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RATGEBER/290: Teflon, atmungsaktiv versponnen (SB)


Wie funktionieren eigentlich atmungsaktive Textilien?

Am Beispiel von Gore-Tex - Teflon - Hostaflon & Co



Gore-Tex heißt der Stoff, der die Bekleidungsindustrie im Flug erobert hat - man könnte auch sagen, wie der Wind, gegen den die aus ihm produzierten Jacken und Mäntel schützen sollen. Denn das sich als Wundermaterial etablierte Gewebe wird vor allem bei der sogenannten Outdoorbekleidung eingesetzt und von Menschen geschätzt, die sich gerne im Freien aufhalten.

Statt des seltsamen Namens Gore-Tex könnte man ebensogut auch Teflon oder Hostaflon dazu sagen. Denn im Grunde handelt es sich dabei immer um den gleichen Kunststoff, nämlich das für die Raumfahrt entwickelte Polytretrafluorethen (PTFE). Als Anti-Haftschicht in Pfannen wohl jeder Hausfrau bekannt, macht es nun als federleichter, atmungsaktiver Wollersatz in Schuhen, Jacken, Mänteln und Sportbekleidung im wahrsten Sinne des Wortes Mode und hat im Grunde alle herkömmlichen Materialien ersatzlos vom Markt verdrängt. Doch worum handelt es sich eigentlich dabei?

Wie beim Teflon entsteht Polytetrafluorethen oder Polytetrafluorethylen, wie es früher genannt wurde, durch Polymerisation von sogenannten Tetrafluorethenmonomeren. Es entspricht dem besser bekannten Polyethen bzw. Polyethylen, nur daß die H-Atome des Ethens hier durch Fluoratome ersetzt sind. Eigentlich ist der Name Polyethen oder Polytetrafluorethen falsch, denn durch die Polymerisierung bricht die Doppelbindung des Ethens auf und es entstehen Makromoleküle aus Tetrafluorethan-Einheiten.


n [F2C=CF2]
Polymerisation
−−−−−>

[-F2C-CF2-]n

Was in der verkürzten Schreibweise recht unscheinbar aussieht, erweist sich später als unendlich langgestreckte oder auch verzweigte Kohlenstoffkette mit gebundener "Fluor"-Hülle, die die speziellen Eigenschaften des Teflon oder Gore-Tex bewirken. Diese seitlich ausgestellten Fluor-Atome unterscheiden es von anderen Kunststoffen, die nur aus Kohlenstoffketten und Wasserstoff bestehen wie z.B. Polyethen (früher: Polyethylen).

Teflon läßt sich bis 300 °C erhitzen, ohne seine Struktur aufzugeben. Dafür kann es aber allein durch einen scharfen Gegenstand, mit dem man beispielsweise eine beschichtete Pfanne auskratzt, beschädigt werden.

Wodurch aber erhält PTFE-Gewebe die Eigenschaft, Wasserdampf durchzulassen, nicht aber Wasser, wie es die Werbung atmungsaktiver Stoffe verspricht?

Gore-Tex Bekleidung hat sich bei der Herstellung von Regenbekleidung durchaus bewährt. Mit einem Skianzug aus Gore-Tex kann man sich auch ruhig im Schnee wälzen. Da geht nichts durch. Kommt man dabei arg ins Schwitzen, so verdunstet der Schweiß dennoch durch den Stoff.

Faser mit Ventilplättchen

Nicht die chemische Grundstruktur ist es, die dem Goretex seine besondere Eigenschaft verleiht. Ein findiger Werkstoff-Wissenschaftler an der Universität von Liverpool erkannte die Ursache für die wunderliche Eigenschaft von PTFE-Fäden oder Stäbchen, die offenbar bei einer Zugbelastung dicker werden, unter dem Elektronenmikroskop:

Tatsächlich besteht der Stoff aus lauter winzigen Plättchen, die durch feine Fasern miteinander verbunden sind. Beim Strecken legen diese feinen Fasern die Plättchen in eine Stellung quer zur Zugrichtung. Dadurch wird das Material eindeutig dicker. Nach Meinung des Forschers lassen sich daraus so nützliche Dinge wie Knochenersatz, Dichtungsringe und kugelsichere Westen herstellen, die ihre Funktion unter starker Druck- oder Zugbelastung erfüllen müssen. Auch für Schall- oder Stoßdämpfer bietet sich der Stoff an. Natürlich handelt es sich dabei nicht um einen wirklichen Zugewinn an Substanz, die die Verdichtung bei Belastung bewirkt. Stimmt die Beobachtung des Liverpooler Wissenschaftlers, so zeigt sich zwar äußerlich eine Verdickung - jedoch auf Kosten des inneren Strukturaufbaus, der poröser und zarter, somit eigentlich bei Belastung angreifbarer wird.

Irreführender Titel

Paradoxerweise hat man diesem Effekt einen Namen gegeben, der sich von einem allgemein bekannten Phänomen aus der physikalischen Chemie ableitet, dem Poisson-Verhältnis, das die Längenzunahme und den Querschnittsverlust bei Belastung beschreibt. Normalerweise ist dieses aus Meßwerten erstellte künstliche Verhältnis für beinahe alle Materialien ein positiver Wert. Schon 1987 entdeckte ein amerikanischer Chemiker jedoch Kunstschäume, die beim Strecken augenscheinlich dicker werden. Sie hatten per Definition ein "negatives Poisson-Verhältnis". Obwohl er ganz richtig mutmaßte, daß sich derartige Stoffe durch Druck relativ leicht verdichten lassen müßten, konnte der Amerikaner mit seiner Entdeckung keinen Durchbruch erlangen.

Kurze Zeit später fand man in der Werkstofftechnologie die Mikrofaser, mit der sich der oben beschriebene Verdichtungseffekt um ein Vielfaches steigern ließ. Mikrofasern wie Gore-Tex funktionieren schließlich wie ein Filter. Selbst kleinste Wassertröpfchen können die Poren des Stoffes nicht durchdringen, weil ihr Druck schon ausreicht, den oben beschriebenen Effekt an der Mikrofaser auszulösen. Für die Wasserdampfmoleküle, z.B. die Feuchtigkeit, die beim Schwitzen von der Haut abgesondert wird, sind die verbliebenen Poren aber groß genug. Und natürlich öffnen sich die Poren um ein weiteres, wenn die Belastung ausbleibt und der Stoff ganz trocken ist (z.B. in der Sonne). Übrigens schreibt man diese Eigenschaft auch dem alten Trevira zu.

Noch ein paar Worte zum Poisson-Verhältnis

Wenn ein Werkstoff beim Strecken dicker wird, was äußerst selten vorkommt, so sagt der Physiker: Er hat ein negatives Poisson- Verhältnis. Man spricht dabei auch von der Poisson-Konstante oder Querkontraktionszahl. Genauer gesagt, gibt sie an, in welchem Verhältnis sich bei einer Längenänderung die Querdimension ändert.

Die Poisson-Zahl ergibt sich, wenn man die relative Änderung der Querdimension durch die relative Längenänderung teilt. Gewöhnlich kommt dabei ein - je nach Material unterschiedlicher - Wert heraus. Stahl hat beispielsweise die Poisson-Zahl von 0,2 und wird somit durch Strecken nur geringfügig dünner. Andere Metalle wie Blei oder Gold, die eine Poisson-Zahl von rund 0,45 aufweisen, werden unter Zug deutlich dünner. Negativ wird die Poisson-Zahl, wenn auch die Änderung der Querdimension negativ ist, wenn also das Material dicker wird.

Noch verbessern ließen sich diese Eigenschaften durch Wabenstrukturen. Sie bestehen aus mehreren dünnen Platten, die wie die Honigwaben in Bienenstöcken durch Sechseck-Strukturen miteinander verbunden sind. Sie sind zwar sehr leicht, haben aber den Nachteil, sich nicht biegen zu lassen. Doch Wabenstrukturen aus Werkstoffen wie PTFE wären biegsam. Mit ihnen könnte man zum Beispiel Kuppeln und andere gekrümmte und gebogene Dinge jeder Größe herstellen. Diese Überlegung ist für Bauleute, vor allem Brückenbauer, interessant.

Erstveröffentlichung 1995
neue, überarbeitete Fassung

6. Mai 2009