Gewebe verbliebene Enzyme fördern leider zusätzlich den Verschleiß. Darum sollte man sich die Anwendung dieses Jungbrunnens genau überlegen. Sind beispielsweise dünnere Stellen im Gewebe vorhanden, und das ist bei alten Lieblingssachen ja nie ganz auszuschließen, kann dies das vorzeitige Ende besagten T-Shirts bedeuten.

Inzwischen ist von den in den Universalwaschmitteln enthaltenen Proteasen (protein- bzw. eiweißabbauende Enzyme) hinreichend bekannt, daß erhebliche Rückstände davon in der Wäsche verbleiben, was bei empfindlichen Personen zu Hautirritationen und Allergien führen kann. Von diesen Enzymen wissen wir auch, daß sie, um überhaupt die hohen Temperaturen einer Waschmaschine zu überstehen, aus Bakterien gewonnen werden, die wiederum Gene aus Heißwasserbakterien eingepflanzt bekommen haben, also Mikroorganismen, die in heißen Quellen vorkommen. Diesem Umstand ist die unverminderte Aktivität auch nach der Wäsche zu verdanken, die zu besagten Hautirritationen führen kann.

Zellulase soll für den Menschen dagegen absolut unschädlich sein, weil in unserem Körper keine Zellulose enthalten ist. Zwar nehmen wir mit der Nahrung Zellulose auf, z.B. als Kleie oder als die meist erwünschten darmstimulierenden sogenannten Ballaststoffe, doch können wir sie nicht verdauen wie beispielsweise Kühe oder andere Wiederkäuer, die in ihren Mägen zellulaseproduzierende Bakterien besitzen, die ihnen bei der Verdauung von Zellulose helfen.

16. Januar 2008